Axel Borsdorf und Christoph Stadel: Die Anden. Ein geographisches Porträt. Berlin et al. 2013. 453 S.
Ein Buch über die Anden, ist das noch zeitgemäß, mag man sich in Zeiten von Wikipedia fragen und dazu noch ein schwergewichtiges und aufwändig illustriertes? Die beiden Autoren halten mit ihrer Absicht nicht hinter dem ‚Berg‘. Sie positionieren sich sogleich in der Einleitung mit dem ‚deutschen Blick‘, ‚Fachausdrücke‘ ließen sich nicht vermeiden, das Buch sei nach dem ‚länderkundlichen Schema‘ aufgebaut (S. IX). Also geht es nicht um die Wiederbelebung der Regional- oder Länderkunden auf der Basis neuer Erkenntnisse und theoretischer Einsichten. Das Buch soll vielmehr die Sicht der beiden, der Lateinamerika-Forschung seit Langem verbundenen Autoren auf die Anden versammeln.
Das ist in umfangreichem Maße und durch eine Vielzahl von farbigen Abbildungen gelungen.Versehen mit einem Epilog von Bruno Messerli, der die weltweite Einordnung der Anden in die internationale Hochgebirgsforschung auf acht Seiten beisteuert, geht es im Einleitungskapitel um die ‚geographische Identität‘ der Anden und die Abarbeitung ihrer Lagebeziehungen. Abgeschlossen wird die Einleitung durch ein Kapitel zum ‚Andenraum in der deutschen und internationalen Forschung‘. Neben den Verweisen auf die Wurzeln der deutsch-andinen Beziehungen wirkt der folgende Satz in Zeiten einer globalisierten, vernetzten Wissenschaft befremdlich: „Die Darstellung der Andenforschung wäre ohne eine Berücksichtigung der Beiträge lateinamerikanischer Forscher und Institutionen sowie der umfangreichen englischsprachigen Literatur einseitig und unvollständig“ (S. 34). Die Gewichtung der verwendeten Literatur ist eindeutig zugunsten des ‚deutschen Blicks‘. Weiter im Text geht es klassisch zu: 50 Seiten zum über ‚Faktoren, Prozesse und Räume‘ definierten Naturraum; 25 Seiten zu Naturschutz und geschützte Gebiete, bevor die folgenden, sieben raumgreifenden Kapitel auf 280 Seiten Themen der kulturellen Entwicklung, der ethnischen und demographischen Strukturen und Prozesse, der ländlichen und städtischen Siedlungsstrukturen, der Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftsräume, der Anden als Verkehrsraum, der politisch-geographischen und religionsgeographischen Rahmenbedingungen sowie der Entwicklungsprobleme und -perspektiven aufgreifen. Die Kapitelüberschriften symbolisieren die Vorgehensweise und Wahrnehmung nach Bindestrichgeographien, deren Inhalte vornehmlich über eine Vielzahl die gemachten Aussagen unterstützende Photographien illustriert werden, „um ein möglichst lebendiges Bild der Natur- und Kulturlandschaften des Andenraums zu geben“ (S. X). Dazu kommt eine Anzahl von Diagrammen, Karten und Tabellen, die in generalisierter Form komplexe Inhalte zu erläutern versuchen. Entstanden ist ein Buch, das den interessierten Reisenden und ein klassisch geographisches Lesepublikum ansprechen wird. Obwohl der weit überwiegende Teil des Buches humangeographischen Themen gewidmet ist, tauchen die betroffenen Menschen eher als stereotypisierte Kategorien und weniger als Akteure und Handelnde auf. Das ‚geographische Porträt‘ ist folglich ein Porträt der Blickwinkel seiner kenntnisreichen Autoren und der ihnen besonders am Herzen liegenden Literatur- und Themenauswahl. Das ‚Andenbuch’ stellt somit Einstiegslektüre und Nachschlagewerk dar.
Hermann Kreutzmann, Berlin
Quelle: Die Erde, 145. Jahrgang, 2014, Heft 4
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