Jörg Plöger: Die nachträglich abgeschotteten Nachbarschaften in Lima (Peru): Eine Analyse sozialräumlicher Kontrollmaßnahmen im Kontext zunehmender Unsicherheiten. Kiel 2006 (Kieler Geographische Schriften 112). 202 S.

Eines der großen Themen der letzten Dekaden in der Stadtgeographie Lateinamerikas ist das Phänomen der sozial-räumlichen Exklusion. Dazu liegen inzwischen aus den verschiedensten Groß- und Mittelstädten des Kulturraums zahlreiche Analysen vor, zum Teil sind diese auch bereits vergleichend dargestellt worden und haben Eingang in die gängigen Stadtmodelle gefunden. Neben den verschiedenen Formen der Barrios Cerrados ("Gated Communities") und Ciudades Cerradas ("Gated Cities") sind in vielen Arbeiten auch die nachträglich abgeschotteten Straßenzüge und Nachbarschaften erwähnt worden, die in manchen Städten sogar am Beginn der forcierten sozialräumlichen Segregation standen. Erstmalig legt nun JÖRG PLÖGER eine Spezialuntersuchung, als Dissertation in Kiel angenommen, zu diesem Thema vor, und zwar am Beispiel Limas.
Er hält sich nicht lange mit den vorliegenden Theorien und Modellen der sozialräumlichen Segregation auf, sondern kommt gleich zur Sache, indem er sein Konzept der "Condominisierung" entwickelt. Der Begriff ist aber unglücklich gewählt, denn unter einem Condominio wird eine spezifische Rechtsform verstanden und nur mittelbar auch ein Abschottungsprinzip. So ist ein Kondominium eine Form des Gemeinschaftseigentums, bei dem die Bewohner einen Anteil am Gesamten erwerben, aber keinen Rechtstitel auf eine spezifische Wohnung, ein Gebäude oder ein Grundstück erwerben. Nur aufgrund dieser Rechtskonstruktion ist es nämlich möglich, große Flächen aus dem öffentlichen Raum auszuschneiden und zu ummauern oder einzuzäunen. Ein Grundstück darf auf diese Weise "eingefriedet" werden, ein ganzer Stadtteil mit Flächen im Privateigentum nicht.
Daraus folgt, dass der Terminus "Condominisierung" gerade auf nachträglich abgeschottete Nachbarschaften nicht angewandt werden kann, da dort ja klare und individuelle Eigentumsverhältnisse vorliegen. Dies ist, nebenbei bemerkt, auch der Grund, warum solche "Enklaven" in den Datenbanken, die von anderen Autoren für einige Groß- und Megastädte des Kulturraums erstellt worden sind, nicht aufgenommen wurden.
Abgesehen von dieser begrifflichen Unschärfe sind jedoch die Ausführungen von PLÖGER gut durchdacht. Er entwickelt drei Ebenen des Phänomens nachträglich abgeschotteter Nachbarschaften: die baulich-technische der physischen Abschottung und Absicherung, die sozial-organisatorische und die der symbolischen Raummarkierung. Bei der Charakterisierung der zweiten Ebene wird auch das Adjektiv "rechtlich" verwendet, ohne dass darauf jedoch genauer eingegangen wird. Dies ist bedauerlich, denn gerade die nachträglich "eingefriedeten" Straßenzüge befinden sich - im Unterschied zu den echten Condominios - in einer rechtlichen Grauzone.
Im folgenden Kapitel werden politische und wirtschaftliche Entwicklungen Perus dargestellt, die dem Autor zufolge vor allem auch zur Zunahme der Unsicherheit - eines der Hauptmotive der Abschottung - führten. Daher ist auch das fünfte Hauptkapitel der "Sicherheitslandschaft" von Lima gewidmet. Im letzten Teil stellt der Autor seine empirischen Ergebnisse vor. Es handelt sich um eine - dem Autor zufolge - repräsentative Querschnittsanalyse in 21 nachträglich abgeschottenen Nachbarschaften. Sie werden nach vier Bewertungskriterien beurteilt. Die Daten hierzu wurden über einen Fragebogen gewonnen. Sechs Fallstudien vertiefen die Ergebnisse.
Die gewählte Methode ist durchaus zielführend. Dennoch belegt das nur sechsseitige Fazit, dass noch ein großer Forschungsbedarf besteht. Der Autor hat den bisherigen Forschungsstand nur sehr exemplarisch zur Kenntnis genommen, wichtige Arbeiten, vor allem solche in spanischer Sprache sind im Literaturverzeichnis nicht aufgeführt - dies hätte die Einordnung des Fallbeispiels Lima in den lateinamerikanischen Kontext ermöglicht und manche Erkenntnisse des Autors relativiert -, erstaunlicherweise fehlen auch spezifische Arbeiten zur Segregation in Lima. Dies ist sicher auch eine Folge der auf die Technische Universität beschränkten Zusammenarbeit. So bleibt wohl noch viel zu tun ...    
Autor: Axel Borsdorf

Quelle: Erdkunde, 61. Jahrgang, 2007, Heft 4, S. 380-381