Claudia Mayer: Umweltsiegel im Welthandel. Eine institutionenökonomische Analyse am Beispiel der globalen Warenkette von Kaffee. Marburg 2003 (Marburger Geographische Schriften 139). 283 S.

Die ökologischen und sozialen Aspekte der Globalisierung sind in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Thema in der internationalen Politik und der Wissenschaft geworden. Zum einen haben sich Machtasymmetrien und Ungleichheiten in den Handelsbeziehungen zwischen den Ländern des Nordens und Südens weiter verfestigt. Zum anderen führt der Zwang zu Effizienz- und Produktionssteigerung gerade in den rohstoffproduzierenden Ländern des Südens in vielen Fällen zu einer fortschreitenden ökologischen Verarmung und zur Degradation der natürlichen Produktionsvoraussetzungen.

Internationale Regulierungsversuche konnten diese Probleme bislang nicht befriedigend lösen, weil grundlegende Interessengegensätze Einigungen auf gemeinsame Lösungen behindern und im internationalen Rahmen kaum sichergestellt werden kann, daß Regeln von allen Akteuren eingehalten werden. So waren multinationale, zwischenstaatliche Regulierungen bisher kaum in der Lage, die negativen ökologischen Folgen der zunehmend verflochtenen Produktion grundlegend zu vermindern. Angesichts dieser Problemlage wurden in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Richtungen Initiativen gestartet, welche den Aufbau und die Etablierung marktkonformer Institutionen zur ökologisch und sozial nachhaltigeren Ausgestaltung des internationalen Warenhandels zum Ziel haben. Die von Claudia Mayer in ihrer Dissertation untersuchten Umweltsiegel sind in diesem Zusammenhang ein wichtiges Instrument, über das versucht wird, auf Konsumpräferenzen einzuwirken und Nachfrageimpulse für veränderte Produktionsweisen zu setzen. Die Autorin analysiert die Erfolgsbedingungen und Wirkungen von Umweltsiegeln am Beispiel der Warenkette Kaffee. Dieses Beispiel ist gut gewählt, weil Kaffee eines der bedeutendsten Welthandelsgüter ist, die Umweltbelastungen und Wertsschöpfungsanteile zwischen den verschiedenen Gliedern der Warenkette sehr ungleich verteilt sind und gerade im Kaffeesektor bereits seit längerem Erfahrungen mit Umweltzeichen gesammelt werden konnten. Ebenfalls gut gewählt sind Costa Rica und Kolumbien als Produktionsländer sowie Deutschland und die USA als Konsumländer für die vertiefte Analyse und die Befragung relevanter Akteure der Warenkette (Produzenten, Verarbeiter, Exporteure, Importeure, Röster) und des institutionellen Umfelds (NGOs, staatliche Stellen, Zertifizierungsorganisationen). Die Untersuchung spannt einen weiten Bogen, in dem sowohl die ökologischen Grundlagen des Kaffeeanbaus als auch die ökonomischen Zusammenhänge des Handels und die rechtlichen Rahmenbedingungen der Zertifizierung angesprochen werden. Insbesondere der letzte Punkt wird detailliert erörtert. So werden beispielsweise die handelspolitischen Restriktionen durch den GATT/WTO-Prozeß, die Rechtsgrundlage des ökologischen Landbaus sowie die Fragen der Akkreditierung von Zertifizierungsorganisationen kenntnisreich diskutiert, auch wenn es bei der Behandlung dieser mitunter sehr komplexen Rechtsmaterie an einigen Stellen zu terminologischen Unschärfen kommt. Insgesamt wird der Leser aber sehr umfassend über existierende Umweltzeichen mit ihren Stärken und Schwächen sowie den dahinter stehenden Interessen informiert. Die "theoretische Einordnung" der Untersuchung (Kapitel 3) bemüht sich um eine Verknüpfung des Ansatzes der Global Commodity Chain nach Gereffi et al. mit Ansätzen der Neuen Institutionenökonomik, insbesondere der Prinzipal-Agenten- Theorie, des Transaktionskostenansatzes und der Theorie des institutionellen Wandels. Die Interpretation von Umweltsiegeln als neue Institution kann ebenso überzeugen wie der Analyserahmen für die empirische Untersuchung, der sich aus einer Kombination des Commodity-Chain-Ansatzes mit seiner Betonung von strukturellen Machtungleichgewichten und einer stärker akteurszentrierten Sichtweise ergibt. Dennoch stellt sich die Frage, welche Bedeutung die im Einzelnen gelungen resümierten theoretischen Ansätze für das konkrete empirische Vorgehen letztlich besitzen. Vieles was in Kapitel 3 diskutiert wird, scheint bei der Interpretation der empirischen Befunde keine wesentliche Rolle mehr zu spielen. Die starke Konzentration der Autorin auf die ökonomische Theorie ist wohl auch dafür verantwortlich, daß vor allem gegen Ende der Studie eine spezifisch geographische oder räumliche Perspektive so gut wie nicht mehr zu erkennen ist. Die etwas lapidare Forderung, daß Umweltsiegel stärker die regionalen Spezifika der Anbauregionen berücksichtigen sollten, kann in diesem Zusammenhang nicht wirklich überzeugen. Abgesehen hiervon bietet die über Interviews, Expertengespräche und Dokumentenanalyse in den Beispielländern aufwändig und solide recherchierte Studie eine Fülle von interessanten Befunden. So zeigt die Autorin, daß die Warenkette Kaffee im Wesentlichen von den Röstern gesteuert wird (roaster- driven-chain). Der Erfolg von Umweltsiegeln hängt deshalb ganz entscheidend von den Verhaltensweisen und Zielen dieser machtvollen Akteure in den Konsumländern ab. Der Vergleich zwischen Deutschland und den USA zeigt jedoch, daß die Rahmenbedingungen in den Konsumländern durchaus unterschiedlich sein können. Während in Deutschland oligopole, einen Wandel eher behindernde Strukturen vorherrschen, haben in den USA über den seit einigen Jahren blühenden Markt für Spezialitätenkaffee kleinere Röstereien wieder an Gewicht gewonnen, die ressourcenschonend und fair produzierten Kaffee zunehmend als Lebensstil- Produkt vermarkten. Folglich bleibt umweltzertifizierter Kaffee in Deutschland eher ein Nischenprodukt. In den USA spricht er dagegen zunehmend breitere Kundenschichten an. Die Autorin geht grundsätzlich von einem Wachstumspotenzial für umweltzertifizierten Kaffee aus. Dennoch bleibt sie bezüglich des bisherigen Beitrags der Umweltsiegel zum Übergang in nachhaltigere Produktionsmuster skeptisch. Die hierfür notwendige breiten- und flächendeckende Anpassung ist bisher ausgeblieben, weil die ökonomischen Anreize angesichts der hohen Transaktionskosten zu schwach sind, bei vielen Akteuren Informationsdefizite bestehen und die Anpassungsfähigkeit vor allem der Produzenten vielfach überfordert wird. Problematisch ist zudem die Intransparenz, die beim Kunden durch die Konkurrenz unterschiedlicher Siegel mit durchaus differierenden Zielsetzungen geschaffen wird. Erfolgsaussichten sieht die Autorin für Umweltsiegel vor allem dann, wenn diese im Sinne eines gemischt instrumentellen Vorgehens von einer klassisch-ordnungsrechtlich ausgerichteten staatlichen Umweltpolitik flankiert werden. Dies erinnert an die Diskussion in der Umweltökonomie, in der heute in der Regel ebenfalls für einen policy mix im Umweltschutz plädiert wird. Marktliche und ordnungspolitische Instrumente werden dabei nicht mehr primär als konkurrierend, sondern zunehmend als komplementär erachtet. Dabei haben erstere Vorteile im Hinblick auf ökonomische Effizienz und die Schaffung langfristig wirksamer Anreizmechanismen. Letztere besitzen ihren Wert insbesondere in der unmittelbaren Gefahrenabwehr und bei akutem umweltpolitischem Handlungsbedarf. Alles in allem legt Claudia Mayer einen lesenswerten, sprachlich gelungenen, differenziert argumentierenden und inhaltlich gewinnbringenden Beitrag zu einem hochkomplexen und aktuellen Thema vor. Dem Band ist deshalb eine breite Leserschaft innerhalb der Geographie und darüber hinaus zu wünschen.
Autor: Boris Braun

Quelle: Geographische Zeitschrift, 92. Jahrgang, 2004, Heft 3, Seite 188-189