Georgij Lappo und Fritz W. Hönsch: Urbanisierung Rußlands. Berlin/Stuttgart 2000 (Urbanization of the Earth/Urbanisierung der Erde, Band 9). 215 S.

Der russische Stadt- und Bevölkerungsgeograph G. M. LAPPO hat auf der Basis jahrelanger Studien einen Band konzipiert, der von F. W. HÖNSCH übersetzt, illustriert und mit weiterführenden Hinweisen versehen wurde, so daß zu Recht von Ko-Autorenschaft gesprochen wird. Einem zusammenfassenden Überblick folgt ein historischer Abriß des russischen Städtewesens und eine Betrachtung des "Grundgerüsts" der Siedlungsstruktur, worunter die Verknüpfung von Fernverkehrswegen mit städtischen Siedlungen hoher Zentralität zu verstehen ist. Großes Gewicht wird auf demographische Faktoren gelegt, doch auch der ökologische Zustand wird kritisch beleuchtet. Eine weitgehend deskriptive Typologie, die nach historischer Bindung und Neugründung sowie nach "groß" und "klein" differenziert, mag etwas simpel erscheinen, wird aber durch einen etwas zufällig zusammengestellten regionalen Überblick sowie zwei Städtevergleiche (Moskau und St. Petersburg; Archangel'sk und Murmansk) ergänzt, ehe ein Blick auf einige Grundzüge der Siedlungspolitik geworfen wird. - Traditionelle Betrachtungsweisen der russischen Stadtgeographie dominieren das Buch. Zwar werden Transformationsprozesse der Gegenwart nicht übergangen, aber die prozeß- und problemorientierte Analyse auf der Mikroebene tritt gegenüber Überblick und Typisierung zurück. So knüpft dieser Band eher an die klassische Studie von HARRIS (1970) als an die planungsorientierte Interpretation von BATER (1980) an, um nur zwei Beispiele älterer stadtgeographischer Überblicksdarstellungen - damals zur Sowjetunion - zu nennen. Insofern ist auch der Titel des Bandes etwas irreführend, wenn man unter Urbanisierung auch die aktuellen Veränderungen und nicht nur die historische Herausbildung eines Städtebesatzes (der Begriff "Städtenetz" ist in der deutschen Raumordnung bereits anders belegt, und eine Analyse des Städtesystems findet nicht statt) im heutigen Rußland verstehen will. Sehr verdienstvoll ist jedoch, daß in dieser historisch-geographischen Aufarbeitung viele Beispiele genannt werden, die sonst weniger bekannt sind, und daß die Autoren nicht Moskau und St. Petersburg immer wieder als Prototypen russischer Städte aus verschiedenen Zeiten und Ideologien herausgreifen. So wird der Band sicher dazu beitragen, die Stadtforschung über russische Städte zu beleben.
Autor: Jörg Stadelbauer

Quelle: Erdkunde, 55. Jahrgang, 2001, Heft 3, S. 300