Georg Mayer: Interner Kolonialismus und Ethnozid in der Sierra Tarahumara (Chihuahua, Mexiko). Bedingungen und Folgen der wirtschaftsräumlichen Inkorporation und Modernisierung eines indigenen Siedlungsraumes. Tübingen 1999 (Tübinger Geographische Studien, Heft 122 / Tübinger Beiträge zur Geographischen Lateinamerika-Forschung, Heft 17). 329 S.
Das Ziel dieser umfangreichen, ausgesprochen gut und tiefgründig recherchierten wie fundierten, breit angelegten und zudem sehr detaillierten Dissertaion ist es, "die Ursachen und den Prozeß des gegenwärtigen Ethnozids der indigenen Bevölkerung in der Sierra Tarahumara im Südwesten des nordmexikanischen Bundesstaates Chihuahua zu erklären".
Dabei holt der Verfasser weit aus, und es fragt sich, ob derart umfangreiche, allerdings gut kompilierte und interpretierte Kapitel über die amerikanischen Ureinwohner, ihre demographische, sozioökonomische und politische Situation sowie über die Legitimation der Integrationspolitik und über "indigena und indigenismo" notwendig sind. Allerdings stellen sie ein gutes theoretisches Fundament dar und belegen klar die Position des Autors zum "System des internen Kolonialismus".
Für mich stellen die Kap. V-XI den eigentlichen, stark historisch-genetisch orientierten Kern der Untersuchung dar, wobei die Ausführungen über die traditionelle indigene Ökonomie, über Drogenwirtschaft und Antidrogenkrieg sowie über den Tourismus m. E. als besonders gelungen zu bezeichnen sind. Letzterer wird als die "höchste Stufe des internen Kolonialismus" angesehen, der insgesamt für die Transformation der indigenen Produktion verantwortlich gemacht wird und damit für die "kulturelle und materielle Misere des größten Teils der Ureinwohner".
Das explizit indigenistisch ausgerichtete Werk kann als eine moderne, umfassende Landeskunde der Sierra de Tarahumara bezeichnet werden, die die bis jetzt vorhandene, eingangs kritisch interpretierte Literatur über diesen Bereich mehr als ersetzt. Daran ändern auch die manchmal nicht besonders gelungenen Karten nichts (z. B. Abb. 12, 17, 36, 38).
Autor: Günter Mertins