Werner Rutz, Achim Sibeth (Hg.): Karl Helbig - Wissenschaftler und Schiffsheizer. Sein Lebenswerk aus heutiger Sicht. Rückblick zum 100. Geburtstag. Hildesheim 2004. 276 S.

Karl Helbig (1903-1991) gehörte zu den herausragenden landeskundlich orientierten Geographen der Vorkriegszeit und der ersten Nachkriegsgeneration. Anlässlich seines 100. Geburtstages organisierte Werner Rutz in Karl Helbigs Geburtsstadt Hildesheim ein Gedenkkolloquium, bei dem Leben und Arbeit Helbigs gewürdigt wurden. Das Ergebnis liegt mit 16 Beiträgen nun in gerdruckter Form vor. Die ersten fünf Beiträge, von guten Freunden und Weggefährten Karl Helbigs verfaßt, befassen sich mit dem Leben und der Persönlichkeit dieses bemerkenswerten Mannes, der seine Forschungsreisen als Schiffsheizer organisierte (dem einzigen "akademischen Heizer" Deutschlands), um finanziell unabhängig zu bleiben. Eine Hochschullaufbahn blieb ihm Zeit seines Lebens verwehrt - vor dem Krieg weil er sich weigerte, in die NSDAP einzutreten und nach dem Krieg wegen seiner Sympathien für die KPD. Angebote von DDR-Universitäten schlug er aus, weil sie ihm die Möglichkeit von Auslandsreisen genommen hätten.
Die vier Beiträge im Mittlteil widmen sich den Arbeiten Helbigs. Der Beitrag von Rutz beschäftigt sich mit dem wissenschaftlichen Werk. Vor dem Krieg hatte Helbig überwiegend in Indonesien geforscht, der Titel seiner Dissertation (1931) lautete: "Batavia: eine tropische Stadtlandschaft im Rahmen der Insel Java". Berühmt wurde er durch seinen achtmonatigen Fußmarsch durch Borneo, dessen Ergebnisse allerdings erst 1982 in zwei Bänden erschienen. Nach dem Krieg konzentrierten sich seine Forschungen auf Mittelamerika und Mexiko. Besonders zu erwähnen ist die dreibändige Monographie über die mexikanische Provinz Chiapas, für die Helbig den mexikanischen Staatspreis erhielt. Neben seinen wissenschaftlichen Aktivitäten war er auch als erfolgreicher Jugendbuchautor und Reiseschriftsteller aktiv. Sein letztes Buch "Seefahrt vor den Feuern" setzt seinen Arbeitskollegen, den Schiffsheizern, ein Denkmal, denen er sich Zeit seines Lebens verbunden fühlte.
Besonders hervorzuheben sind die letzten fünf Beiträge, die das Buch auch für Nicht-Helbig-Kenner lesenswert machen. Sie sind von Wissenschaftlern verfasst, die in jüngerer Zeit in den Regionen geforscht haben, in denen Helbig schon vor 70 bzw. 50 Jahren aktiv war, und die nun einen Vergleich zwischen der heutigen und der damaligen Situation ziehen. Die behandelten Themen reichen von den Veränderungen der Stammeskultur bei den Dayak-Völkern auf Borneo (Kuhnt, Rietz, Zahorka), über die gewandelte Position der Chinesen in Südostasien (Somers-Heidhues) bis hin zu den kulturlandschaftlichen Veränderungen in den karibischen Räumen von Honduras und Nicaragua (Sandner) sowie der mexikanischen Provinz Chiapas (Richter). Insgesamt ein Buch, das uns nicht nur eine außergewöhnliche Persönlichkeit vorstellt, sondern auch einen höchst lesenswerten Einblick in gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse von Teilen Indonesiens und Mittelamerikas bietet.
Autor: Ulrich Scholz

Quelle: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie Jg. 50 (2006) Heft 2, S. 139-140