Ernst Spaan, Felicitas Hillmann, Ton van Naerssen (Hg.): Asian Migrants and European Labour Markets.Patterns and processes of immigrant labour market insertion in Europe. London, New York 2005. 337 S.
Das von Ernst Spaan, Felicitas Hillmann und Ton van Naerssen herausgegebene Buch "Asian Migrants and European Labour Markets" stellt eine Studiensammlung zur jüngeren asiatischen Migration nach Europa dar. In 15 Beiträgen wird die Einbettung asiatischer Migranten seit den 1990er Jahren in mehrere europäische Arbeitsmärkte untersucht.
Der Band erfasst Fälle über Immigrantengruppen unterschiedlicher Herkunftssituation, welche in Europa auf unterschiedlichen Wegen Möglichkeiten ökonomischen (Über-)-lebens (auf-)finden. Bestimmte Formen von ökonomischen Strategien, insbesondere das selbständige Unternehmertum (Entrepreneurship), werden fokussiert. Die Beiträge zeigen, wie unterschiedliche Einbettungskontexte in Europa zu Community- oder Netzwerkbildungen führen, und wie Einschließungen und Ausschließungen in der Einwanderungsgesellschaft entstehen können.
In den Fallbeispielen sind neun europäische Staaten vertreten: Großbritannien, Norwegen, Niederlande, Frankreich, Spanien, Italien, Österreich, Deutschland und Polen. Migrationsforscher aus unterschiedlichen Disziplinen wie Geographie, Soziologie, Ökonomie und Anthropologie gewährleisten Perspektivenvielfalt auf das Thema.
Migration wird von den Autoren als zentraler Link zwischen globaler Ökonomie und den Entwicklungen lokaler Arbeitsmärkte gesehen. Die Fallbeispiele legen dar, dass an den Eingliederungen asiatischer Migranten sowohl Globalisierungsprozesse als auch lokale Arbeitsmarktentwicklungen erkennbar sind.
Die Aktualität des Themas hat mit der Tatsache zu tun, dass die asiatische Migration nach Europa in den letzten Jahren im Kontext von mehreren gegenwärtigen Transformationsprozessen steht. Erstens der Globalisierung sowie der Veränderungen internationaler Migration im Allgemeinen, zweitens der politischen und ökonomischen Strategien in den Herkunftsländern (insbesondere Chinas in den 1980er und 1990er Jahren), drittens einem im selben Zeitraum "in Konstruktion befindlichen" vereinheitlichten bzw. gemeinsamen Immigrationsregime in Europa und viertens den jeweiligen (unterschiedlichen) nationalen Wirtschaftsentwicklungen bzw. Arbeitsmarktstrukturen europäischer Staaten.
Die Forschungsfrage ist insbesondere auf den letzten Aspekt, dem Transformationsprozess europäischer Arbeitsmärkte ausgerichtet. Dieser wäre, so meinen die Herausgeber, generell ohne Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten und den Rückgriff auf Immigranten, die "willig waren", diesen Wandel mit zu tragen, nicht möglich gewesen. Die Migranten mussten auf Sicherheiten verzichten und Risiken eingehen, um sich in Europa ökonomisch durchzusetzen bzw. ihr Überleben zu sichern. Im öffentlichen Diskurs sind diese Prozesse unter den Begriffen Flexibilität und Mobilität am Arbeitsmarkt bekannt. Neben allen anderen Einwanderungsgruppen sind insbesondere bei asiatischen Migranten eine vermehrte Verbreitung von Formen selbständiger Arbeit (Entrepreneurship), teils mit sehr prekären Beschäftigungsformen (bspw. Pseudoselbständigkeit) sowie informelle Praktiken ("Schwarzmarkt") erkennbar.
Ein weiteres Argument der Herausgeber für die Spezifität des Themas bezieht sich auf das "Mitgebrachte" der Migranten. Da süd-, südost- und ostasiatische Regionen zu den mobilsten weltweit gehören, bringen diese Migranten unter anderen Ressourcen auch besondere Mobilitätserfahrungen (und "sozialisierte" Flexibilität) mit. Migranten, welche aus Asien nach Europa wandern (dazu werden Sri Lanka, Indien, China, Pakistan, Taiwan, Phillipinen, Indonesien und Vietnam gezählt) gehören daher zu jenem Teil der Migranten, welche insbesondere für diese neuen Muster kennzeichnend sind.
Vor dem Hintergrund dieses gegenwärtigen Wandlungsprozesses auf unterschiedlichen Ebenen - der von den Autoren diskutiert und unterschiedlich betrachtet wird - wird in den einzelnen Fallstudien die Frage beantwortet, warum sich bestimmte Dispositionen von Minoritäten in einem System bilden.
Einige theoretische Grundprinzipien finden sich in mehreren Beiträgen wieder. Was dem Leser durchweg vermittelt wird, ist, dass nun sowohl veraltete einseitige ökonomische Modelle als auch kulturalistische Erklärungsansätze zur Beantwortung dieser Frage nicht ausreichen. Einer der am häufigsten erwähnten theoretischen Zugänge in diesem Band, der für die Überwindung der bisherigen einseitigen Modelle steht, ist das von Kloostermann und Rath (2001) vorgeschlagene Konzept des Mixed Embeddedness. Es besagt, dass bei der Erfassung der Eingliederungsprozesse von Immigranten mehrere Dimensionen einbezogen werden müssen. Dazu gehören kulturelles und soziales Kapital von Migranten ebenso wie ökonomische Grundprinzipien internationalen Handels oder lokale Arbeitsmarktstrukturen. Auf dieses Konzept wird in fast allen Beiträgen in der einen oder anderen Weise Bezug genommen. Ohne das "Mitgebrachte" von Migranten zu verneinen, betonen Kloostermann und Rath die Relevanz des lokalen Einbettungskontextes d.h. die so genannten Opportunity Structures, welche Neuankömmlinge vorfinden.
Neu ist die weitgehend übereinstimmende Argumentation einer Scheinevidenz von ethnischen Merkmalen als Ursache für bestimmte Handlungsmuster von Migranten. Das Thema der ökonomischen Praktiken von Migranten, insbesondere jene, die in irgendeiner Form selbständig bzw. nicht angestellt arbeiten, war bisher durch kulturalistische Sichtweisen geprägt. In der Literatur zum Thema Immigrant Entrepreneurs wurden ethnische Gruppen mit bestimmten Handlungs- (und Handels-)mustern charakterisiert, die sich für ihre eigenen ("ethnisch geprägten") Praktiken adäquate ökonomische Nischen suchen.
Dennoch wird der Unterschied zwischen dem Mitgebrachten der Migranten (Ressourcen, Netzwerke, kulturelles Kapital) auf der einen Seite und dem vorgefundenen strukturellen Kontext des Ziellandes (und dessen politisch-ökonomisches bzw. Arbeitsmarktregime) auf der anderen Seite auf unterschiedliche Weise thematisiert, sodass man den Eindruck gewinnt, diese Dichotomie wird noch nicht ganz aufgehoben.
Einige ausgesuchte Beispiele sollen zeigen, welche unterschiedlichen Perspektiven von den Autoren eingenommen werden und wie sie insbesondere an das Konzept von Kloostermann und Rath und die genannten neuen Perspektiven anknüpfen.
Sehr kritisch gegenüber kulturalistischen Thesen ist der Beitrag von Mendor Ram and Trevor Jones über "Asian Business-strategies in the United Kingdom". Sie bezeichnen diese Thesen als Mystizismus in der Wissenschaft. Forscher würden damit ethnische Minoritäten von den ganz generellen Regeln sozialen Lebens immunisieren. Sie kritisieren dabei, dass Forscher, die von einer Geschlossenheit der Migranten-Community auf Vertrauensbasis und gesellschaftlicher Partikularisierung sprechen, ihre Aussagen selten durch ökonomische Expertise untermauern können, also wenig darüber wissen, wie Betriebsmanagement generell funktioniert. Den asiatischen Immigrantengruppen werden ein spezifisches Betriebsmanagement bzw. angeblich distinkte ökonomische Strategien schlichtweg unterstellt. Aus ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Sicht und ebenfalls in Anlehnung an das Konzept des Mixed Embeddedness verneinen sie die Abstammung von einer kulturspezifischen Veranlagung für Selbständigkeit und sehen den Rückgriff auf Selbständigkeit eher als einen Spiegel von begrenzten alternativen Möglichkeiten. Auch innerhalb des Immigrant Entrepreneurships sind die Möglichkeiten auf die am wenigsten einträglichen Sektoren der Wirtschaft begrenzt, die große Zahlen an marginalen Angestellten erzeugen, die oft dazu genötigt sind, ihre noch schlechter gestellten Co-ethnics auszunutzen. Sie verweisen auf die ökonomische Logik des jeweiligen Marktes, der genauso gut die Überzahl bzw. Bevorzugung von Co-ethnics als Angestellte erklären kann. Die Rekrutierung von Arbeitskräften beispielsweise beruhe auf einer Reihe von Eigenschaften, die man vorher in Betracht ziehen sollte, bevor man eine derart mystische These des ethnischen Vertrauens aufstellte. Es gehe beispielsweise um Sprache, um technische Expertise auf bestimmten Gebieten und andere nahe liegende Gründe wie bspw. dass Küchenchefs schlicht danach ausgewählt werden, ob sie etwas von authentischer Küche verstünden.
Maggi Leung diskutiert sehr konkret die Wechselwirkung von Mitgebrachtem und Vorgefundenem. Sie argumentiert am Beispiel von unterschiedlichen ökonomischen Sektoren in Deutschland, ("The working of networking. Ethnic networks as social capital among Chinese migrant businesses in Germany") in welchen Chinesen tätig sind, dass man nicht generalisierend über selbständig tätige Immigranten sprechen sollte, sondern über die jeweils sektor- oder firmenspezifischen Charakteristika, in welchen die Immigranten tätig sind und somit vor spezifischen Strukturen stehen, in solche eingebettet sind und sich in solchen zurechtfinden müssen. Sie sieht aber auch das "Typische von asiatischen Migranten". Insbesondere die chinesische Migration würde teils mit europaweit bestimmten, übergreifenden Mustern der Eingliederung verbunden sein und als die "am meisten globalisierte" beschrieben. Ihr starker Bezug zum Herkunftsland (transnational ties) sowie ihr Rückgriff auf "networks" stellen solche vielzitierten Muster dar. Leung hebt hervor, dass es sich um Prozesse handelt, in welchen individuelle Ressourcen und strukturelle Determinanten zusammenspielen und sich aus einem "Mixed Embeddedness of Immigrant Entrepreneurs" bestimmte Netzwerke bilden können.
Einige Fragen wirft der Beitrag "Asians on the Norwegian labour market: industrial concentration and self-employment carees" von Geir Inge Orderud und Knut Onsager auf. In ihrer Fallstudie führen die Autoren zunächst aus, welche theoretischen Konzepte um das Themenfeld "Immigrant Entrepreneurship" sie als relevant erachten, wie bspw. die Ethnischen Ökonomien (Light, Gold 2000), die Opportunity Structures (Waldinger 1990) und das Mixed Embeddedness (Kloosterman, Rath 2001) (S. 198). Überraschenderweise ordnen sie diese Konzepte nun in ein Modell von Angebot und Nachfrage ein. "The supply side represents the players and the resources they draw on in order to establish and operate their own businesses, while the demand side represents the structural embeddedness they operate within as entrepreneurs." (S. 213).
Sie meinen nun, dass der Fokus dieser drei Konzepte einmal auf der einen Seite und ein andermal auf der anderen Seite liegt. So würden Light und Gold eher die Ressourcen (z.B. soziales Kapital) fokussieren und Rath eher die vorgefundenen Strukturen. Eine Balance zwischen beiden scheint für sie theoretisch fruchtbar zu sein. Die Frage stellt sich nun, warum sie dann genau diese Konzepte, welche zwar unterschiedlich fokussieren, aber prinzipiell gerade darauf aufbauen, die Dichotomie zu überwinden, kritisieren, und letztlich wieder in ein dichotomes Modell einbauen.
Theoretisch gewinnbringend in Zusammenhang mit den genannten Konzepten ist schließlich der Beitrag von Felicitas Hillmann. Die Studie "Riders on the storm. Vietnamese in Germany`s two migration systems" ist ein Beispiel für empirisch fundierte, neue Thesen, die an das Konzept von Rath anknüpfen. Hillmann beschäftigt sich mit Vietnamesen in Deutschland und mit der Frage der konträren Entwicklungen der beiden Migrationssysteme Ost- und Westdeutschlands um schließlich die Situation der Vietnamesen am gegenwärtigen (vereinigten) Arbeitsmarkt am Fallbeispiel Berlins zu erklären. Durch die stark unterscheidenden Arbeitsmärkte und historischen Entwicklungen sind die Eingliederungswege von Migranten unterschiedlich, was laut Hillmann in der deutschen Migrationsforschung allgemein übersehen wurde. Es entwickelten sich zwei Communities, eine der Boat-People (Flüchtlinge des Vietnamkrieges nach Westdeutschland) und eine der ostdeutschen Vertragsarbeiter aus dem Vietnam der 1970er Jahre. Beide bleiben bis heute strikt getrennte Netzwerke, u.a. weil sie - aus der nationalen Geschichte Vietnams erklärbare - politische Ressentiments haben.
Nach dem Fall der Mauer wurde die Lage insbesondere für die ostdeutschen Vietnamesen prekär und viele remigrierten, teils freiwillig, teils auf Druck der Bundesregierung. Starke rassistische Übergriffe in den ersten Jahren der 1990er vermehrten sich. Die Wenigen, die blieben, wurden im Nahrungs- und Kleinhandelsektor selbständig. Eine Selbständigkeit, welche meist sehr prekäre Lebensverhältnisse bedeutet, war und ist die einzige Möglichkeit, Arbeitslosigkeit zu vermeiden und notwendig um weiterhin eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen.
Hillmann verdeutlicht auch, wie wenig erforscht asiatische Migranten im Vergleich zu anderen Migrantengruppen in Deutschland sind. Ihr Fall kann generalisiert werden für die Migrationsforschung in Europa.
Generell gibt es wenig Wissen über asiatische Migration nach Europa welche durch veränderte Migrationsmuster und neue Formen ökonomischer (Überlebens-) Strategien gekennzeichnet ist. Das Repertoire an Fallstudien bildet einen guten Ansatzpunkt für die weitere Erforschung asiatischer Immigrationsprozesse in Europa. Dabei wäre es sicherlich sinnvoll, sich zukünftig auf gemeinsame Begrifflichkeiten zu beziehen und theoretische Konzepte durch die unterschiedlichen empirischen Befunde weiter zu entwickeln. Der Schwerpunkt auf Westeuropa in diesem Buch könnte durch weitere Studien in osteuropäischen Ländern zukünftig noch sinnvoll ausgeweitet werden.
Wichtig ist die Abstandnahme von der Frage, was ist das typisch Chinesische und die Distanzierung von einer Auffassung eines "Chineseness" hin zu einer ganzheitlichen Beschreibung unterschiedlicher Prozesse von Eingliederung, Einbettung und Community-bildung. Mit dem Buch wurde ein wichtiger Schritt getan, um das Ethnisierungsparadigma durch fallnahe Analysen wieder etwas zu entmystifizieren.
Nur vereinzelt wurde die Forderung an die Autoren, eine Genderperspektive einzu-nehmen, eingelöst. Die Variable Geschlecht wird zwar in allen Beiträgen als Variable berücksichtigt, und erwähnt, wie viele Frauen und Männer Migranten sind. Eine Auseinandersetzung mit Veränderungen von Geschlechterrollen im Kontext des gesellschaftlichen Wandels und sozialer Ungleichheiten (bzw. der Verschiebung sozialer Ungleichheiten), wie sie eine Genderforschung verlangen würde, wird bis auf einige Ausnahmen (z.B. Hillmann), nicht durchgeführt, es sei denn, weibliche Migrantinnen sind die gewählte Untersuchungsgruppe, (z.B. Ahmad, Lissenburgh, Tariq Modood, Ribas-Mateos, Oso, Mozère).
Unabhängig davon, ob die einzelnen Fälle dieser und anderer Forderungen der Herausgeber folgten, bietet der Sammelband ein gutes Bild des aktuellen Forschungs-standes und füllt damit eine seit langem bestehende Lücke.
Literatur
Kloostermann, Robert, Jan Rath 2001: Immigrant Entrepreneurs in advanced economies: mixed embeddedness further explored". Journal of Ethnic and Migration Studies, 27 (2), S. 18-201.
Light, Ivan, Steven J. Gold 2000: Ethnic Economies. San Diego CA.
Waldinger, R. 1990: Ethnic Entrepreneurs. Immigrant Business in Industrial Societies. London.
Autorin: Rixta Wundrak