Boris Braun und Christian Schulz: Wirtschaftsgeographie. Stuttgart 2012. 269 S.
In den letzten Jahren ist eine ganze Reihe neuer oder aktualisierter Lehrbücher zur Wirtschaftsgeographie herausgekommen. Nun haben Boris Braun und Christian Schulz ein neues Werk in der Reihe utb basics vorgelegt, so dass man sich fragen mag: Noch ein Lehrbuch – muss das sein? Die Verfasser selbst haben den Anspruch, eine Orientierungshilfe für Studierende zu geben – sowohl für Studienanfänger, die sich erstmals mit dieser Teildisziplin beschäftigen, als auch für solche, die sich gezielt auf Prüfungen vorbereiten wollen. In Abgrenzung zu anderen Lehrbüchern soll dabei jedoch nicht eine bestimmte „Schule“ (wie z.B. die Raumwirtschaftstheorie oder die relationale Wirtschaftsgeographie) vertreten werden, sondern Ziel ist es vielmehr, eine ausgewogene Darstellung der verschiedenen relevanten und aktuell diskutierten „Grundperspektiven, Theorien und Modelle der Wirtschaftsgeographie mit ihren Unterschieden, aber auch mit ihren vielfältigen Verknüpfungen“ zu geben. Der Anspruch ist also ein integrativer, da „sich verschiedene Paradigmen und Betrachtungsweisen in ihrem Erkenntniswert ergänzen“.
Das in acht Kapiteln übersichtlich und differenziert gegliederte Buch führt daher von den bekannten, auch in zahlreichen anderen Lehrbüchern enthaltenen Standorttheorien über die raumwirtschaftlichen Theorieansätze zu neueren Perspektiven, wie z.B. sozioökonomische und institutionelle Konzepte. Innerhalb der Kapitel gehen sie dabei mal eher chronologisch (z.B. Kap. 2 Standorttheorien) vor, in anderen Kapiteln bewegen sie sich von der Makrozur Mikroebene (z.B. Kap. 5 Regionale Wirtschaftsentwicklung im institutionellen und sozialen Kontext). Ein eigenes Kapitel widmen die Autoren den Wechselwirkungen zwischen Ökonomie und Umwelt, das andere Standardwerke bislang aussparen. Zudem wird die Entwicklungsländerperspektive im Vergleich zu anderen wirtschaftgeographischen Lehrbüchern vertieft berücksichtigt, integriert in Themen wie Entwicklungstheorien oder Globalisierung. Mit dieser ohnehin begrüßenswerten Perspektivenerweiterung wird zugleich auch die hohe Anschlussfähigkeit an die Nachbardisziplinen innerhalb der Geographie wie auch zu den Umweltund Sozialwissenschaften herausgestellt.
Die bei diesem breiten Zugang unvermeidliche Fülle an Informationen und Denkansätzen wird im Text gut strukturiert, indem die jeweiligen Ansätze und Aspekte nicht nur prägnant im Text und durch anschauliche Abbildungen aufbereitet, sondern auch konsequent in den Gesamtkontext wirtschaftsgeographischer Themen und Theorien eingebettet werden. Die Autoren stellen immer wieder Querbeziehungen zwischen den Kapiteln her und weisen auf die Anschlussfähigkeit an andere Ansätze hin, womit nicht nur eine Lesehilfe gegeben ist, sondern auch vordergründige inhaltlichkonzeptionelle Gegensätze aufgelöst werden. Die Auswahl an Themen, Theorien und Konzepten hinterlässt m.A.n. keine Lücken, auch wenn manche Konzepte nur sehr knapp erläutert werden, wie z.B. die Endogene Regionalentwicklung.
Die hohe Lesbarkeit des Buches ist verschiedenen Aspekten zuzuschreiben: Zum einen schreiben die Autoren in einem wenig durch ökonomischen oder soziologischen Fachjargon aufgeladenen Stil, der sich auf die wesentlichen Fachtermini beschränkt und diese i.d.R. erläuternd einführt. Zum anderen flechten sie zahlreiche Beispiele ein, die für den studentischen Leser abstrakte Zusammenhänge mit Leben füllen. Darüber hinaus tragen die bewusst sparsam verwendeten Literaturverweise im Text zu einem ungebrochenen Lesefluss bei. Am Ende jedes Kapitels werden dafür jeweils rund fünf Lesetipps genannt, bei denen es sich i.d.R. um gut ausgewählte Standardwerke handelt. Schließlich sollen auch das zurückhaltende, gefällige Layout und das ausgewogene Verhältnis zwischen Text, Diagrammen und Tabellen sowie Textboxen für Definitionen oder kleinere Exkurse hervorgehoben werden. Für Studierende schließt jedes Kapitel mit einer Reihe von Fragen ab, die der Selbstüberprüfung dienen.
Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Ja, dieses Buch ist ein echter Gewinn für Studierende. Es erscheint mir ein gelungener Kompromiss zwischen so genannten Kompaktdarstellungen, die sich inhaltlich und auch in der Tiefe zu stark beschränken müssen, und ausführlicheren Lehrbüchern, die mit ihrem wissenschaftstheoretischen Anspruch insbesondere an den Bedürfnissen Studierender am Anfang des Studiums oder ohne wirtschaftsgeographische Spezialisierung aufgrund ihrer Fülle und Diktion vorbeigehen. Der selbst gestellte Anspruch, einen integrierenden Überblick über die vermeintlich gegensätzlichen Konzepte zu geben, ist gelungen, zielführend und wohltuend. Über die wenigen redaktionellen Flüchtigkeitsfehler, die bei einer Erstauflage wohl unvermeidlich sind, kann man daher getrost hinweg sehen.
Anke Matuschewski (Bayreuth)
Quelle: DIE ERDE, Vol. 145, 1-2/2014, S. 113
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