Cordula Neiberger, Heike Bertram (Hg.): Waren um die Welt bewegen. Strategien und Standorte im Management globaler Warenketten. Mannheim 2005 (Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung 11). 127 S.
Der Sammelband widmet sich dem Wandel des Speditions- und Transportgewerbes von einer simplen Güterverkehrsbranche hin zu komplexen logistischen Dienstleistungsunternehmen, der sich seit rund zwei Jahrzehnten vor dem Hintergrund von Deregulierungs-, Privatisierungs- und Globalisierungsprozessen vollzieht.
Heike Bertram und Axel Neher geben in den beiden ersten der insgesamt sieben thematischen Beiträge einen einführenden Überblick über die Literatur zu globalen Warenketten, den daraus abzuleitenden Folgen für die Logistik globaler Produktion und den resultierenden Anforderungen, die den Wandel des Transportgewerbes zum Logistiksektor bestimmen. Sie leisten eine gute Rahmung für die kommenden Fallstudien, sieht man von sprachlichen Ungenauigkeiten, die konzeptionelle Unschärfen spiegeln, ab (z.B. lautet einer der Zwischentitel bei Bertram: „Von der internationalen Arbeitsteilung zu Global Commodity Chains“ – als ob es jemals eine internationale Arbeitsteilung ohne globale Güterketten gegeben hätte!). Im zweiten und dritten Teil finden sich Fallstudien zur Reorganisation von Post- und Bahnunternehmen, zur Luftfrachtspedition, zur Privatisierung und Internationalisierung von Flughafenbetreibern sowie zur Internationalisierung von Seehäfen. Alle Beiträge sind informativ und gehen über die reine Beschreibung der Veränderung in der jeweils angesprochenen Branche hinaus.
Christoph Dörrenbächer etwa thematisiert neben der Reorganisation von Post- und Bahnunternehmen auch die damit verbundenen politischen Strategien dieser Unternehmen (z.B. die Europäisierung der Interessensvertretung) und Cordula Neiberger diskutiert die unterschiedlichen Arten der Internationalisierung von Luftfahrtspeditionen vor dem Hintergrund ihrer jeweils spezifischen Einbindung in Unternehmensnetzwerke und deren geographische Reichweite. Dem Beitrag von Michael Hollenhorst kann eine gewisse Euphorie des Autors über die Privatisierung von Flughäfen entnommen werden, während Helmut Nuhn im abschließenden Beitrag deutlich differenziert. Nuhn schreibt von einer insgesamt negativen Einschätzung der Privatisierung von Seehäfen, hält dem aber positive Effekte der Deregulierung entgegen. Der Band enthält schließlich auch noch zwei Beiträge von „Vertretern aus der Praxis“ (Vorwort) – Stephan Lammers und Micha Neubauer beschreiben die Logistik-Konzepte von Philips Consumer Electronics GmbH, Dietrich von Helldorf die Internationalisierung des Speditionsunternehmens Kühne + Nagel. Solche Beiträge sind gleichermaßen interessant wie problematisch. Sie sind zweifelsohne informativ, aber ebenso selbstverständlich sollte es sein, dass ein Text in einer wissenschaftlichen Reihe mehr sein sollte als die Selbstbespiegelung eines Unternehmens. Die „maximale Kostenreduktion“ (Lammers und Neubauer, S. 50) bei Philips bzw. die „erfolgreiche Internationalisierung“ von Kühne + Nagel oder die „notwendigen Rationalisierungen“ (von Helldorf, S. 89f.) nur aus der Sicht des Unternehmens darzustellen, grenzt an Missbrauch des wissenschaftlichen Diskurses zur Agitation, zumal im Band andere betroffene Akteure (z.B. Gewerkschaften) nicht zu Wort kommen.Autor: Christof Parnreiter