Neil M. Coe, Philip F. Kelly, Henry W.C. Yeung: Economic geography. A contemporary introduction. Oxford 2007. 426 S.

Die Lektüre neuer Standardwerke von namhaften Fachkollegen des angelsächsischen Raums ist in mehrerlei Hinsicht inspirierend und spannend für deutschsprachige Wirtschaftsgeographen: Zum einen finden sich hier Hinweise auf zukunftsweisende fachwissenschaftliche Trends (gemäß einer nicht von der Hand zu weisenden Vorreiterrolle der britischen Geographie). Zum anderen lässt sich aus der Art der ausgewählten Information und ihrer Darstellung sowie dem Duktus der Vermittlung als bedeutsam eingestufter Inhalte vieles über "Kulturen" der Behandlung wirtschaftsgeographischen Wissens in verschiedenen Sprachräumen lernen.

Vor diesem Hintergrund ist die Lektüre des vorliegendenWerks als eye opener sehr zu empfehlen, und dies nicht nur für die primär angesprochene Leserschaft der Studierenden im Undergraduate-Bereich. Was den erstgenanntenAspekt betrifft, sind die Autoren deutlich vom cultural turn und einer akteursbezogenen Sicht geprägt bzw. verschränken sozial- und wirtschaftsgeographische Zugänge, ohne jedoch die faktischen Grundlagen und Realitäten ökonomischer Prozesse im Raum aus dem Blick zu verlieren. Die argumentative Bandbreit ist beachtlich: Neben grundlegenden Mechanismen wirtschaftsräumlicher (Ungleich-)Entwicklung und ihren Einflussfaktoren werden auch Themenfelder wie Umweltschutz, gender und Ethnizität als raumwirksame Determinanten behandelt, die bei uns noch eher in der Spezialliteratur als in wirtschaftsgeographischen Standardwerken ihren Platz haben. Ausgewogenheit und Vielfalt kommen auch in der Struktur des Buches zum Ausdruck. Nach grundlegenden konzeptgeleiteten Erläuterungen zur wirtschaftlichen bzw. wirtschaftsräumlichen Entwicklung werden wichtige Faktoren aktueller Dynamik vorgestellt: Produktionskette (commodity chain), neue Technologien und Wirtschaft-Umwelt-Interaktionen. Es folgt die Betrachtung verschiedener raumprägender Akteursgruppen wie Staat, (transnationale) Unternehmen, Arbeitskräfte und Konsumenten. Kulturelle und soziale Aspekte werden in eigenen Kapiteln thematisiert, darunter die "Kulturen" von Akteuren und Raumeinheiten, geschlechtsspezifische sowie ethnische Prägungen wirtschaftsräumlicher Strukturen und Prozesse. Was den zweitgenannten Aspekt der "Vermittlungs-Kultur" wirtschaftsgeographischen Wissens betrifft, bietet das Buch durch seine mit zahlreichen Geschichten, Fallbeispielen, Illustrationen und Zitaten durchsetzte Darstellung ein deutliches Kontrastprogramm zum stringenten, auf das Essentielle konzentrierten Schreibstil deutscher Grundlagenwerke. Doch wird auch hier die Essenz aufbereitet, oft in eigenen boxes zusammengefasst. Jedes Kapitel nennt eingangs konkret die beabsichtigten Lernziele und listet am Ende nicht nur weiterführende Literatur und Internetlinks auf, sondern auch Kontrollfragen zum Testen des erworbenen Wissens. Die für angelsächsische Kollegen typische lockere Schreibe macht die Lektüre zu einem Lesevergnügen, mag jedoch Studierenden etwas erschweren, hinter den Beispielgeschichten die übertragbaren Zusammenhänge zu erfassen. Letztlich ist das Buch nicht als Ersatz für deutschsprachige Werke der Wirtschaftsgeographie, wohl aber als illustrative Ergänzung dazu bestens geeignet. Es breitet ein Kaleidoskop anschaulicher Ausschnitte der wirtschaftsräumlichen Wirklichkeit aus und verknüpft sie mit wichtigen prinzipiellen Aussagen. Allerdings lässt es manchen bei uns als grundlegend betrachteten Ansatz völlig außer Acht (z.B. Produktlebenszyklus, Standortfaktoren) und geht, bei Vernachlässigung der grundlegenden Indikatorik zur Beschreibung und Analyse von Wirtschaftsräumen, etwas am Bedarf einer berufsorientierten Geographenausbildung vorbei. Vom breiten Horizont, thematisch wie räumlich verstanden, können aber Studierende wie Lehrende nur profitieren.
Autorin: Martina Fromhold-Eisebith

Quelle: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie Jg. 52 (2008) Heft 2/3, S. 187-188