Axel Wieger: Beneluxstaaten. Darmstadt 2008. 226 S.

Wenn man bedenkt, dass der niederländische Hafen Rotterdam hinsichtlich seiner Deutschland-bezogenen Umschlagszahlen der größte "deutsche" Seehafen ist, dass Belgien als Föderalstaat schon seit vielen Jahren in politisch-geographischen Selbstdemontageprozessen unterwegs ist und Luxemburg als Medien- und Finanzstandort schon seit den 1970er Jahren internationale Ausstrahlungseffekte besitzt, scheint die Beschäftigung mit den Benelux-Staaten in einer geographischen Landeskunde naheliegend.

31 Jahre nach der 1977 von Herrmann Hambloch ebenfalls in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft verfassten Landeskunde legt Axel Wieger, tätig am Geographischen Institut der RWTH Aachen und damit mit seinem Forschungsstandort unmittelbar an zwei der drei Beneluxstaaten angrenzend, 2008 ein neues, den veränderten Ansprüchen an eine Landeskunde Rechnung tragendes Standardwerk zur regionalgeogaphischen Betrachtung dieses Raumes vor. Auf insgesamt 226 Seiten, illustriert mit 143 Abbildungen (Photos, Grafiken, Karten) und 33 Tabellen stellt der Verfasser - angepasst an den modernisierten landeskundlichen Ansatz der Darmstädter Buchgesellschaft - eine umfassende, zeitgemäße Landeskunde vor.

Der Aufbau folgt nachvollziehbaren Strukturen, indem er mit naturräumlichen Grundlagen (unter besonderer Beachtung des raumprägenden Faktors Wasser für die Niederlande) und anschließenden historisch- und politisch-geographischen Einordnungen beginnt (die am Schluss mit Bezügen zur aktuellen föderalstaatlichen Zerfallsprozessen in Belgien aufgegriffen werden). Systematisch werden dann die bevölkerungs-, siedlungs- und wirtschaftsgeographischen Strukturen, Funktionen und Prozesse in den Beneluxstaaten betrachtet, wobei letztere - sachkonform - in einer differenzierten Betrachtung der drei Wirtschaftssektoren aufgegliedert werden.

Als außergewöhnlich gelungen - und damit ist keinesfalls eine abschwächende Bewertung der übrigen Ausführungen verbunden - müssen die Darstellungen zu den städtischen und ländlichen Siedlungsstrukturen aufgeführt werden. Hier spiegelt sich das besondere Forschungsinteresse Axel Wiegers wider, der sich bereits in seiner 1976 verfassten Dissertation mit dem Siedlungsgefüge in der belgischen Condroz beschäftigt hat und seitdem kontinuierlich über die Beneluxstaaten geforscht (und gelehrt) hat.
Ebenfalls zu erwähnen ist die hervorragende kartographische Darstellungsleistung, vom Aachener Institutskartographen Hans-Joachim Ehrig erbracht, die sich keinesfalls nur auf Übersichtsdarstellungen in Kartogrammform auf Staatsebenen beschränkt, sondern gerade in einer Vielzahl von höchst instruktiven kartographischen Einzelaufnahmen (beispielsweise auf S. 81 zum Stadtumbau in Utrecht oder auf S. 103 zum funktionalräumlichen Nutzung des Kirchbergplateaus in Luxemburg) die Wichtigkeit sorgfältiger Kartierungen und Geländeaufnahmen - jenseits von GIS-Anwendungsmöglichkeiten - belegt. Hier zeigt sich sowohl im Kartenentwurf als auch in der kartographischen Realisierung höchste kartographische Kompetenz.

Die Zusammenfassung dreier Einzelstaaten in einer Länderkunde stellt jeden Verfasser vor das grundlegende Problem, wie stark er einerseits eine trennende Gegenüberstellung vornimmt oder andererseits zusammenhängenden Betrachtungen mit vergleichenden Bezügen und Verflechtungsmustern den Vorzug gibt. Axel Wieger hat sich überwiegend für den ersten Ansatz entschieden, so dass entsprechende Aspekte der Verflechtungsbeziehungen innerhalb der Beneluxstaatengruppe, grenzüberschreitende Aspekte beispielsweise nach Deutschland oder Frankreich (dieser Kritikpunkt sei dem Rezensenten zugstanden, da er darüber selbst arbeitet) sowie die Bedeutung der Beneluxstaaten für Europa (abgesehen von den Ausführungen auf S. 49ff.) allenfalls eine nachgeordnete Rolle spielen. Diese Punkte - sie zeigen nur die Komplexität einer wünschenswert allumfassenden landeskundlichen Betrachtung auf, die dann aber verlegerischen Restriktionen geschuldet ist - schmälern keinesfalls die Leistung des Verfassers.
Axel Wieger hat eine höchst anregende, lesenswerte, kompetent verfasste, differenzierte Betrachtung des Benelux-Raumes vorgelegt, die hoffentlich - auch in der deutschsprachigen Geographie - den vielfach unterschätzten Betrachtungswert dieses Staatenverbundes erhöht.
Rudolf Juchelka

Quelle: Erdkunde, 65. Jahrgang, 2011, Heft 3, S. 313-314

 

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