Petra Voßebürger u. Andrea Weber: Planerischer Umgang mit Freizeitgroßprojekten. Bausteine zum Konfliktmanagement am Beispiel eines "Center Parcs"-Projektes. Dortmund 1998 (Dortmunder Beiträge zur Raumplanung 86). 185 S.

Die Freizeitindustrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in einem rasanten Tempo zu einem stark expandierenden Industriezweig entwickelt, wobei in Mitteleuropa der Trend aktuell in Richtung auf Freizeit- und Erlebniswelten (mit dem Schwerpunkt im Bereich Kurzurlaub) geht. Auf diese Nachfrage hin konzipierte Anlagen zeichnen sich durch ein hohes Investitionsvolumen, hohe Kapitalintensität, Internationalisierung des Angebots und zumeist kurze Lebenszyklen aus. Auf der Suche nach neuen Standorten konfrontieren entsprechende Freizeitgroßprojekte auch die Planung mit immer neuen Aufgaben, und eine Neuansiedlung ist i. d. R. von massiven öffentlichen Protesten begleitet. Diese Standortkonflikte im Vorfeld der Errichtung der flächenintensiven Freizeitgroßprojekte, die bevorzugt in landschaftlich reizvollen Regionen angesiedelt werden, sind der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit von Voßebürger und Weber.
Die Autorinnen fokussieren dabei auf den Trendsetter für einen Angebotstyp, der in der wissenschaftlichen Diskussion unter der Bezeichnung ‚Ferienzentren der zweiten Generation' geführt wird: die Firma Center Parcs GmbH & Co. KG. Charakteristisch für diese Kategorie ist das Angebot eines aktivitäts- und erlebnisorientierten, durch in zentralen überdachten Komplexen neugeschaffene "Erlebniswelten" witterungsunabhängigen Kurzurlaubs.
Auf der Basis von Literatur- und Fallstudien gehen die Autorinnen der Kernfrage nach: "Wie sollten Planungsprozesse umweltrelevanter Freizeitgroßprojekte gestaltet werden, damit eine für alle Beteiligte tragfähige Entscheidung über Standort und die Projektgestaltung gefunden werden kann?" (11) Ausgehend von einer Diskussion gängiger Planungspraxis - wie sie in den drei behandelten Center-Park-Beispielen angewendet wurde - setzen sich Voßebürger und Weber zum Ziel, ein Mitwirkungsmodell zu entwickeln, "das sowohl der sachlich-inhaltlichen Dimension des Planungsgegenstandes als auch dem demokratischen Anspruch an Planung gerecht wird" (ebd.). Die Arbeit richtet sich dabei in erster Linie an Planer aus Wissenschaft und Praxis.
Anhand eines zusammenfassenden Überblicks über die jüngeren Entwicklungen im Freizeitsektor werden zunächst die sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen entsprechender Projekte kurz umrissen, um den planerischen Handlungsbedarf zu bestimmen. Als Informationsquelle dient hier die - wie auch die Autorinnen bemerken - nur lückenhaft vorhandene Sekundärliteratur, die zudem zu widersprüchlichen Aussagen kommt. Insgesamt wird jedoch von eher positiven Wirkungen in ökonomischer Hinsicht und negativen ökologischen Effekten (Wasserhaushalt, Flächen- und Energieverbrauch, Verkehrsbelastungen u. a.) ausgegangen. Gerechnet werden muss mit heftigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit der jeweiligen Standortgemeinde, die als eben dieser Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie formuliert werden. Anschließend vertiefen die Autorinnen diese Annahmen durch eine Darstellung und vergleichende Analyse dreier konfliktreicher konventioneller Center-Parcs-Planungsprozesse in Bispingen, Dahlem und Köselitz: Je Beispiel werden der Verfahrensablauf, also der Einsatz gängiger Planungsinstrumente wie z. B. Raumordnungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Flächennutzungsplanung, die standörtlichen Gegebenheiten und aufgetretene öffentliche Konflikte herausgearbeitet.
Analogien ergaben sich hier sowohl in Bezug auf den zentralen Streitgegenstand - die Standortwahl und die damit verbundenen Eingriffe in Natur und Umwelt - als auch hinsichtlich der Akteure: Protestträger waren in allen drei Fällen Umweltschützer. Gemeinsames Moment ist ebenso die lange Planungsdauer und -intensität. Den streng formalisierten konventionellen Planungsverläufen fehlt es an Kommunikationsprozessen, und die hohe Sach- und Ablaufkomplexität überfordert die beteiligten Akteure. Zwei der drei gewählten Beispiele wurden denn auch letztendlich durch gerichtliche Entscheidungen entschieden.
Eine vertiefende Fallstudie, der Planungsverlauf im Vorfeld der Errichtung des Center Parcs Köselitz in Sachsen-Anhalt, basiert auf ca. 13 Expertenleitfadengesprächen und bestätigt im wesentlichen die durch die Theoriediskussion gewonnenen Annahmen in bezug auf Ursachen und Konfliktverlauf. Gleichzeitig liefert die Untersuchung jedoch auch einige interessante Spezifizierungen: "Weder Gegner noch Befürworter negieren die Argumente der jeweiligen Gegenseite, sondern gewichten sie in der Abwägung unterschiedlich. Zentraler Streitgegenstand in den Auseinandersetzungen war die unterlassene Prüfung von Standortalternativen beim Raumordnungsverfahren und die damit verbundene Festlegung auf den vom Investor vorgegebenen Standort." (14)
Eine Konfliktentschärfung erhoffen sich die Autorinnen durch eine Integration alternativer Planungsansätze in die Planungsabläufe, deren Tendenzen im Mittelteil der Arbeit auf theoretischer Ebene diskutiert werden: Einschlägige Studien betonen mehr und mehr kooperative, partizipatorische und dialogische Elemente, die Integration ökologischer Zielvorstellungen sowie einzelfall- und projektbezogene Vorgehensweisen. Der Planer gilt dabei nicht mehr als Träger, sondern vor allem als Moderator von Entscheidungsprozessen, die von vielen Akteuren mitgestaltet werden. Aus der Diskussion der Fallbeispiele entwickeln die Autorinnen hypothetisch die normativen Grundsetzungen und Begründungen ihres "Mitwirkungsmodells". Die schließlich entwickelten Leitlinien für den zukünftigen Umgang mit Freizeitgroßprojekten basieren daneben im wesentlichen auf subjektiven Äußerungen der interviewten Experten auf die Frage: "Wie müsste man vorgehen, um zu einer für alle Beteiligten tragfähigen Entscheidung über Standort und Projektgestaltung zu kommen?" und werden ergänzt um die Hinweise aus der theoretischen Diskussion.
Das eigentliche "Mitwirkungsmodell für Planungsverfahren umweltrelevanter Freizeitgroßprojekte" besteht aus drei Bausteinen, die "situations- und projektspezifisch flexibel modifiziert werden können" (127): zum einen die Einrichtung einer ‚Regionalen Tourismuskonferenz' mit dem Ziel der Erarbeitung eines regionalen Ziel- und Handlungskonzeptes für den Freizeitbereich, zum anderen die Initiierung einer ‚Planungsbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit'. Den Kern der konzeptionellen Überlegungen stellt allerdings das Kapitel zur Umsetzung eines Instrumentes ‚Runder Tisch Standortwahl' dar. Detailliert werden hier Anregungen für die Strukturierung und Nutzung eines solchen Gremiums aufgezeigt. Eine Bewertung der vorgeschlagenen Verfahren wird in der vorliegenden Arbeit nur hypothetisch - im Rahmen eines dokumentierten Expertenworkshops - vollzogen. Denn eine tatsächliche Evaluation könnte nur auf der Basis eines Vergleichs unterschiedlicher Verfahren, eines Modellversuches o. ä. stattfinden, da entsprechend kooperativ und dialogisch orientierte Instrumente noch nicht in der Freizeitplanungspraxis angewendet wurden.
So ist der Hauptverdienst der Autorinnen in einem weiteren Versuch zu sehen, der Planergemeinde Anregungen an die Hand zu geben, neuere in der theoretischen Diskussion entwickelte Ansätze in die Praxis einfließen zu lassen. Ihr Ausblick ist denn auch konsequent: "Das Mitwirkungsmodell ... stellt unsere Vision umweltverträglicher Planung und kooperativer Planungsprozesse dar ... Mit der vorliegenden Arbeit (soll) angeregt werden, das Konzept zu erproben, es zu modifizieren oder weiterzuentwickeln." (157)
Autorin: Petra Dassau

Quelle: Quelle: geographische revue, 2. Jahrgang, 2000, Heft 1, S. 83-85