Thomas Hammer: Sahel. Gotha und Stuttgart 2005 (Perthes Regionalprofile). 320 S.

Kaum eine Entwicklungsregion der Erde wurde in den letzten Jahrzehnten dermaßen intensiv aus der Sicht verschiedener Disziplinen beforscht wie die Sahelländer Westafrikas. Trotz und vielleicht gerade wegen der unüberschaubaren Flut von Publikationen fehlte in der deutschsprachigen Geographie bislang eine ausführlichere neuere Überblicksdarstellung.

Hier füllt das Buch eine Wissenslücke und stellt eine wichtige Fortschreibung und Synthese hinsichtlich der internationalen Forschungsergebnisse zur Sahelproblematik im Verlauf der letzten 40 Jahre dar. Das vorliegende Werk versteht sich bewusst nicht als sektoral angelegte Länderkunde, sondern kann zu Recht das Label "Regionalprofil" für sich in Anspruch nehmen. In einer Gesamtschau werden aus der Sicht einer problem- und handlungsorientierten Humangeographie zentrale, allen Sahelländern gemeinsame Struktur- und Entwicklungsprobleme bearbeitet, wobei ein besonderer Fokus auf der Bewertung und Gegenüberstellung der jüngeren sozialwissenschaftlichen Erklärungsansätze zu Fragen der Umweltdegradation (wie z. B. der Vergleich der Erklärungsdimensionen des Sahelsyndromansatzes und der politisch-ökologischen Arbeitsrichtungen) liegt. Gleichwohl versteht der Autor sein Buch als einen Versuch, "die mehr humanwissenschaftlich ausgerichtete französische Forschung mit der eher auf Umweltfragen ausgerichteten deutschsprachigen Forschung zusammenzuführen" (sic! 9).
Das Werk ist sehr intelligent und zeitgemäß aufgebaut und gegliedert. Den Einstieg bildet ein Überblick über den Kulturraum und seine Entwicklung und nicht etwa, wie in den meisten Länderkunden, über die physisch-geographischen Raumstrukturen. Deutlich wird, dass es schon seit dem 16. Jahrhundert in verschiedenen Sahelregionen Hungersnöte gab und die Handlungsstrategien zur Bewältigung von gesellschaftlichen Krisen seit jeher auf den Prinzipien Diversität, Flexibilität und Mobilität beruhten. Gerade diese Kategorien verdienten zu Recht eine vermehrte Beachtung im Hinblick auf die alltäglichen Handlungslogiken von Personengruppen in risikobehafteten Lebenslagen. Die Innovationsfähigkeit vielseitiger informeller Aktivitäten im Kontext von absoluter Armut und verstärkter Ausgrenzung der Marginalisierten im Zeitalter der Globalisierung wird bestätigt. Aktuelle Konflikte im Rahmen der WTO (Baumwollinitiative) werden ebenso aufgezeigt wie die teilweise hohle Rhetorik im Rahmen neuer, oft scheiternder Versuche regionaler Kooperation und Integration. Der Autor plädiert für eine eigenständige Entwicklung in der Globalisierung trotz Marginalisierungsdruck im Sinne eines sogenannten. "Sahel-Zentrismus", unterschätzt hier aber die zunehmende Neo-Dependenz der Sahelregion vom Weltmarkt, von der früheren Kolonialmacht, von den USA und von einigen aufsteigenden Wirtschaftsgiganten in Asien im Kontext des globalen Wettlaufes um die letzten verfügbaren Rohstoffe (z. B. Erdöl und Seefische im Atlantik). Das Buch kann für Afrikaforscher, Politologen und für den Einsatz an Universitäten und höheren Schulen nachdrücklich empfohlen werden, auch wenn es an manchen Stellen zu sehr offiziellen Statistiken Glauben schenkt.
Autor: Thomas Krings

Quelle: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie Jg. 51 (2007) Heft 3/4, S. 263-264