Helma Lutz: Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung, 2., überarbeitete Aufl. Opladen 2008. 227 S.

Die ›Vereinbarkeit‹ von Familie und Beruf ist angesichts steigender Frauenerwerbstätigkeit seit einigen Jahren Gegenstand der gesellschaftspolitischen Diskurse westlicher Industrienationen. In der Praxis wird diese Frage in Mittelklassehaushalten häufig durch die Beschäftigung einer bezahlten ›Haushaltshilfe‹ gelöst – meist illegalisierte, unter unregulierten Beschäftigungs-verhältnissen arbeitende, weibliche Migranten. Im Zuge des mit neoliberaler Politik einhergehenden Rückzugs des Wohlfahrtsstaates und der Rückführung ehemals öffentlich erbrachter Leistungen in den Privathaushalt hat sich für diese Tätigkeiten der weltweit größte Arbeitsmarkt entwickelt (11). Veränderungen in der Erwerbsstruktur haben demnach offensichtlich keine Aufhebung geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung zur Folge. Die entstandene ›Versorgungslücke‹ wird durch den Zukauf personenbezogener Dienstleistungen auf dem Weltmarkt kompensiert, und der vergeschlechtlicht e Charakter der Hausarbeit selbst wird nicht zur Disposition gestellt. Lutz betrachtet Geschlecht nicht als ontologische Kategorie, sondern »als ein Ensemble alltäglicher Handlungen, als Wahrnehmungs-, Darstellungs- und Zuschreibungsroutinen« und »heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit [...] als Effekt sozialer Praktiken« (39).

Familienarbeit als ganz besonders vergeschlechtlichte und identitätsstiftende Aktivität ist ein Kernbereich des »Doing Gender« (39). In diesem Kontext ist die Weitergabe von Haushaltsarbeit an eine Migrantin im Rahmen tradierter Identitätsmuster zu sehen, wodurch das Geschlechterarrangement in seinem Kern nicht hinterfragt werden muss. Analog hierzu wird auch Ethnizität als relationale Kategorie gefasst und durch »Doing Ethnicity« hergestellt.
Letzteres fungiert im Privathaushalt als »Modus der Grenzziehungsarbeit« (40), mit dessen Hilfe soziale Positionierungen zwischen Auftraggeberin, deren Familie und Auftragnehmerin ausgehandelt werden. Doing Ethnicity ist somit ein Mod us, »Doing Gender abzufedern, gleichzeitig wird das Doing Gender weitergereicht und bekommt eine neue Form« (41). Über
die Verbindung mit Ethnizität würde demnach ein gewisser Bedeutungsverlust von Geschlecht eintreten. Auf diese zentrale Annahme rekurriert Lutz im Verlauf der Arbeit immer wieder, ohne sie jedoch genauer auszuführen. Lutz versucht, nicht nur Ethnizität und Geschlecht zu kontextualisieren, sondern auch diese Verschränkungen mit globalen Abhängigkeitsbeziehungen in Verbindung zu bringen. Zum einen ermöglicht die (illegalisierte) Beschäftigung von Migrantinnen häufig die Erwerbstätigkeit von Frauen bei gleichzeitiger Erfüllung ihrer »Mutterpflichten« (35), zum anderen sind die »Entsendeländer« (31) dieser eingekauften Dienstleistungen von den Remissionen (finanziellen Rücküberweisungen) der Migranten abhängig. Außerdem bringt Lutz Hochschilds Begriff der »global care chain« (32) ins Spiel, wodurch sie versucht, einen Zusammenhang zwischen globalen ökonomischen Ungleichheiten und der zunehmenden Vermarktlichung von Reproduktionsarbeit herzustellen. Sie betont, dass die fortschreitende Transnationalisierung bei gleichzeitiger Verschärfung der Migrationsregime dem Phänomen der ungleichen Neuverteilung von Haushaltsarbeit Vorschub leistet.
Um eine »intersektionelle« Analyse bemüht, betont Lutz die Notwendigkeit der Betrachtung transnationaler Dienstleistungen im Schnittpunkt von Wohlfahrts-, Geschlechter- und Migrationsregimen. Anhand der dann dargestellten Fallbeispiele versucht Lutz, die von ihr postulierte Verschränkung durch Erfahrungsberichte zu belegen, was jedoch ohne eine tiefergehende Analyse unbefriedigend bleibt. Etwas befremdlich mutet auch ihre Begründung an, warum sie sich theoretisch auf die Intersektionalitätsanalyse bezieht. Ihr zentrales Verdienst sei, »frühere Ansätze der angloamerikanischen Race-Class-Gender-Debatte weiterentwickelt« (41) zu haben und Strukturkategorien als sich unterschiedlich kreuzende »Achsen der Benachteiligung « (41) zu betrachten. Doch scheint die Achse der Klasse im weiteren Verlauf der Arbeit verlorengegangen zu sein, da sich kaum ein Unterdrückungssystem mit der Klassenlage der dargestellten Person zu überschneiden scheint. Dieses Versäumnis, klassenspezifische Gesichtspunkte über die bloße Erwähnung derselben hinaus miteinzubeziehen, hinterlässt eine etwas schiefe Optik. Diffus bleibt die Analyse von Macht- und Herrschaftsbeziehungen auch bei der Darstellung des Charakters von »Beziehungsarbeit« zwischen Haushaltsarbeiterin und Auftraggeberin. Lutz schlussfolgert, dass diese komplexen Beziehungen nicht als reines Ausbeutungsverhältnis, sondern als asymmetrische, gegenseitige Abhängigkeitsbeziehung betrachtet werden müssten. Sowohl im Falle des Mannes, der sein »männliches Selbstgefühl« (106) über die Anstellung einer Haushaltsarbeiterin herstellt, als auch der jungen Frau, die von ihrer uruguayischen Angestellten Hilfe bei Konflikten mit ihrem lateinamerikaischen Partner erhält (100), handelt es sich jedoch um emotionale Aspekte, die nicht auf derselben Ebene mit existenzbedrohenden Ängsten und Gefahren illegalisierter Haushaltsarbeiterinnen betrachtet werden können. Etwas inkonsistent erscheint das Postulat der Gegenseitigkeit zudem angesichts der wiederholten Feststellung, dass bezahlte Reproduktionsarbeit durch Rückgriff auf familiäre und bekanntschaftliche Netzwerke unentgeltlich kompensiert werden könne (203). In diesem Zusammenhang wirkt auch die Charakterisierung der Beziehungen als »Vertrauensgemeinschaft« (44, 95), da meist mündlich geschlossene Arbeitsvereinbarungen deren Grundlage seien, als Euphemismus. Das Heranziehen des Begriffs des »Vertrauens« suggeriert eine Gleichwertigkeit der Beziehung, die real aufgrund der ostentativen Machtdifferenzen nicht gegeben ist.
Lutz’ Arbeit ist dennoch empfehlenswert, liest man sie als theoretische Anregung, Überblick über relevante Themenkomplexe und praxisnahe Einführung in den Arbeitsalltag von Haushaltsarbeiterinnen. Wer sich jedoch eine tiefergehende wissenschaftliche Analyse über das Verhältnis von Produktions- und Reproduktionsarbeit und dessen Transformation unter
Berücksichtigung klassentheoretischer Gesichtspunkte erwartet, wird hier enttäuscht werden. Auch die hintangestellten Forderungen gehen nicht über linksliberale Gemeinplätze wie die formalrechtliche Anerkennung von Menschenrechten und die gesellschaftliche Anerkennung der von Migrantinnen geleisteten Arbeit hinaus und lassen den Leser mit der unbefriedigenden allgemeinen Erkenntnis zurück, dass die bestehenden Verhältnisse veränderbar sind.
Autorin: Nadja Pospisil

Quelle: Das Argument, 51. Jahrgang, 2009, S. 540-541