Richard Bourne: Catastrophe. What went wrong in Zimbabwe? London 2011, 302 S.

Zwischen Ende 2012 und Mitte 2013 sollen in Simbabwe Wahlen stattfinden. Über den richtigen Zeitpunkt und die Konditionen streiten RegierungsvertreterInnen und RegimekritikerInnen schon seit langem. Auch innerhalb der Regierung gibt es heftige Meinungsverschiedenheiten. Schließlich hat die 2008 vom damaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki erzwungene Einheitsregierung keineswegs die erwünschten Erfolge gebracht. Diese Regierungsform ist auch deshalb umstritten, weil der hohe Stimmenanteil für Robert Mugabe und seine Zimbabwe African National Union Pat­riotic Front (ZANU/PF) offensichtlich auf Wahlbetrug zurückzuführen war, ein Problem, das die Wahlen in Simbabwe wiederholt kennzeichnete und immer wieder Zweifel an der Legitimität der Regierungen aufkommen ließ.

Mugabe, seit der politischen Unabhängigkeit 1980 amtierender Präsident, betrachtet die ZANU/PF als alleinige Regierungspartei und behandelt Morgan Tsvangirai von der Movement for Democratic Change (MDC) wie einen Oppositionellen; manche Minister und MDC-Anhänger werden wie Staatsfeinde behandelt und sogar verfolgt. Zudem dauert die Gewalt gegen zivilgesellschaftliche Gruppen an, die Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch durch den von Mugabe und seinen Zuarbeitern weiterhin kontrollierten Geheimdienst, durch regimetreue Schlägertrupps und die Polizei anprangern.

Diese Konstellation nimmt Richard Bourne, ein Journalist, der am Institute of Commonwealth Studies der Universität London forscht, zum Anlass, um in einem zeitlichen Längsschnitt die Probleme aufzuzeigen, die zur Katastrophe in einem Land führten, das in den 1980er Jahren noch als Vorbild auf dem Kontinent galt. Er unterteilt sein anschaulich geschriebenes und gut recherchiertes Buch in acht Kapitel, die zeitliche Zäsuren setzen. Während die ersten drei Kapitel koloniale Hintergründe skizzieren, widmen sich die zwei folgenden den 1980er und 1990er Jahren. Die letzten drei Kapitel analysieren die politische und wirtschaftliche Krise seit 2000. Anders als viele politikwissenschaftliche Studien beginnt Bourne also nicht erst mit dem Ende des bewaffneten Unabhängigkeitskampfes, sondern nimmt seine LeserInnen mit auf eine Reise in die Frühphase der Kolonialzeit, als Goldsucher, Glücksritter und Siedler das Land nördlich des Limpopo mit einer Welle der Gewalt überzogen. Etliche lokale Chiefs schlugen zurück, ihr militärischer Widerstand wird als Erster Chimurenga (Shona-Wort für „Revolutionärer Kampf“) tituliert.

Das Buch legt sowohl die massiven Ungleichheiten, die Strukturprobleme und den Rassismus in der Siedlerkolonie als auch das Ringen um Dominanz und Kontrolle in den militärischen Flügeln der antikolonialen Widerstandsbewegungen offen. Hier kommt Mugabes Machtkalkül und sein raffiniertes Ausschalten von potenziellen Konkurrenten ins Spiel. Seine Selbstinszenierung während des Unabhängigkeitskrieges, des sogenannten Zweiten Chimurenga, werden ebenfalls kontextualisiert. So unterstreicht der Autor seine Kritik an Mugabe, ohne ihn zu dämonisieren oder die Misere in Simbabwe allein auf seine Person zurückzuführen.

Im vierten und fünften Kapitel zeigt Bourne die Widersprüche auf, die die ersten Jahrzehnte der nachkolonialen Entwicklung prägten. Er konzentriert sich vor allem auf die Innen-, Wirtschafts- und Agrarpolitik Simbabwes, die unzureichende Landreform und die Massaker im Matabele-Land. Ferner thematisiert er die ausufernde Korruption durch ZANU/PF-Politiker und die Forderungen der demobilisierten und verarmten Befreiungskämpfer. Solche innenpolitischen Probleme verknüpft er mit regionalen und internationalen politischen Rahmenbedingungen, insbesondere mit dem Ende des Kalten Kriegs und der Apartheid in Südafrika. Punktuell geht er auch auf die Interessen der früheren britischen Kolonialmacht ein, etwa mit Blick auf die Landreform.

Faktenreich beschreibt Bourne den wirtschaftlichen und politischen Niedergang Simbabwes seit 2000: Er illustriert die Farmbesetzungen, den sogenannten Dritten Chimurenga, und die Zerstörungen durch die Operation Murambatsvina (Shona-Wort für „Müllentsorgung“), bei der im Jahr 2005 Hunderttausende ihr Obdach und ihre wirtschaftliche Existenz verloren. Nach offiziellen Angaben richtete sich diese Operation gegen illegalen Häuserbau und Handel und sollte die Verbreitung von Infektionskrankheiten begrenzen. Oppositionspolitiker hingegen halten sie für eine Aktion gegen ihre AnhängerInnen. Darüber hinaus erläutert das Buch die umstrittenen Wahlen 2008 sowie die Strukturprobleme der Einheitsregierung und zeigt den Einfluss Südafrikas auf. Den Schlusspunkt setzt es mit dem Jahr 2010, als der südafrikanische Präsident Jacob Zuma sich für einen neue Verfassung, ein Referendum und Wahlen aussprach.

Abschließend resümiert der Autor die Ursachen, die zur Katastrophe in Simbabwe führten. Danach liegt das wesentliche Problem in den Strukturen der früheren Befreiungsbewegung und jetzigen Regierungspartei begründet: in ihren autoritären Kaderstrukturen und mangelnden Ämterwechseln, die dem Greis Mugabe einen Platz auf Lebenszeit gewähren. Persönlicher Starrsinn und ideologische Verbohrtheit seien in Simbabwe ausgeprägter als in den grundsätzlich ähnlich gelagerten Nachbarländern Mosambik und Namibia. Mugabe selbst habe noch stärker als die Regierungschefs der Nachbarländer die Vorstellung verinnerlicht, der Zwecke heilige die Mittel. Diese Einstellung sei auf den Marxismus und auf die jesuitische Schulbildung zurückzuführen. Seine Paranoia vor Verrätern in den eigenen Reihen, seine Bereitschaft, exzessive Gewalt einzusetzen und seine Ausrichtung auf China setzt Bourne mit diesen ideologischen Grundmustern in Beziehung.

Gleichzeitig übt er deutliche Kritik an der britischen Regierung, die während und nach der Kolonialzeit Gewalt als Mittel der Herrschaftsabsicherung duldete, und am früheren südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki, der trotz seines Anspruchs auf eine afrikanische Renaissance das Nachbarland in Gewalt und in einer massiven Wirtschaftskrise versinken ließ. Auch der internationalen Staatengemeinschaft hält er einen Spiegel vor, denn sie nutze nicht die in internationalen Abkommen, beispielsweise in der Responsibility to Protect, vorgesehene Möglichkeit einer Intervention, um den Gewaltexzessen des Mugabe-Regimes ein Ende zu bereiten.

Mit seiner ausgewogenen Analyse der Außen- und Binnenfaktoren kritisiert der Autor auch die Opposition in Simbabwe, konkret die MDC: Deren Spaltung habe ein Gegengewicht zur ZANU/PF massiv geschwächt. Bourne hat keine Patent­rezepte zur Lösung der Misere parat, doch er unterstreicht, dass neue Perspektiven letztlich von der simbabwischen Bevölkerung selbst entwickelt werden müssen. Die Chancen zur friedlichen Durchsetzung von Änderungen seien allerdings gering.
Rita Schäfer

PERIPHERIE Nr. 128, 32. Jg. 2012, S. 514-516

 

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