Matthias Kiese: Regionale Innovationspotentiale und innovative Netzwerke in Südostasien. Innovations- und Kooperationsverhalten von Industrieunternehmen in Singapur. Hamburg 2004 (Hannoversche Geographische Arbeiten 56). 221 S.

Singapur hat in den letzten Jahrzehnten mit beeindruckenden Wachstumsraten sein Wohlstandsniveau erheblich gesteigert und damit den Anschluss an die führenden Volkswirtschaften der Erde geschafft. Allerdings gab und gibt es immer wieder Stimmen, die nicht nur generelle Zweifel an der Nachhaltigkeit des Asian Miracle äußern, sondern auch darauf hinweisen, dass die Innovationsfähigkeit und der technische Fortschritt in der Wirtschaft trotz des Aufholprozesses eher begrenzt sind.

So zeigen verschiedene ökonometrische Studien, dass zumindest bis in die 1980er Jahre hinein das Wirtschaftswachstum nicht vornehmlich auf Produktivitätssteigerungen, sondern vor allem auf den zunehmenden Einsatz der Produktionsfaktoren zurückzuführen ist.
In diesem Zusammenhang verfolgt die als Dissertation an der Universität Hannover entstandene Studie von MATTHIAS KIESE das Ziel, die regionalen Innovationspotenziale Singapurs sowie die intra- und interregionalen Kooperationsbeziehungen industrieller Unternehmen empirisch zu untersuchen und mit bereits vorliegenden Daten vergleichend zu bewerten. Im ersten Teil der Studie werden hierzu zunächst ausführlich verschiedene Theorieansätze der wissens- und innovationsbasierten Regionalentwicklung referiert. Das Bedürfnis nach einer theoretischen Einordnung der empirischen Befunde wird dadurch zweifellos befriedigt. Aber es bleibt fraglich, ob die insgesamt etwas schematisch wirkenden Ausführungen über altbekannte Konzepte wie Regionale Innovationssysteme, Industrial Districts oder Innovative Milieus in der dargelegten Breite wirklich (noch) notwendig sind.
Interessant werden die Ausführungen immer dann, wenn der Autor nach der Übertragbarkeit der zumeist im Kontext westlicher Industriestaaten entstandenen Konzepte auf Newly Industrialized Countries (NICs) in Südostasien fragt. Diese Diskussion erfolgt mit viel Sachkenntnis, auch wenn die empirischen Untersuchungen aufgrund der angewandten Methoden letztlich viele in diesem Zusammenhang zentrale Fragen nicht wirklich befriedigend beantworten können. So kann die Arbeit etwa zur Bedeutung kultureller Determinanten für das unternehmerische Kooperations- und Innovationsverhalten nur wenig neue Erkenntnisse beisteuern.
Ihre Stärken hat die Studie eindeutig da, wo sie die in Singapur gewonnenen quantitativen Befunde mit den Ergebnissen vergleicht, die in europäischen und anderen südostasiatischen Ländern bzw. Regionen mit einem weitestgehend einheitlichen Erhebungsinstrumentarium erhoben wurden (v.a. European Regional Innovation Survey). Der systematische Vergleich mit anderen Regionen und Ländern (Barcelona, Stockholm, Gironde, Baden, Thailand, Penang usw.) lässt eine wesentlich gehaltvollere Interpretation der erhobenen Daten zu als mit einer isolierten Befragung in Singapur alleine zu erreichen gewesen wäre. Die Vorteile einer über ein standardisiertes Forschungsdesign eng mit anderen Dissertations- und Habilitationsprojekten verknüpften Untersuchung werden hier deutlich. Der Autor kann aus einem großen Datenfundus schöpfen, um seine Befunde im regionalen Vergleich zu bewerten.
Dennoch bleibt der methodische Ansatz der Studie zwangsläufig ein Kompromiss. Die empirische Datenerhebung anhand eines im Kern für europäische Regionen entwickelten standardisierten Fragebogens kann den spezifischen kulturellen und institutionellen Kontext in Singapur eben nur begrenzt erfassen. Auch ist dem Forschungsansatz deutlich anzumerken, dass er konzeptionell aus der Mitte der 1990er Jahre stammt. Dem vor allem an der konzeptionell-theoretischen Entwicklung der Wirtschaftsgeographie und der Innovationsforschung Interessierten wird die Lektüre deshalb wenig wirklich Neues liefern. Aber für einen Leserkreis, der sich überwiegend für die wirtschaftliche Entwicklung Singapurs im Allgemeinen oder für dessen Innovationspotenziale im Speziellen interessiert, ist das Buch aufgrund seiner Fülle an sorgfältig recherchierten Sachinformationen zweifellos eine empfehlenswerte Lektüre.     
Autor: Boris Braun

Quelle: Erdkunde, 60. Jahrgang, 2006, Heft 1, S. 75