Martin Niedermeyer (Hg.): Kleinstadtentwicklung. Würzburg 2000 (Würzburger Geographische Arbeiten, Heft 93). 375 S.

Wenn die umfangreiche stadtgeographische Literatur um einen Titel zur Kleinstadtentwicklung ergänzt wird, dann erfreut dies sicherlich nur eine interessierte Minderheit. Denn die spezifische Literatur zu den Städten der unteren und mittleren Größenordnung ist im Gegensatz zu den Veröffentlichungen über die schillernden Metropolen eher überschaubar. Dabei wird die Bedeutung der kleineren Städte im Rahmen eines stabilen Siedlungssystems allgemein unterschätzt, gerade in den neuen Bundesländern. Doch schon die Lektüre des Inhaltsverzeichnisses des Readers macht stutzig: Zunächst handelt es sich um drei sehr ungleich gewichtete Aufsätze von U. ANTE, K. SCHLIEPHAKE und M. NIEDERMEYER, die 375 Seiten füllen, wobei die Ausführungen von NIEDERMEYER mit fast 330 Seiten einer Monographie gleich kommen und sich schließlich als Dissertationsschrift entpuppen.
ANTE s Einstiegsthematik "Über ,Staatsgrenze oder Staatsgrenzen': Versuch einer Spurensuche" will so gar nicht zum Titel passen. Denn es handelt sich um eine anregende und lesenswerte Reflexion über die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit nationalstaatlicher Grenzen zu Fragen der Wirtschaft, der Umwelt und der Raumplanung. Doch wahrscheinlich bleibt sie von den Interessierten der Politischen Geographie in diesem Band möglicherweise unentdeckt.
SCHLIEPHAKE beschränkt sich in seinen Ausführungen über das nicht gerade kleinstädtische "Suhl - Gewerbliche Konjunkturen in einer thüringischen Mittelgebirgsstadt" auf die Dokumentation historischer und wirtschaftlicher Fakten und zeigt abschließend Bausteine einer Entwicklungsperspektive auf. Wünschenswert wäre anschließend eine konsequente Generalisierung der Befunde gewesen, da die Ergebnisse sonst nur für eine kleine Gruppe mit lokalem Interesse ein Gewinn ist.
NIEDERMEYER hebt sich mit seinem Beitrag "Regulationsweisen der Kleinstadtentwicklung. Eine Analyse peripherer Kleinstädte im Grenzraum von Südthüringen und Nord-Unterfranken" deutlich ab. Es geht um mehr als um eine isolierte Fallstudie. Die Abschnitte zu Theorie und Methode liefern nicht nur eine Standortbestimmung und Begründung für den eigenen empirischen Zugriff, sie bieten zudem eine sehr grundsätzliche Diskussion zu Themen wie etwa der Leistungsfähigkeit regulationstheoretischer Ansätze auf der regionalen und lokalen Maßstabsebene oder den Grundproblemen
des Methodenverbundes. Die anschließende Darstellung der Untersuchungsergebnisse ist somit fundiert begründet. Konsequent wird die Untersuchung abgeschlossen, indem nach der lokalen Betrachtung die raumordnerische und landesplanerische Steuerungsmöglichkeit analysiert wird, um zu einer adäquaten Abschätzung der Chancen- und Risikopotenziale für die Zukunft der Kleinstädte in peripheren Regionen zu kommen. Wenn die Ergebnisse auch ernüchternd sind, so liefern NIEDERMEYERs handlungsbezogene Schlussfolgerungen den lokalen und regionalen Akteuren wichtige Hinweise für ihr politisch legitimiertes Tun und der (klein-) stadtgeographischen Literatur den Abschluss eines konsistenten Beitrages in der Regionalforschung.    
Autor: Manfred Nutz

Quelle: Erdkunde, 56. Jahrgang, 2002, Heft 3, S. 327-328