Ivo Moßig: Räumliche Konzentration der Verpackungsmaschinenbau-Industrie in Westdeutschland. Eine Analyse des Gründungsgeschehens. Münster 2000. 143 S.

Die Studie von Ivo Moßig untersucht die Einflußfaktoren und Prozesse, durch die sich Branchen während ihrer Entstehungs- bzw. Wachstumsphasen räumlich konzentriert lokalisieren. Der Untersuchungsgegenstand ist der deutsche Verpackungsmaschinenbau, ein kleiner, aber seit den 1980er Jahren erstaunlich boomender Branchenzweig mit Exportquoten von regelmäßig über 70 % - kurz gesagt, einer der "hidden champions" der deutschen Industrie. Die rund 300 klein- und mittelständischen Betriebe konzentrieren sich stärker in zwei Regionen: nordöstlich von Stuttgart, vor allem im Landkreis Schwäbisch-Hall, und in Mittelhessen in den Landkreisen Gießen bzw. Lahn-Dill.

Die Untersuchung dieser Branchenclusterung wird in folgenden Schritten präsentiert: In Kapitel 2 werden Branchencharakteristika, Standortstruktur und wirtschaftlicher Umfang der Verpackungsmaschinenbau-Industrie in Deutschland aufgezeigt. In Kapitel 3 schließt sich Moßig vor allem dem Erklärungsschema der industriellen Lokalisierung von Storper/Walker an und integriert in dieses neuere Erkenntnisse der Gründungsforschung. Nach einer Darstellung des methodischen Vorgehens (Kapitel 4) wird dann die Entstehung räumlicher Konzentrationen nachgezeichnet (Kapitel 5). Gefragt wird auch nach Restriktionen räumlicher Konzentration an anderen Standorten. Den agglomerativen Wirkungen der beiden erfolgreichen räumlichen Konzentrationen wird in Kapitel 6 nachgegangen. Dazu zählen die Wirkungen im Bereich der Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen, beim Arbeitskräftepotential sowie in der Kundenbetreuung. Schließlich wird auch das Niveau der zwischenbetrieblichen Vernetzung analysiert.
Moßigs Arbeit ist theoretisch vielfältig informiert und mit sicherem Blick für relevante Hypothesen angelegt, methodisch solide gearbeitet und stringent vorgetragen. Den wissenschaftlichen Ertrag sehe ich vor allem in der Verbindung von Clusterforschung und Gründungsforschung. In der Clusterforschung werden häufig die Vorteile bestehender Cluster und die Perpetuierung der Vorteile untersucht. Die Existenz räumlicher Branchenkonzentrationen wird zumeist als Resultat eines vorangegangenen ökonomischen Ausleseprozesses unterstellt. Im Beispiel der beiden untersuchten Cluster des deutschen Verpackungsmaschinenbaus verlief jedoch bereits die Gründungsphase räumlich konzentriert. Dabei sind die meisten Gründungen kausal-genetisch durch verschiedene Formen des Spin-offs miteinander verknüpft: In vielen Fällen wurden die Mitarbeiter der erfolgreichen Unternehmen zu Gründern neuer Unternehmen. Wirtschaftliche Gründe wie etwa die Kenntnis der lokalen Zulieferer, aber auch die soziale Bindung der Gründer an einen Ort sprechen für eine Gründung in der Nähe des Ursprungbetriebes. Kurzum, das räumliche Muster des Gründungsgeschehens innerhalb einer Branche kann man mit dem Motto beschreiben: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Aus der Perspektive der Gründungsforschung lautet umgekehrt die praxisrelevante Schlußfolgerung, daß schnell wachsende sektorale Kerne innerhalb einer Region ein sinnvolles Ziel von Gründerhilfen sind. Es wird belegt, "daß sich die räumliche Konzentration ab einer gewissen Größe selbst verstärkt. Jede Spin-off-Gründung ist wieder ein potentieller Inkubator für weitere Spin-offs." (S. 99)
Diese Verknüpfung von Cluster- und Gründungsforschung ist auch methodisch gelungen, indem Moßig "Stammbäume" der Unternehmensgründungen zeichnet und so deren Pfadabhängigkeit deutlich macht. Die anschließende kartographische Darstellung zeigt dann die räumliche Dispersion und Verdichtung des Gründungsgeschehens.
In der Untersuchung agglomerativer Wirkungen stellt Moßig Vorteile für die Unternehmen durch spezialisierte Zuliefererbetriebe wie auch durch das spezialisierte Qualifikationspotential in der Region fest. Die räumliche Nähe der Produzenten, die den Kunden die Markttransparenz bei ihren Einkaufstouren erleichtert, wird nur von den Unternehmen des größeren Clusters in Schwäbisch-Hall als Vorteil gesehen (S. 112). Dagegen konnten nennenswerte zwischenbetriebliche Kooperationen nicht festgestellt werden. Ebensowenig scheint der informelle Informationsaustausch zwischen den Konkurrenten eine Rolle zu spielen.
Dies leitet dann zu der Frage über, welcher Stellenwert den innerhalb der beiden Unternehmensballungen generierten Wettbewerbsvorteilen zukommt. Konsequent weitergedacht, müßte die einmal in Gang gesetzte regionale Überlegenheit sich kumulativ verstärken. Dies deutet Moßig zwar in der Diskussion der empirischen Ergebnisse an, kommt aber explizit zu einem anderen Schluß: "Die räumliche Wahlfreiheit hat sich durch die Clusterungen nicht entscheidend eingeschränkt." (S. 102) Letztlich bleibt sein Cluster-Begriff immer räumlich perspektiviert, eine Definition als ökonomischer Handlungszusammenhangs wird nicht vorgenommen. So fruchtbar in methodischer Hinsicht die einzelwirtschaftliche Untersuchung der Gründungsprozesse auch ist, so sehr hätte hier inhaltlich eine Diskussion systemischer Produktionsverknüpfungen in den beiden Regionen nahe gelegen. Dies folgt nicht nur aus der oben zitierten Beobachtung, wonach "sich die räumliche Konzentration ab einer gewissen Größe selbst verstärkt". Vielmehr hätten in diesem Kontext wohl die verschiedenen Entwicklungswege der eher stabilen, besser vernetzten und offensiv werbenden württembergischen Agglomeration und ihres kleineren hessischen Pendants erklärt werden können. Mit dem Unterschied zwischen dem beschränkten Produktsortiment in Hessen gegenüber einer breiteren Diversifizierung in Schwäbisch-Hall, der wiederum zum Ausgangspunkt unterschiedlicher Konkurrenzstrategien wird (S. 113 ff.), hat Moßig bereits einen interessanten Aspekt dieses Problems aufgezeigt.
Insgesamt trägt diese Arbeit mit ihrer doppelten Perspektivierung von Clusterungs- und Gründungsprozessen überzeugend dazu bei, eine wirtschaftspolitisch dringliche und theoretisch komplexe Fragestellung in der wirtschaftsgeographischen Forschung beantworten zu helfen.
Autor: Christoph Scheuplein

Quelle: geographische revue, 4. Jahrgang, 2002, Heft 2, S. 57-58