Dirk Vallée (Hg.): Strategische Regionalplanung. Akademie für Raumforschung und Landesplanung ARL, Forschungs- und Sitzungsbericht 237. 2012. 204 S.
Die deutsche Regionalplanung verfügt über ein breites Grundlagenwissen hinsichtlich regionaler Zusammenhänge, Entwicklungen und Herausforderungen sowie über ausgewogene fachübergreifende Handlungskonzepte. Dennoch geraten die Planenden in jüngster Zeit unter Druck. Zunehmende Deregulierung, Liberalisierung sowie fachbezogene Separierung verstärken den Rechtfertigungsdruck und rufen Begehrlichkeiten nach einer Vereinfachung des Planungssystems hervor. Dasselbe gilt in Bezug auf die Transparenz der Entscheidungsprozesse, ihre Durchsetzbarkeit sowie die Akzeptanz und Umsetzungseignung von Konzepten. Parallel hierzu wird die Regionalplanung mit neuen Herausforderungen durch das wachsende Erfordernis der Partizipation von Interessengruppen und Beteiligten konfrontiert. Die hinreichende Befriedigung dieser Bedürfnisse erfordert zusätzliche Ressourcen, die meist (noch) nicht zur Verfügung stehen.
In dem Kompendium Strategische Regionalplanung setzt sich der Herausgeber Dirk Vallée zusammen mit Mitgliedern des gleichnamigen, interdisziplinär besetzten Arbeitskreises sowie weiteren Autoren aus der Planungspraxis mit den skizzierten prozessualen und inhaltlichen Herausforderungen der Regionalplanung auseinander und zeigt Wege für eine Stärkung derselben auf. Eine zusammen mit Dietrich Fürst aufgezeigte umfassende Einleitung des Herausgebers und das im abschliessenden Teil mittels eines «Baukastens» erarbeitete konsistente Modell einer zukunftsfähigen strategischen Regionalplanung in Deutschland bilden die inhaltliche Klammer des Buchs. Die Intention besteht darin, dieses Handwerkszeug in Abhängigkeit von räumlichen Ausgangsbedingungen, Raumtyp, Kooperationserfahrungen oder Akteurskonstellationen für die Nutzung auf dem Gebiet der regionalen Raumplanung bereitzustellen.
Zentraler Teil der Publikation ist die Analyse von neun vielversprechenden Fallbeispielen in Deutschland und Europa. Die Auswahl der europäischen Beispiele orientierte sich an den unterschiedlichen Staats-, Rechts- und Verwaltungssystemen, die jeweils spezifische Formen der räumlichen Planung und den Umgang mit räumlichen Entwicklungsprozessen hervorgerufen haben. Spannend ist, dass dabei zugunsten der vergleichenden Betrachtung verschiedener Staatsformen (zentralistisch, föderalistisch) in ausgewogener Weise Rechtssysteme «angelsächsischer, napoleonischer und germanisch/skandinavischer» Provenienz gewählt wurden. Diese Vorgehensweise macht die Aufsatzsammlung lesenswert, da sie sich damit thematisch genau im Fahrwasser der auch in der Schweiz zunehmend prominent diskutierten grenzüberschreitenden Regionalplanung bewegt. Hinsichtlich der Auswahl der deutschen Beispiele liess man sich von der Überlegung leiten, sowohl Agglomerationen beziehungsweise Ballungsräume (Metropolregion Rhein-Neckar) und Kerne ausserhalb einer Agglomeration in dünner besiedelten Regionen (Mittleres Mecklenburg / Rostock), als auch ländlich geprägte Regionen (Hochrhein-Bodensee) zu untersuchen. Im Anschluss hieran folgt eine synoptische Gegenüberstellung dieser Beispiele anhand der Kriterien Organisationsform, Planart, Prozess, Planinhalte und Umsetzung. Dies gibt einen guten, wenn auch erst durch sorgfältiges Studium zu erfassenden Überblick über die Kerngedanken neuer Instrumente sowie Methoden und Verfahren für eine strategische Regionalplanung. Als interessierter Leser aus entsprechenden Fachkreisen hätte man sich allenfalls gewünscht, dass die Kriterienliste noch mit den sich aus der länderspezifischen Praxiserfahrung heraus ergebenden Attributen «Unzulänglichkeiten» und «Vorzüge» der Regionalplanung angereichert worden wäre.
Der Sammelband illustriert anschaulich, dass die Sicherstellung einer auf Nachhaltigkeit beruhenden Daseinsvorsorge eine besonders enge Verzahnung der Disziplinen und planerischen Ebenen erfordert. Komplexe Produkte der Regionalplanung werden häufig, ihrer schwierigen Vermittelbarkeit wegen, nur unterschwellig oder auch gar nicht von den Beteiligten wahrgenommen. Im Negativfall führt das dazu, dass die Sinnhaftigkeit der Regionalplanung grundsätzlich infrage gestellt wird. Wesentlicher Grund hierfür ist, dass die Regionalplanenden kaum mit der eigentlichen Umsetzung ihrer Produkte betraut werden und somit nicht als effektive Problemlöser in Erscheinung treten. Vallée zufolge stellt das nicht nur in Deutschland praktizierte duale Planungssystem aus Raum- und Fachplanung eine zusätzliche Herausforderung dar. Letztere konnte sich demnach eine zunehmend dominantere Position gegenüber der Raumplanung verschaffen. Umweltfachplanungen beispielsweise verfolgen dabei überwiegend konservierende Ziele und stehen daher häufig im Kontrast zu vornehmlich von der Weiter-Entwicklung geleiteten Inhalten der Regionalplanung. Auf den Punkt gebracht, leiden die sektoralen Planungen in Deutschland unter dem Dogma der inner-disziplinären fachlichen Optimierung, wodurch sie nach wie vor die hinreichende Berücksichtigung der inter-disziplinären Komplexität zahlreicher planerischer Problemstellungen mehr oder weniger schuldig bleiben (müssen). Einer gestärkten problemorientierten und umsetzungsbezogenen Regionalplanung schreiben die Autoren das Vermögen zu, hier Abhilfe zu schaffen. Vor diesem Hintergrund wurde der Frage nachgegangen, wie die Regionalentwicklung aufgebaut sein muss, damit ihr Mehrwert im Vergleich zu den Fachplanungen in der intensivierten Zusammenarbeit mit den jeweiligen Stakeholdern zum Tragen kommen kann.
Im Ergebnis der Untersuchung stellt die strategische Regionalplanung ein Baukastensystem aus funktionalen Elementen (z. B. Leitbilder, Entwicklungskonzept, Handlungskonzept) und prozessualen Elementen (z. B. SWOT-, Akteursanalysen, Kommunikation, strategische Partnerschaften) dar. Auf die Planungspraxis in der Schweiz heruntergebrochen, fällt es allerdings schwer, das essenziell Neue dieser Studie herauszuschälen. Die für die deutsche Regionalplanung eingeforderte, auf Akzeptanz, Partizipation und governance ausgerichtete strategische Regionalplanung, die bereits bei der partizipativ organisierten Formulierung der Visionen, Leitbilder und Ziele einsetzt, wird in weiten Teilen des hiesigen regionalen Planungsgeschehens bereits in hohem Masse praktiziert (vgl. beispielsweise den Werdegang eines regionalen Richtplans oder die Erarbeitung von Agglomerationsprogrammen). Das Gleiche gilt für die Handlungs- und Umsetzungskonzepte mit ihren zentralen Handlungsanweisungen und der Benennung von Verantwortlichkeiten. Diese Bausteine findet man im Übrigen auch in den kantonalen Richtplänen, die im Grössenvergleich zu den in der Studie erwähnten Regionen durchaus der Regionalplanung zuzuordnen sind. Den Akteuren der Raumplanung in der Schweiz wird sicher auch nicht ganz neu sein, dass die pragmatische Umsetzung auf ein Monitoring und Controlling gestützt sein muss, um Erfolgskontrollen und somit eine Form von Qualitätsmanagement zu ermöglichen. Diesem Instrument sollte jedoch auch in der Schweiz mehr Nachdruck verliehen werden.
Lukas Bühlmann