Sabine Weck: Neue Kooperationsformen in Stadtregionen. - Eine regulationstheoretische Einordnung. Das Beispiel München. Dortmund 1995 (Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 74). 122 S.

Neue Formen der interkommunalen Zusammenarbeit erfreuen sich in den von Globalisierungsprozessen verursachten regionalpolitischen Gemengelagen hierzulande wachsender Beliebtheit. Sie eröffnen den Kommunen politische Handlungsmöglichkeiten, die ihnen ansonsten unzugänglich geblieben wären.

Von dieser Beobachtung ausgehend, versucht Sabine Weck, konkrete ökonomische, soziale und politische Restrukturierungsprozesse innerhalb von Stadtregionen sowie insbesondere im Verhältnis von Kernstädten zu ihrem Umland in einen konsistenten Erklärungszusammenhang mit globalen Umbrüchen zu stellen. Als Untersuchungsfall dient ihr die Agglomeration München; die theoretische Referenzbasis bilden regulationstheoretische Ansätze sowie ausgewählte ökonomische Milieuansätze. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Expansion vormals peripherer Regionen, des Entstehens von neuen sozialen und ökonomischen Polarisierungen auf mikroregionaler Basis sowie der sozioökonomischen Flexibilisierung und politischen Neubewertung des Verhältnisses von Kernstadt und Umland wird die Frage gestellt, welche planungspolitischen Antworten eine prosperierende Stadtregion auf die Herausforderungen formulieren kann, die ihr im Zusammenhang mit Globalisierungsprozessen postfordistischer Prägung begegnen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Frage, welche marktstrategischen Positionen von derart gewandelten Regionen im europäischen Wettbewerb der Regionen markiert und welche institutionellen Ressourcen dabei eingesetzt werden.

Wer angesichts der jahrelangen Dominanz makrotheoretischer Debatten zum Thema "Postfordismus" und der nur selten gelungenen Verknüpfung regulationstheoretischer Ansätze mit empirischen Fallstudien auf eine Arbeit gehofft hatte, in der sich Theorie und Empirie einander stärker annähern, wird zunächst einmal nicht enttäuscht. Weck gelingt es, den ökonomischen Umstrukturierungsprozeß der Region München anhand von verfügbaren statistischen Materialien und Planungsdokumentationen plausibel nachzuzeichnen und auch den Wechsel von einer hierarchisch organisierten Regionalplanung und -politik zu einer flexibilisierten, an offenen gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen und Interessenmoderationen interessierten öffentlichen Planung zu dokumentieren. Allerdings erweist sich im letztgenannten Fall die verwendete Datenbasis (überwiegend offizielle Verlautbarungen von Planungsinstitutionen und Kommunalpolitikern sowie wenige Expertengespräche) als ein wenig zu schwach, um die Arbeitsweise und die dialogischen Kommunikationsprozesse innerhalb der betrachteten Institutionalisierungsformen (Städtekooperationen und regionale Initiativ- und Arbeitskreise, in denen sich die beteiligten Akteure aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Nicht-Regierungsorganisationen auf formal gleichberechtigter Basis begegnen) intensiv zu problematisieren. So wird beispielsweise nur ansatzweise deutlich, in welcher Weise die Definition des höheren Ganzen "Region" (als Entwicklungsobjekt und Marktteilnehmer) erfolgt, dem sich die partikularen Einzelinteressen unterordnen sollen, welche Interessen von den jeweiligen Akteuren dabei ins Spiel gebracht werden, welche differentiellen Partizipationsgrade sich bei unterschiedlichen Akteurskategorien (trotz formeller Gleichheit!) herausbilden, welche Folgen der Zwang zum Konsens unter jeweils ökonomischen bzw. marketingorientierten Vorgaben für die konkrete Politikformulierung hat usw. Hier hätten detailliertere Netzwerkanalysen sicherlich noch weitergehende Einsichten liefern können.

Ausgesprochen lehrreich sind die abschließenden Reflexionen über die Rolle der neuen regionalen Netzwerke und kommunikativen Kooperationsformen für das staatliche Planungshandeln im Postfordismus. Geht es den Regionen einerseits darum, nicht-hierarchische Regulierungsformen und innovative Milieus zu entwickeln, die es ihnen erlauben, flexibel auf disparate, unübersichtliche Entwicklungen in den einzelnen gesellschaftlichen Teilsystemen auf lokaler und zugleich globaler Ebene zu reagieren, so wird auf der anderen Seite deutlich, daß die eingesetzten Mittel (beispielsweise zur Mobilisierung endogener Potentiale) häufig eine schleichende Re-Hierarchisierung des Verhältnisses von staatlichen Planungsinstitutionen und lokalen Öffentlichkeiten implizieren. Individuen aus Milieus der Zivilgesellschaft, die an den offenen Diskussionen teilnehmen, laufen nämlich Gefahr, von Planungsinstitutionen instrumentalisiert zu werden, einerseits wegen der Kreativität und Originalität ihrer Ideen, die sie kostenlos zur Verfügung stellen, andererseits wegen der Akzeptanz, die sie bereits vorformulierten Planungsinitiativen aufgrund der eingesetzten konsensualen Verhandlungsmodi garantieren. Weck kann somit überzeugend feststellen, daß hierarchiearme Netzwerke der Entscheidungsfindung nicht nur die jeweiligen Einzelinteressen der lokalen Wirtschaft, sondern auch die Interessen von stadtregionaler Politik und Verwaltung bedienen, die sich zunehmend verantwortlich für den Erfolg oder Mißerfolg "ihrer" Region im regionalen Wettbewerb fühlen.

Autor: Hans-Joachim Bürkner

Quelle: geographische revue, 1. Jahrgang, 1999, Heft 1, S. 89-90