Jörn Birkmann und Lothar Finke (Hg.): Novellierung des Landesplanungsrechts in Nordrhein-Westfalen. Hannover 2006 (Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Arbeitsmaterial 311). 54 S.
Nordrhein-Westfalen gilt ja gemeinhin nicht als Land mit einer starken Landesplanung. Hohe Siedlungsdichte und das Nebeneinander vieler Oberzentren scheinen die Spielräume der ordnungspolitisch ausgerichteten Landes- und Regionalplanung stark einzuschränken. Einem fast schon sarkastischen Bonmot nach hat sich die Landesplanung in Nordrhein-Westfalen bereits in den 1970er Jahren, in dem sie das System der Zentralen Orte als Grundlage zur Schneidung der Großgemeinden konzipierte, selbst überflüssig gemacht. Innovationen mit bundes- und z.T. europaweiter Ausstrahlung hat das Land allerdings im Bereich der Landes- und Regionalentwicklung hervorgebracht: die "Regionalisierte Strukturpolitik", die "IBA Emscher Park" und die "Regionale" sind dafür die prominentesten Beispiele.
Vor diesem Hintergrund ist eine Publikation zur Novellierung des Landesplanungsrechts im größten Bundesland auch deswegen interessant, weil sie ein generelles Stimmungsbild der Steuerungsfähigkeit von Landesplanung vermittelt. Der Band ist Ergebnis eines Arbeitskreises der ARL, wobei die Textverantwortlichkeiten bei den einzelnen Autoren der Fachbeiträge liegen.
LOTHAR FINKE prüft, ausgehend von der Forderung des Entwurfs zum Landesplanungsgesetz nach einer stärkeren Integration von Fachbeiträgen in die Raumordnungspläne, die Aussagen entsprechender Fachgesetze. Zum Thema Bodenschutz fordere das Fachgesetz zwar keinen Fachbeitrag, es gäbe jedoch ausbaufähige Ansätze. Im Falle des Gewässerschutzes scheine dagegen die Chance der Verpflichtung für einen Fachbeitrag verpasst worden zu sein, wenngleich auch hier noch Möglichkeiten bestünden. FINKE schließt mit der Forderung nach einer stärkeren umfassenden und frühzeitigen Koordination aller Fachplanungen durch die Raumordnung. Nicht diskutiert wird allerdings der Umstand, dass das bloße "Einsammeln" von Fachbeiträgen alleine noch zu keiner Koordinationshandlung der Raumordnung führt, sondern zunächst einmal zu einer "Entschlankung", die politisch kaum opportun sein dürfte.
Nordrhein-Westfalen ist mit dem Modell einer staatlich verfassten Regionalplanung einer der letzten "Dinosaurier"; landespolitisch ist hier, ebenso wie etwa in Schleswig-Holstein, der Weg in Richtung einer kommunalisierten Regionalplanung eingeschlagen. Vor diesem Hintergrund prüft STEFAN GREIVING die Regelungen des neuen LaPlaG-Entwurfs zur Frage der institutionellen Verankerung der Regionalplanung und der Möglichkeiten des Einsatzes des Instrumentes des Regionalen Flächennutzungsplans. Was das letztgenannte Instrument angeht, so ist GREIVINGs Kritik am Gesetzentwurf deutlich: Alleine von der Raumstruktur eigne sich der Regionale Flächennutzungsplan in Nordrhein-Westfalen nur für mittelgroße monozentrische Regionen wie Münster, Bielefeld oder Aachen, nicht aber für den polyzentrischen Rhein-Ruhr-Raum. Weiterhin stellt GREIVING Inkonsistenzen des Gesetzes hinsichtlich der Frage des Regionalen Flächennutzungsplans zum Gebietsentwicklungsplan (Regionalplan) fest und hält den vorgeschrieben Einheitsmaßstab von 1:50.000 nicht für sachgerecht, da dieser eine zusätzliche Planebene zwischen FNP und Planebene erforderlich machen könne. Für die im Gesetz vorgeschlagenen Regionalen Planungsgemeinschaften befürchtet GREIVING zu schwerfällige Entscheidungsstrukturen. Als Lösung zumindest einiger der genannten Probleme schlägt GREIVING die flächendeckende Einrichtung von an den ZIN-Regionen der früheren Regionalisierten Strukturpolitik orientierten Planungsverbänden nach § 205 BauGB vor. Wenngleich GREIVING selbst in seinem Resümee einräumt, auch diese Lösungen könnten das Grundproblem der fehlenden Abstimmung der Siedlungsentwicklung nicht lösen, da Mängel in den bundesrechtlichen Vorgaben bestünden, erscheint doch dieser Ansatz der Integration von Regionalplanung und Regionalentwicklung interessant.
ALBERT SCHMIDT formuliert die Anforderungen an die freiraumrelevanten Inhalte eines neuen LEP NRW, die auch vor dem Hintergrund des Wegfalls der LEPro zu sehen sind. Im besonderen Fokus stehen hierbei die Natura-2000-Gebiete. Für die großräumigen FFH-Gebiete und europäischen Vogelschutzgebiete, die in NRW 7% der Landesfläche umfassen, reiche demnach eine Darstellung in den Gebietsentwicklungsplänen nicht aus, sondern sei die Aufnahme in den LEP erforderlich. Weiterhin geht SCHMIDT davon aus, dass die Wohn- und Gewerbeflächenausweisungen angesichts umfangreicher bestehender bauleitplanerischer Reserven im neuen LEP nur noch eine untergeordnete Rolle spielen wird. Schließlich gälte es, für den besonderen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ein LaPro zu konkretisieren; gegenüber der Ableitung aus dem LEPro ermögliche dies eine größere Flexibiltät in den Gestaltungen von Zielaussagen.
JÖRN BIRKMANN beschäftigt sich mit der Frage des Monitorings im Rahmen von landesplanerischen Festsetzungen. Der Wandel der Steuerungsphilosophie von einer regulierenden zu einer eher flexiblen und dezentralen Steuerung sowie Vorgaben aus europäischen Richtlinien lasse ein Monitoring sinnvoll erscheinen. Technische Fortschritte in der Verwaltung schüfen neue Spielräume der Einrichtung von Monitoringsystemen. § 14 des LaPlaG-Entwurfs, der Ausführungen zum Monitoring enthält, ließe allerdings noch eine Fülle von Fragen offen, die im LEP zu konkretisieren seien. Es gälte, eine zielgerichtete Aufgabenverteilung des Monitorings zwischen Landes-, Regional- und Kommunalebene zu erarbeiten. Es bedürfe der Konkretisierung der relevanten zu beobachtenden Schutzgütern, der Definition von Indikatoren und der Formulierung der Konsequenzen, die sich aus den im Monitoring festgestellten Abweichungen mit den Zielaussagen der Pläne ergeben. Schließlich wird auf den erhöhten Kapazitätsaufwand, den Monitoring erfordert, hingewiesen, der durch Entlastungen der Einrichtungen an anderer Stelle kompensiert werden müsse.
BERND MIELKE skizziert die aktuellen Entwicklungen in der niederländischen Raumplanung und bewertet diese im Hinblick auch auf Anregungen für NRW. Traditionell gilt die niederländische Raumplanung - insbesondere durch ihre innerhalb des "Poldermodells" entwickelte Konsenskultur - als inspirierend für die deutsche Raumplanung. Die 2004 dem Parlament vorgelegte "Nota Ruimta" ist für MIELKE vor allem durch einen weiteren Paradigmenwechsel von ordnungs- hin zu entwicklungspolitischen Zielsetzungen sowie durch Dezentralisierungs- und Deregulierungstendenzen gekennzeichnet. Die Verbesserung der internationalen Konkurrenzposition werde vor allem durch die Akzentuierung der großen Agglomerationen sowie der Städtenetze deutlich gemacht; wenngleich ländliche Regionen und das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung ebenfalls genannt würden. Die staatliche Raumordnung eröffne den Provinzen neue Handlungsspielräume und konzentriere sich selbst nur auf ausgewählte Punkte der räumlichen Hauptstruktur, ihre Zielvorgaben seien jedoch wenig stringent. Auch wenn die Planungsbegeisterung für die Niederlande, so resümiert MIELKE, nachgelassen zu haben scheint, sind Elemente wie breite Öffentlichkeitsarbeit, Methoden wie der Einsatz von Szenarien zur Diskussion der Entwicklungen und die Erarbeitung von Umsetzungsprogrammen weiterhin auch für die Raumplanung in Deutschland und insbesondere in NRW anregend.
HEINZ KONZE skizziert abschließend sowohl die grund-sätzliche Notwendigkeit als auch die faktischen Schwierigkeiten der Politikberatung im Feld der Raumplanungspolitik, ein Feld dessen Effektivität angesichts der Fülle von Beratungsgutachten durchaus als kritisch angesehen werden könne. Mit den jährlichen Planerkonferenzen der ARL-LAG Nordrhein-Westfalen wurde der regelmäßige Dialog zwischen Raumplanung und Politik versucht. Was allerdings in den neunziger Jahren als konstruktiver Dialog begann, scheint sich für KONZE in den letzen Jahren bis hin in Richtung einer gegenseitigen Sprachlosigkeit zwischen Politik und Fachebene entwickelt zu haben, für deren Beendigung der Autor plädiert und einige konkrete Handlungsvorschläge unterbreitet.
Das Spannungsfeld von Politik und Fachebene zieht sich - dieses Gesamtresümee kann gezogen werden - indirekt auch durch den gesamten Band. Während jene Beiträge, die engagiert eine Stärkung der ökologischen Dimension in den Plänen fordern, den vorherrschenden Maximen der Politik nach Ökonomisierung, Deregulierung und Effizienzsteigerung zuwiderlaufen dürften, können die Beiträge, die die Tendenzen der Entwicklungs- statt der Ordnungsorientierung, der Beobachtung anstelle stringenter Top-down-Steuerung hervorheben, sich zweifellos des politischen Mainstreams sicherer sein. Sie müssen sich allerdings die Frage gefallen lassen, was denn letztlich das materielle Steuerungsergebnis dieser Art von Planung ist und ob diese Art von Planung überhaupt noch einer institutionalisierten Raum-ordnung bedarf.
Ein insgesamt facettenreicher und anregender Band!
Autor: Christian Diller