Sabah Alnasseri: Periphere Regulation. Regulationstheoretische Konzepte zur Analyse von Entwicklungsstrategien im arabischen Raum. Münster 2003. 265 S.

Verf. versteht seine Arbeit als Beitrag zur Reformulierung der Regulationstheorie aus einer peripheren Perspektive (9). Im Zentrum stehen die Begriffe Artikulation und ursprüngliche Akkumulation. Sein im Wesentlichen von Althusser, Balibar und Poulantzas inspiriertes Verständnis dieser Begriffe entwickelt er anhand einer kritischen Rekonstruktion der Debatten um die Begriffe Produktionsweise, Gesellschaftsformation, vorkapitalistische und asiatische Produktion.

Ausgehend von der These, dass es "keine vor-, prä- oder außerkapitalistische Produktionsweisen/formen, sonder nur nichtkapitalistische" gibt (85), wird unter Artikulation die Gliederung verschiedener Produktionsweisen "unter der Dominanz einer bestimmten Form" (88) begriffen. Unter ursprünglicher Akkumulation versteht Verf. "kein vergangenes, ursächlich wirkendes [...], sondern ein gegenwärtig-zukünftiges Moment" (82). Zu jeder historischen Formation gehört "eine bestimmte Form der ursprünglichen Akkumulation" (84). Es gelte, die Ausblendung dieser beiden Aspekte durch die Fokussierung der Regulationstheorie auf "historische Fundsachen" (Lipietz) zu überwinden. Verf. beansprucht die Analyse der Peripherie vom "Gespenst des Fordismus" zu befreien, denn der "Fordismus ist nicht die Formation der kapitalistischen Produktionsweise, sondern der metropolitanen Gesellschaftsformationen" (89). Das Defizit regulationstheoretischer Untersuchungen peripherer Gesellschaften (138ff) sei die Analyse der "Entwicklungen der Peripherie aus einem fordistisch-nationalen Blickwinkel" (154), eine Vernachlässigung globaler Herrschaftsverhältnisse und die Ausblendung kolonialer/imperialistischer Verhältnisse. Mit Poulantzas' Konzept der imperialistischen Kette und der Weltsystemtheorie könnten diese Defizite "insofern aufgehoben werden, als in diesen Zusammenhängen sowohl die formelle Subsumtion als auch die Artikulation der spezifischen kapitalistischen mit nichtkapitalistischen Produktionsweisen thematisiert werden" (84). Die Artikulation der Produktionsweisen versteht Verf. als institutionelle Form, "weil das Artikulationsverhältnis ein strukturelles Merkmal des Kapitalverhältnisses als Herrschaftsverhältnis und somit ein konstitutives Element der Reproduktion/Regulation darstellt" (216).
Da es im Sinn der Regulationstheorie notwendig ist, "aufgrund von konkreten (historischen wie räumlichen) Analysen die Konzepte wie die Begrifflichkeiten" zu entwickeln und nicht a priori zu setzen (167), wird versucht, solche Konzepte für eine Analyse des arabischen Raums am Beispiel Algeriens zu entwickeln. In einem ersten Schritt (171ff) zeichnet Verf. die Entwicklung Algeriens von den Anfängen des französischen "Engagements" im 16. Jh. bis hin zum Militärputsch von 1965 nach und befasst sich besonders mit den politischen Kämpfen, die über weite Strecken von der "fehlenden Hegemonie einer Klasse/Fraktion über die anderen" (184) bestimmt waren. Die algerische Entwicklungsstrategie müsse als ungleichgewichtiger Kompromiss einer Reihe nationaler wie internationaler Kräfte verstanden werden, der zur Durchsetzung einer "kollektivistisch-klientelistischen Regulationsweise" und zu einem "etatistischen Akkumulationsregime" geführt habe (193ff). Letzteres, Ende der 1970er Jahre in die Krise geraten, wird von Verf. als "extensiv-extrovertiert" charakterisiert, da "die Veränderungen im Arbeitsprozess kaum begleitet waren von Veränderungen der Lebensweise der Lohnabhängigen" (217).
Verf. scheut eine klare Zuspitzung in der Auseinandersetzung. Dies hätte ihm nicht nur ermöglicht, die eigene Position deutlicher hervorzuheben, sondern auch seinem Hauptanliegen, der Entwicklung von regulationistischen Konzepten zur Analyse eines peripheren Raums gut getan, das sich nun auf ein knappes Viertel des Buches ›beschränkt‹. Zu vermissen ist außerdem, abgesehen von dem (nur anhand von Sekundärliteratur vorgestellten) Ansatz Ominamis, die Berücksichtigung von Beiträgen aus Lateinamerika, die sich nicht nur mit der Artikulation von nicht-kapitalistischen und kapitalistischen Produktionsweisen befassten (Aboites 1989), sondern auch aus regulationstheoretischer Sicht dem für Peripherien zentralen Thema informeller Arbeitsmärkte nachgingen (Huancune Rosas 1991). Die Kritik an der Verallgemeinerung des Fordismus als der Referenzfolie zur Analyse kapitalistischer Gesellschaftsformationen ist dennoch ein wichtiger Beitrag zur Reformulierung der Regulationstheorie.
Autor: Markus-Michael Müller

Quelle: Das Argument, 46. Jahrgang, 2004, S. 912-913