Gerhard Bahrenberg, Nils Mevenkamp, Rolf Monheim: Nutzung und Bewertung von Stadtzentren und Nebenzentren in Bremen. Bayreuth 1998 (Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Raumplanung, Heft 180). 219 S.

Dieses Heft wird das Interesse von (Innen-) Stadtplanern, Verkehrsplanern, Citymanagern, Marktforschern, Standortplanern und -entscheidern erwecken. Denen, die in den Bereichen geographischer Handelsforschung, Citymanagement und Citymarketing arbeiten, vermittelt diese quantitative Untersuchung aus dem Jahr 1996 methodisch interessante Aspekte zur Durchführung von Innenstadt-Besucheranalysen und eine Fülle von Informationen, wie sie in Stärken-Schwächen-Analysen für die Entwicklung von City-Leitbildern benötigt werden.
Für die Innenstadt von Bremen sowie für die Nebenzentren Ostertor/Steintor, Vegesack und Weserpark wird ein detailliertes Profil des Nutzers gezeichnet - von den sozialstatistischen Merkmalen über Mobili-tätsverhalten, Besuchszwecke, Aufenthaltsdauer und räumliche Aktivitätsmuster in der Innenstadt bis zu Bewertungen des Einzelhandelsangebotes und der Innenstadtgestaltung. Da diese Studie Teil eines vergleichenden Forschungsprojektes der Abteilung Angewandte Stadtgeographie der Universität Bayreuth (R. Monheim) ist, in welchem parallel die Innenstadtnutzer in Bremen, München, Regensburg und Nürnberg mit dem gleichen Fragebogen untersucht wurden, ergeben sich planungspolitisch nützliche Vergleichsdaten. So ist in Bremen z. B. der regionale Einzugsbereich kleiner, die Passantenfrequenz in der 1a-Geschäftslage niedriger, die Aktivitätsvielfalt und Aufenthaltsdauer geringer, die Bewertung der innenstädtischen Fußwege, des Fußgängerbereiches oder des Einzelhandelsangebotes ungünstiger als in den übrigen Städten. Zugleich werden aber auch die allgemeinen, bekannten Trends in der Innenstadtnutzung sichtbar und belegt: die große Bedeutung von Freizeittätigkeiten als Besuchszweck und Einkaufen als Freizeitbeschäftigung und Lebensstilverwirklichung, die entsprechend wachsende Rolle von Aufenthaltsqualität (z.B. mehr Bäume, weniger Hektik und Gedränge) und "Flair" der Innenstadt, die deutliche Erwartung an die Angebotsvielfalt (in spezifischen Warensegmenten) und besonders an die Servicequalität im Einzelhandel, welche die übliche Klage der Unternehmen über die verschlechterte Pkw-Erreichbarkeit der Innenstädte deutlich relativiert. Im letztgenannten Punkt kommen auch Bahrenberg und Nevenkamp in einer ausführlichen Analyse des Mobilitätsverhaltens dazu, dass der vergleichsweise kleine Einzugsbereich der Bremer Innenstadt (90 % der Besucher kommen aus einer Distanz von max. 52 km werktags bzw. 101 km samstags) weniger auf die mangelhafte Pkw-Zugänglichkeit zurückzuführen sei als auf die Konkurrenz der Nebenzentren Vegesack und Weserpark und die geringe oberzentrale Attraktivität der Innenstadt.
Den differenzierten statistischen Aussagen dieser Studie liegt ein hoher methodischer Datenerhebungsaufwand zu Grunde. Für eine nach Geschäftslagen, Wochentagen und Tageszeiten geschichteten Stichprobe wurden rd. 2500 mündliche Interviews durchgeführt, ergänzt um 164 schriftliche Befragungen. Das bei Passantenbefragungen bekannte Problem, eine möglichst verzerrungsfreie, repräsentative Stichprobe zu ziehen, wurde dadurch zu lösen versucht, dass zur gleichen Zeit an den Befragungsstandorten das ‚qualitative' Passantenaufkommen (nach Geschlecht und Gruppengröße) gezählt wurde, um an dieser räumlichen und zeitlichen Verteilung der Besucher als Zielverteilung die mündlichen Interviews zu gewichten. Der zweite methodisch interessante Punkt ist der Vergleich der Ergebnisse mit denen der ebenfalls zum gleichen Zeitpunkt durchgeführten BAG-Kundenbefragungen. Die von der BAG seit 1976 in regelmäßigem Turnus vor allem an Waren- und Kaufhäusern ermittelten Daten wurden mangels anderer Daten vielfach als Beschreibung der gesamten Cityentwicklung genommen. Inwieweit die BAG-Daten aber als "neutrales" Innenstadt-Monitoring verwendet werden können, lässt sich nun mit Hilfe des Forschungsberichts in den einzelnen Punkten näher überprüfen.
Insgesamt handelt es sich bei dem vorgestellten Heft um eine kommentierte Tabellensammlung. Sie enthält aber über die Datenflut hinaus interessante methodische Aspekte und zahlreiche Einschätzungen und planungspolitisch relevante Anregungen zu Innenstadtentwicklungen, die über Bremen hinausweisen.
Autor: Hans-Dieter von Frieling

Quelle: geographische revue, 2. Jahrgang, 2000, Heft 2, S. 85-86