Jürgen Pohl und Swen Zehetmair (Hg.): Risikomanagement als Handlungsfeld in der Raumplanung. Hannover (Arbeitsmaterial der ARL 357) 2011. 144 S.
Tsunamis, Fukushima, Finanzkrisen, politische Umwälzungen: die Frage des gesellschaftlichen Umganges mit ökologischen, wirtschaftlichen Risiken hatte in den letzten Jahren Konjunktur erfahren. Damit rückt die Rolle der Raumplanung im Umgang mit raumbedeutsamen Risiken in den Fokus. Dieser Band enthält die Ergebnisse eines gleichnamigen Arbeitskreises der ARL. Mit seiner gemischten Besetzung überwiegend aus Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen, ergänzt durch erfahrene Raumplanungspraktiker, folgte der AK dem bewährten Konzept der ARL.
Der Beitrag von Jürgen Pohl, der die theoretischen Überlegungen eröffnet, sondiert zunächst die Rolle der Raumplanung innerhalb der Risikokreislaufs: Ihre Hauptfunktion liegt demnach in der Risikobewertung und – im Gegensatz zum reaktiven Risikomanagement – in der langfristigen Risikoabwehr sowie beim strategischen Wiederaufbau nach Schadensereignissen. Sie fügt sich damit in umfassende Risk-Governance-Strategien ein. Ihr Risikobegriff ist dabei nicht nur ein technisch-rationaler, sondern auch ein gesellschaftlicher. Stephan Greiving nimmt sodann eine grundsätzliche Systematisierung von Risiken nach ihrer Raumbedeutsamkeit vor. Gemeinsam mit Martin Spangenberg und Swen Zehetmair beleuchtet er nachfolgend einige raumstrukturelle Modelle der Raumplanung (wie z.B. Gebietskategorien, Siedlungsachsen) auf ihre Implikationen hinsichtlich der Optionen eines Risikomanagements.
Zu Beginn des Empiriekapitels gibt Martin Rumberg einen groben Überblick über die Aussagen der relevanten Rechtsnormen wie ROG, BauGB, SUP/UVP-RL und einzelne Fachgesetze (Hochwasser, Naturschutz, gefährliche Stoffe). Durchweg wird eine nur schwache Regelungskraft in Bezug auf Risiken diagnostiziert. In den folgenden insgesamt 8 Kurzfallstudien, deren Problemstellung vom langfristigen Umgang mit Risiken im Regionalen Energiekonzept der Region Trier bis hin zum Umgang mit einer Explosion der Feuerwerksfabrik Enschede reicht, wird die Breite der Themenstellung nochmal illustriert. Das folgende Kapitel „Verfahren“ beginnt mit einem Beitrag von Swen Zehetmair, der Konzeption eines Prüfschemas für das Risikomanagement in der Raumplanung, das in die SUP zu integrieren wäre. Dieses Prüfschema wird von Stefan Greiving und Jürgen Pohl auf das Beispiel Hangrutschungen in der Schwäbischen Alb angewendet; von Martin Rumberg werden dazu passende Datenbankstrukturen vorgestellt. In den Handlungsempfehlungen (von Roland Wernig, Jörn Birkmann und Martin Rumberg formuliert, aber wie alle Beiträge von der gesamten Autorengruppe getragen), wird die Rolle der Raumplanung als Teil eines Risikomanagements herausgearbeitet und es werden Empfehlungen zur Anwendung des Prüfschemas und zur Weiterentwicklung einzelner Raumordnungskategorien formuliert. Abschließender Forschungsbedarf wird vor allem hinsichtlich der Risikoidentifikation, der Kumulation von Risiken und von Vulnerabilitätsanalysen gesehen.
Insgesamt kann der Band zu einem der qualitativ hochwertigsten ARL-Arbeitsmaterialien der letzten Jahre gezählt werden! Während andere ARL-Arbeitskreise mitunter über die bloße Addition von Einzelbeiträgen nicht hinausgelangen, ist hier ein durchweg geschlossener, hervorragend strukturierter Wurf eines engagierten und kompetenten Teams gelungen, in dem im Grunde kein wichtiger theoretischer und methodischer Aspekt zu diesem Thema unbehandelt bleibt. Bisweilen in den Beiträgen wohl etwas zu hoch angesetzte Steuerungsambitionen an die Raumplanung werden in den Handlungsempfehlungen auf ein realistisches Maß zurückgeholt. Der Band zeigt – fast schon im Charakter einer Vorstudie – Ansatzpunkte weiterer Aktivitäten zu dem Thema, etwa in Form von Modellvorhaben der Raumordnung, auf. Und nicht zuletzt ist er ein überzeugender Beleg für die Wichtigkeit der ARL als Scharnier zwischen Wissenschaft und Praxis in einer sich rasant verändernden deutschen Forschungslandschaft!
Christian Diller
Quelle: Erdkunde, 66. Jahrgang, 2012, Heft 3, S. 277-278
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