ZOLTÁN KOVÁCS und REINHARD WIESSNER (Hg.): Prozesse und Perspektiven der Stadtentwicklung in Ostmitteleuropa. 243 S. Passau 1997 (Münchener Geographische Hefte 76). 243 S.
Die Diskussion um einen eigenständigen Entwicklungstyp der ostmitteleuropäischen Stadt hat nach der Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit 1989/90 wieder einen Aufschwung erlebt. Die grundsätzliche Frage, ob die Wege der Stadtentwicklung in West- und Ost(mittel)europa unterschiedlich sind, wird in der Regel bejaht. Ob sich die Unterschiede allerdings in erster Linie als eine Folge der sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik ergeben haben oder aber Persistenzen unterschiedlicher historischer Strukturen hierfür verantwortlich sind, ist nur teilweise geklärt. Einen Zugang zur Beantwortung dieser Frage bilden Arbeiten, die sich mit den aktuellen Entwicklungen in den Städten Ostmitteleuropas beschäftigen und diese vergleichend sowie unter Berücksichtigung der Entwicklungen in westeuropäischen Städten auswerten.Vor diesem Hintergrund dokumentiert der vorliegende Sammelband Forschungsergebnisse zu aktuellen Prozessen der Stadtentwicklung, die im Rahmen des Internationalen Symposiums "Problems and Perspectives of Urban Development in East Central Europe - Probleme und Perspektiven der Stadtentwicklung in Ostmitteleuropa" im Oktober 1996 in Budapest vorgestellt wurden. Wie der Titel des Symposiums nahelegt, enthält der Band sowohl Beiträge in deutscher als auch in englischer Sprache. Bei den Autoren und Autorinnen handelt es sich um Geographen und Soziologen aus Deutschland und um Kollegen und Kolleginnen aus Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn.
Den Ausgangspunkt des Sammelbandes bilden vier allgemeine Beiträge zum Übergang von der sozialistischen zur kapitalistischen Stadt (HARTMUT HÄUSSERMANN), zur Transformation der Wohnungsmärkte (ULRIKE SAILER-FLIEGE), zur Veränderung des Städtesystems (HEINZ FASSMANN) und zu den Herausforderungen der Stadtplanung in Ostmitteleuropa (RAYMOND REHNICER). Mit dem Thema "Sozialer Wandel" beschäftigen sich Studien über die polnischen Städte (GRZEGORZ WE¸C?LAWOWCZ), über Budapest (JANÓS LADÁNYI) und über die ostdeutschen Städte (JENS DANGSCHAT). Unter der Überschrift "Wirtschaftlicher Wandel und Stadtentwicklung" werden aktuelle Tendenzen der industriellen Entwicklung in Warschau (STANISNAW MISZTAL) und Bratislava (PAVOL KOREC) sowie Probleme des Einzelhandels und der Innenstadtentwicklung in Wroclaw (ROBERT PÜTZ) und Bratislava (JAN BUC?EK/DANIEL PITON?ÁK) diskutiert. Den Schwerpunkt des Sammelbandes bilden Beiträge zur "Transformation des Wohnungsmarktes"; hier liegen Studien zu Leipzig (HELGA SCHMIDT), Budapest (REINHARD WIESSNER, KATALIN BERÉNYI), Bratislava (JOZEF MLÁDEK), Prag (KAREL MAIER) sowie eine vergleichende Untersuchung über Budapest, Prag und Warschau (ZOLTÁN KOVÁCS) vor. Der letzte Teil des Sammelbandes enthält Beiträge zu den "Prozessen an der Peripherie der Stadt", die sich mit der Suburbanisierung in Budapest (ISTVÁN BERÉNYI) und in Ostdeutschland (GÜNTER HERFERT) beschäftigen.
Die Auflistung der Themenschwerpunkte und Untersuchungsräume macht deutlich, daß der Sammelband viele verschiedene Aspekte der Stadtentwicklung in Ostmitteleuropa (inklusive Ostdeutschland) beleuchtet. Eine vergleichende Perspektive nehmen jedoch lediglich die allgemeinen, aber in sich abgeschlossenen Beiträge im ersten Teil sowie die Studie von ZOLTÁN KOVÁCS ein. Bei den anderen Beiträgen handelt es sich zwar um mehrheitlich interessante, aber nicht aufeinander bezogene Einzelstudien (die teilweise in ähnlicher Form anderswo veröffentlicht sind). Dies ist ein typisches Problem von Sammelbänden, insbesondere wenn sie eine Zusammenstellung von Konferenzbeiträgen darstellen, die durch eine große Bandbreite von Themen und unterschiedliche Herangehensweisen gekennzeichnet sind. Allerdings bietet sich auch dann die Chance - und gleichzeitig die Herausforderung -, in einem abschließenden und zusammenfassenden Beitrag Hinweise auf allgemeinere Trends und möglicherweise sogar Antworten auf die oben formulierte Fragestellung zu geben; hierbei könnten beispielsweise die Ergebnisse der Diskussionen während des Symposiums berücksichtigt werden. Diese Chance wurde im vorliegenden Fall leider nicht wahrgenommen.
Autorin: Britta Klagge