Hermann Kreutzmann: Ethnizität im Entwicklungsprozeß: die Wakhi in Hochasien. Berlin 1996. 488 S.

Am Beispiel der Wakhi behandelt HERMANN KREUTZMANN Probleme von Minoritäten in einer peripheren Hochgebirgsregion. In den Grenzgebieten zwischen Pakistan,Afghanistan, Tadschikistan und China leben etwa 37000 Wakhi. Die Siedlungszone dieser ethno-linguistischen Gruppe setzt sich aus abgelegenen und zum Teil unverbundenen Enklaven an der Obergrenze der Ökumene zwischen Pamir, Hindukusch und Karakorum zusammen. Im Zuge weltpolitischer Veränderungen vom kolonialzeitlichen Great Game über den Zusammenbruch der Sowjetunion bis hin zu den aktuellen Konflikten in Afghanistan und Tadschikistan bleibt die Rolle der Ethnizität in diesem strategisch begehrten Raum eine brisante Frage.
Nach Ausführungen zu ethno-linguistischen Aspekten, regionalen agrarökologischen Grundlagen, Wirtschaftsformen, Existenzsicherungsstrategien und Migration der Wakhi stehen die "Verwirklichungschancen und Integrationsformen von Wakhi in den jeweiligen Nationalstaaten" (Kapitel 5) im Vordergrund. Die vorgestellten Fallstudien aus den oben genannten Staaten bieten geeignete Möglichkeiten für eine vergleichende Betrachtung von Handlungsstrategien und Entwicklungsprozessen unter verschiedenartigen Rahmenbedingungen. Entsprechend der empirischen Basis nimmt die Behandlung der Wakhi-Enklaven in Nordpakistan den breitesten Raum ein. Bei den dort siedelnden Wakhi lassen sich unterschiedliche Entwicklungen aufzeigen, die einerseits durch Verarmung in Verbindung mit Opiumkonsum (in den Talschaften Ishkoman und Chitral) gekennzeichnet sind und andererseits ökonomische Erfolge sowie eine Verbesserung der sozialen Stellung im Kontext der ismailitischen Gemeindeorganisation (in Hunza) erkennen lassen.
Basierend auf einer profunden Kenntnis des Gebirgsraumes sowie vielfältiger Kontakte gelingt dem Autor eine überzeugende Darstellung zur Rolle der Ethnizität im Entwicklungsprozeß Hochasiens. Aufwendige Feldforschungen, darunter Befragungen und Kartierungen in für Ausländer gesperrten Gebieten Nordpakistans (Yarkhun, Baroghil-Paß) sowie im chinesischen Xinjiang bilden die empirische Basis der Studie. Ein breit angelegtes Quellenstudium ermöglicht die Analyse in historischer Tiefe. Das Ergebnis besteht in einer sorgfältig recherchierten sowie reichhaltig und anschaulich illustrierten Studie. Dabei ist insbesondere auf die große Anzahl an Karten hinzuweisen. Ein umfangreicher Anhang mit Dokumentationen (u. a. zur Chronologie der Fluchtbewegungen), einem Glossar indigener Begriffe und einem Index runden den positiven Gesamteindruck ab. Trotz ihres Umfangs bleibt die Studie angenehm lesbar. Für die weitere kulturgeographische Forschung über Minderheitenfragen und Rückzugsgebiete in Hochgebirgen ist diese Arbeit unbedingt heranzuziehen.    
Autor: Marcus Nüsser

Quelle: Erdkunde, 54. Jahrgang, 2000, Heft 2, S. 183-184