Jörg Gertel und Sandra Calkins (Hg.): Nomaden in unserer Welt. Die Vorreiter der Globalisierung: Von Mobilität und Handel, Herrschaft und Widerstand. Bielefeld 2012. 303 S.

Das von den Herausgebern explizit als Sammelband von Beiträgen zum Thema „Nomaden“ (Apostrophierung durch die Herausgeber) verstandene Buch wendet sich „an ein breites Publikum“. Hervorgegangen ist die Veröffentlichung aus einem SFB der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Thema „Differenz und Integration“. Als solches stellt sie sich zur Aufgabe, Ergebnisse der langjährigen Forschungen, die Vielfalt „nomadischer“ Lebens- und Wirtschaftsweisen, aber auch die Überlebensstrategien und Anpassungsmechanismen mobiler Bevölkerungen in Zeit und Raum populärwissenschaftlich aufzubereiten und verständlich zu machen.

In insgesamt 27 Fallbeispielen wird die breite Palette mobiler Bevölkerungsgruppen zu erfassen versucht. Dabei ist nicht in jedem Falle die normalerweise mit Nomadismus verbundene Tierhaltung impliziert. Die räumliche Palette der kurzen und leicht verständlichen Beiträge reicht vom Maghreb im Westen bis in die Taiga Sibiriens und nach Osttibet. Die zeitliche Bandbreite erfasst altorientalische Nomaden und ihre Einbindung in dynastische Herrschaftssysteme, Stellung und Probleme von Nomaden in der abendländischen Antike ebenso wie gegenwärtige Überlebensprobleme (Dienstleistungsnomadismus?) in europäischen Kontexten.

Reiz und Charme dieser eher als feuilletonistische Essays denn als wissenschaftliche Abhandlungen zu verstehenden Beiträge liegen in der Authentizität ihrer Inhalte: Es handelt sich entweder um historisch fundierte und mit Quellentexten versehene Interpretationen nomadischer Aktivitäten der Vergangenheit oder aber um selbst recherchierte Fallstudien aktueller Entwicklungsprobleme nomadischer Restgruppen. Ein sehr knappes Verzeichnis weiterführender Literatur, ein nicht klar einzuordnendes „Quellenverzeichnis“ ebenso wie das Fehlen von Karten- oder Lageskizzen der Fallbeispiele unterstreichen den eher essayistischen Charakter des Buches. Der Untertitel „Die Vorreiter der Globalisierung“ bleibt dem Rezensenten unklar: dazu sind Raum- und Zeitspannen der beschriebenen Beispiele wohl doch zu inkohärent und dispers! Insgesamt: eine vergnügliche Lektüre für alle, die sich für facettenreiche Aspekte des Themas „Nomadismus“ interessieren, nicht aber unbedingt ein wissenschaftliches Werk.
Eckart Ehlers

Quelle: Erdkunde, 66. Jahrgang, 2012, Heft 1, S. 88

 

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