Wolfgang Taubmann (Hg.): Agrarwirtschaftliche und ländliche Räume. Handbuch des Geographieunterrichts, Band 5. Köln 1999. 414 S.
Agrarwirtschaftliche und ländliche Räume sind Gegenstand eines neuen Bandes in der Reihe "Handbuch des Geographieunterrichts". Dabei folgt der Band der Grundidee, daß das gesellschaftliche und politische Gewicht der Landwirtschaft weit höher ist, als dies die bloßen Beschäftigungs- und Bruttowertschöpfungszahlen aufzeigen. Die Bedeutung der Landwirtschaft liegt demzufolge nicht nur in ihrer Versorgungsfunktion, sondern auch in ihrer "prägenden Kraft" für die Gestaltung der europäischen Kulturlandschaft, mit der sich zunehmend landschaftspflegerische und ökologische Aufgaben verbinden.
Konsequenterweise folgt das Buch in seiner Konzeption einer gleichwertigen Berücksichtigung von agrarökonomischen, ökologischen und regionalwirtschaftlichen Themenbereichen. Die Ausführungen selbst sind gegliedert in einen einführenden, einen allgemeingeographischen, einen regionalgeographischen sowie in einen unterrichtspraktischen Teil.
Zu den besonderen Stärken des allgemeingeographischen Teiles gehört zum einen die Einführung von Holger Damm in die betriebswirtschaftliche Analyse des landwirtschaftlichen Betriebes. Damm erläutert klar und ohne die räumliche Relevanz der angesprochenen Einflußfaktoren aus den Augen zu verlieren Organisation und Wirtschaftsweise im landwirtschaftlichen Betrieb. Ebenso instruktiv ist sein Überblick über den Agrarmarkt und die Verflechtungen zwischen Landwirtschaft und Volkswirtschaft, die bislang in agrargeographischen Grundlagenwerken eher zu kurz gekommen sind.
Ein weiterer Pluspunkt des fachwissenschaftlichen Teils stellen die Ausführungen von Astrid Pennekamp-Berg und Wolfgang Riedel zu den natürlichen Grundlagen der Landwirtschaft bzw. zu Landwirtschaft und Umwelt dar, die deutlich über den Standardkanon der Agrargeographie hinausgehen und damit eine wesentliche Bereicherung für die Benutzer und Benutzerinnen dieses Buches darstellen. Eine zusätzliche Qualität erhalten diese Teile der fachwissenschaftlichen Einführung durch die große Zahl an sehr anschaulichen Abbildungen.
Dem Konzept des Buches mit den drei Säulen einer ökonomischen, ökologischen und regionalwirtschaftlichen Betrachtungsweise kommt der regionalgeographische Teil nur noch in eingeschränkter Form nach. Dezidiert ökologisch ausgerichtete bzw. auf die Gesamtentwicklung der ländlichen Räume bezogene Teile treten deutlich hinter der Beschreibung agrarstruktureller Entwicklungen zurück.
Insbesondere aus der Sicht der deutschsprachigen Adressaten des Handbuches dürfte das Fehlen von Beispielen zur gesamtwirtschaftlichen und -gesellschaftlichen Entwicklung der ländlichen Räume in Deutschland bzw. in seinen Nachbarländern bedauerlich sein. Gerade die Abschnitte zu den Entwicklungen und Strukturen in Europa bleiben weitestgehend landwirtschaftlich orientierten Fragestellungen verhaftet. Demgegenüber liefern die Beiträge zu Agrarstrukturen und ländlichen Räumen in weltweiter Sicht eine wesentlich breitere Perspektive. Dies gilt vor allem für die Beiträge zu "Agrarstrukturen in Schwarzafrika" (Wenzel), "Agrarreformen in Mexiko" (Sander) sowie "Reis- bzw. stadtnaher Gemüseanbau in Asien" (Taubmann).
Hervorzuheben ist in diesem regionalgeographischen Teil auch der Beitrag von Taubmann zur Bevölkerungsentwicklung und Tragfähigkeit der Erde, der u.a. interessante Prognosen zum wachsenden Nahrungsmittelbedarf vorstellt. Wenngleich dieser Abschnitt sehr knapp gehalten ist, müßte es den Lehrenden mit diesen Informationen in besonderer Weise gelingen, eine vertiefte Auseinandersetzung mit Fragen zur räumlich-agrarwirtschaftlichen und ländlichen Entwicklung in unterschiedlichen Teilen der Erde zu initiieren.
Der unterrichtspraktische Teil des Buches bleibt - begründet durch entsprechende Vorgaben der Lehrpläne - eng an landwirtschaftsbezogene Fragestellungen gebunden und bietet ausführliche Unterrichtsvorschläge. Dazu gehören auch Verweise zur Beschaffung von Materialien für den Unterricht. Etwas verwunderlich ist die Tatsache, daß Hinweise auf Informationsquellen im Internet völlig fehlen. Daraus hätten sich vielleicht auch Ansatzpunkte ergeben, um für die Vorgaben der Lehrpläne neue Inhalte aufzutun. Statt dessen greifen die Unterrichtsbeispiele auf altbekannte und für Jugendliche vielleicht auch nicht immer sonderlich attraktive Untersuchungsgegenstände der Agrargeographie zurück. Im übrigen bleibt die Bezugnahme auf den regionalgeographischen Teil gering, so daß hier kaum komplementäre Wirkungen entstehen.
Es wäre jedoch falsch, darin ein entscheidendes Manko des Bandes zu sehen. Vielmehr ist dem Herausgeber und den Autoren des Buches eine interessante Aufbereitung des Themas "Agrarwirtschaftliche und ländliche Räume" gelungen. Die facettenreiche Aufbereitung agrargeographischer Themenstellungen, die der neue Band 5 des Handbuchs des Geographieunterrichts bietet, läßt ihn über den bloßen Verwendungszweck einer Handreichung für den Schulunterricht weit hinausreichen.
Autorin: Barbara Lenz