Arne Bongenaar: Corporate governance and public private partnership; the case of Japan. Utrecht 2001 (Nederlandse Geografische Studies 282). 178 S.
Public Private Partnership (PPP) hat sich in Zeiten zunehmender Deregulierung zu einer weltweit populären Strategie entwickelt, öffentliche und privatwirtschaftliche Interessen durch Gründung von Mischunternehmen unter einen Hut zu bringen. Neben dem gemeinsamen Nutzen bergen derartige Kooperationen jedoch auch erhebliche Probleme in sich. Das interdisziplinär interessante Thema reizt über Wirtschaftswissenschaft und Jura hinaus die Sozialwissenschaften im weiten Sinne, darunter auch die Stadtplanung, Raumordnung und Wirtschaftsgeographie. Geht es doch bei Aktivitäten solcher Unternehmen, die weder dem öffentlich-rechtlichen noch dem privatwirtschaftlichen Sektor zuzuordnen sind - "Drittsektor-Unternehmen" (japanisch daisan sekutâ) -, vor allem um die Realisierung von Großprojekten, also um raumrelevante Prozesse auf oft unterschiedlichen Maßstabsebenen (Stadt-, Regional- und Landesentwicklung).
Drei Gründe sind es, die den niederländischen Geographen ARNE BONGENAAR dazu bewogen haben, sich in seiner Dissertation das Beispiel Japan vorzunehmen: 1. die dortigen PPP-Besonderheiten und -Begeisterungen seit den 80er Jahren - mit einigen katastrophalen Resultaten, 2. die im Vergleich zu westlichen Staaten wenig(er) klare Differenzierung zwischen dem "Öffentlichen" und "Privaten", 3. die Überlappung des "japanischen" Modells mit dem "rheinländischen" Modell - beiden gemeinsam ist ein relativ starker öffentlicher Sektor, auf dessen Initiative PPP generiert wird - und der vermeintliche Bedeutungsrückgang beider Modelle zugunsten des "anglo-amerikanischen" Modells, bei dem PPP-Aktivitäten vor allem von privatwirtschaftlicher Seite ausgehen.
Die Arbeit ist klar gegliedert und gut durchstrukturiert. Einer Einführung in das Thema unter Einschluss von Forschungsfragen und Hypothesen folgt in Kap. 2 die Bekanntmachung mit den drei o.g. Modellen im Rahmen von "corporate governance". In Kap. 3 geht es um die Interessenskonstellationen von "Public Private Partnership" generell, in Kap. 4 um die diesbezüglichen japanischen Besonderheiten speziell - im Kontext von Großprojekten und im Rahmen der fünf Integrierten Landesentwicklungspläne. Bis dahin erfährt der kundige Leser nichts wesentlich Neues, handelt es sich doch vor allem um die Aufarbeitung von Literatur.
Kap. 5 beinhaltet den empirischen Teil der Arbeit: sieben Fallstudien, ausgewählt nach folgenden Kriterien: Größe und Bedeutung für die Stadt- und Regionalentwicklung, Höhe
der Investitionen, starkes öffentliches Profil, lange Laufzeiten, internationaler Bezug. Vorgestellt werden fast ausschließlich Projekte im Ballungsraum Tôkyô (warum nicht auch in der japanischen Provinz?): 1. Tôkyô Waterfront Development Inc., 2. Tôkyô Telecom Center Inc., 3. Tôkyô Fashion Town Corporation, 4. Yokohama Minato Mirai 21 Corporation,
5. Pacifico Yokohama, 6. Trans-Tôkyô Bay Highway Corporation, 7. Kansai International Airport Co., Ltd.. Für jeden Standort wurden grundlegende Probleme von PPP recherchiert: Interessenkonflikte, Wettbewerbsfähigkeit und Risikoverteilung, ermittelt durch strukturierte Interviews (in englischer Sprache bzw. per Dolmetscher) mit Repräsentanten der jeweiligen Unternehmen, mit japanischen Wissenschaftlern sowie auf der Basis englischsprachiger Literatur (v. a. Unternehmensbroschüren, Zeitungen, Zeitschriften). Originär japanisch sprachige Quellen blieben ungenutzt - z. B. Zeitungsberichte als Grundlage für eine (hier sich anbietende) kritisch-hermeneutische Bewertung des Procedere. Unausgewogen erscheint mir, dass als Schlüsselfiguren in erster Linie (loyale) Unternehmensvertreter, nicht aber auch (über die wenigen Wissenschaftler hinaus) Personen aus dem kritischen Umfeld befragt wurden, z.B. fachkompetente Journalisten. So beschränkt sich die Präsentation der Ergebnisse im Wesentlichen auf Fakten ohne bewertende Stellungnahme.
In Kap. 6 werden die Eingangshypothesen überprüft, Schlussfolgerungen gezogen und eine japantypische PPP-Struktur präsentiert (Graphik S. 134). Für das Verständnis des japanischen Systems kommunizierender Röhren erscheinen mir folgende Befunde wichtig:
1. Die Anzahl privatwirtschaftlicher Unternehmen (dominiert von den sechs Keiretsu), die an Unternehmen des "Drittsektors" beteiligt sind, ist zwar sehr hoch. Ihre individuelle Kapitalbeteiligung jedoch ist gewöhnlich nur sehr gering. Der Privatsektor als Anteilseigner insgesamt bleibt jeweils deutlich in der Minderheit, übt keine Management-Kontrolle aus.
2. Entsprechend fraglich ist die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen, deren Beschäftigte überwiegend als Vorruheständler von den jeweiligen PPP-Anteilseignern (insbesondere des öffentlichen Sektors) abgeordnet werden. Daraus folgt:
3. Mögliche Risiken (Planung, Entwicklung/Bau, Vermarktung) gehen eindeutig zu Lasten des öffentlichen Sektors, der in den letzten Jahren infolge zahlreicher Unternehmenskonkurse des "Drittsektors" erhebliche Bürden zu tragen hatte - Lasten, die im Notfall ausschließlich die öffentliche Hand übernimmt.
4. Die beteiligte Privatwirtschaft dagegen erfreut sich gewichtiger Vorteile im Rahmen von Baulobbytätigkeiten. Ihre wie auch immer geringe Kapitalbeteiligung an PPP-Aktivitäten verschafft ihr die nötigen Kontakte zur Durchsetzung eigener Ziele: Bauaufträge, Projektfinanzierungen, Lieferbeteiligungen etc. im Rahmen kartellartiger Bieter-Absprachen ("dangô") unter Ausschaltung des Wettbewerbs.
Das Schlusskapitel 7 macht im Sinne angewandter Forschung Vorschläge für ein effizienteres Procedere von PPP-Projekten. Im Hinblick auf Japan wird die die Volkswirtschaft belastende Bauindustrie an den Pranger gestellt und ein Kernproblem für die Strukturreformen des Landes hervorgehoben: die Baulobbytätigkeit und die Verschwendung öffentlicher Gelder als Transmissionsriemen für das Zusammenspiel und den Interessenklüngel zentraler Akteure im "Eisernen Dreieck" (Ministerialbürokratie, Politik, Wirtschaft). Der Gedanke, dass dies von politisch mündigen Bürgern hingenommen wird, erscheint mir auch dann unerträglich, wenn man mit dem am Schluss zitierten van Wolferen davon ausgeht, dass die politische Ökonomie Japans in der Praxis zwischen dem "Öffentlichen" und "Privaten" nicht unterscheidet und das "öffentliche Gut" für das Machtkartell Japans keine Bedeutung hat.
Fazit: ARNE BONGENAAR liefert einen lesenswerten Beitrag zur Erklärung der Strukturen von PPP in Japan. Er schlägt eine Brücke zum besseren Verständnis auch der Machtstrukturen des Inselreiches. Die Stärken seiner Arbeit liegen im logischen Aufbau (Hypothesenprüfungen) und in den letzten beiden Kapiteln. Darin kommen nicht nur die Interessensunterschiede öffentlicher und privater Akteure, sondern auch die Vernetzungen von PPP mit dem japanischen Machtsystem ("Japan AG") deutlich zum Ausdruck. Die Argumentationsmuster beruhen vorwiegend auf der Auswertung englischsprachiger Literatur. Dies schließt einen Schwachpunkt der Arbeit ein: die nicht hinreichend tiefgründige Empirie - und der entsprechend mangelnde Mut des Autors zu wirklich eigenständigen Bewertungen. Blass bleibt auch die (von einem Geographen zu erwartende) räumliche Perspektive, die hinter den Prioritäten der politischen Ökonomie zurücktritt. Dies ist vor allem im Hinblick auf Japan unverständlich, wo dem "Drittsektor" - im Gegensatz zu seinem US-amerikanischen Pendant - eine wichtige Rolle für die Dezentralisierung des Landes zukommt.
Autor: Winfried Flüchter
Quelle: Erdkunde, 56. Jahrgang, 2002, Heft 3, S. 331-332