Bernd Belina und Judith Miggelbrink (Hg.): Hier so, dort anders. Raumbezogene Vergleiche in der Wissenschaft und anderswo. Münster (Raumproduktionen: Theorie u. gesellschaftliche Praxis 6. ) 2010. 283 S.

So unscheinbar der Titel ist, der ohne seinen Untertitel "Raumbezogene Vergleiche in der Wissenschaft und anderswo" bibliographisch wohl keine Aufmerksamkeit erregen würde, so komplex und in sprachlicher Hinsicht sperrig ist das Buch in seinen Inhalten. Manche Sätze versteht man erst nach mehrmaligem Lesen, weil Schachtelsätze, Klammer- und Bindestricheinschübe eine jedwede Relativierung der von den Autoren gemachten Aussagen absichern sollen. Die Semantik von Politökonomie, Soziologie und Gesellschaftsphilosophie tut ein Übriges, dass dieses Buch ein hinreichendes Vorwissen an Fachterminibedarf.

 

In 12 Einzelbeiträgen wird an ganz unterschiedlichen Themen wie Hochschulrankings, Kriminalstatistiken, Ratings im Finanzsektor (mit besonders aktueller Note), vergleichender Stadtforschung, Immobilienmärkten und vergleichender Raumbeobachtung der Frage nachgegangen, wie, warum und durch wen "verglichen" wird. Insbesondere interessieren sich die Herausgeber für die (Aus-) Nutzung von Vergleichen in der Praxis. Sie fragen weniger nach der Herleitung der Bedingungen des Vergleichs, sondern nach Sinn, Logik und Zugewinn, Vergleiche anzustellen. Wer instrumentalisiert entsprechende Vergleiche, in die eigene politische und ideologische Interessen einfließen? Welche Konsequenzen ergeben sich für jene daraus, die in solchen Vergleichen als "Verlierer" fungieren. Ausgemacht werden vor allem "neoliberale Positionen", die Vergleiche als "Mittel der Wettbewerbssteigerung" einsetzen. Die Herausgeber haben hierfür Autoren gewonnen, die räumliche Vergleiche einer Fundamentalkritik unterziehen. Unter anderem gehen sie Fragen nach, was die Probleme von Raumtypisierung und -zuschnitten, Datenstrukturen, -validität und -aufbereitung anbelangt sowie auf Einflüsse, die die Raumeinheit beeinflussen, aber in dieser Einheit selbst nicht messbar bzw. hinreichend zu identifizieren sind. Die Beiträge sollen deshalb vor allem sensibilisieren, bewusstseinsbildend wirken und zur Relativierung einladen, wenn Raum-Zeit-Struktur-Prozess-Vergleiche vorgenommen werden, in denen zuweilen "Äpfel mit Birnen" verglichen werden. Dass solche Vergleiche aber auch Herausforderung, Wagnis und Kompromissfähigkeit beinhalten, Daten und Sichtweisen zu bündeln, zu generalisieren, finanzierbar und überhaupt zugänglich zu halten, ist eine ganz andere Seite der Diskussion. Die "Lösung", zu eher "individualisierenden, fallorientierten und holistisch angelegten Vergleichen" (S. 274) im Sinne einer pfad- und kontextorientierten Logik überzugehen (zumindest in der vergleichenden Stadtforschung), scheint "heroisch", macht aber jede Raumeinheit letztlich zu einem Unikum.

Dass der Titel damit eher ironisch-sarkastisch und bewusst "unwissenschaftlich" gewählt wurde, um der Simplizität traditioneller Raumvergleiche auf den Grund zu gehen, eröffnet sich für den Käufer dieses Buches erst beim Lesen.
Ulrich Jürgens

Quelle: Erdkunde, 65. Jahrgang, 2011, Heft 3, S. 318-319

 

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