Stefanie Nau: Lokale Akteure in der Kubanischen Transformation: Reaktionen auf den internationalen Tourismus als Faktor der Öffnung. Ein sozialgeographischer Beitrag zur aktuellen Kuba-Forschung aus emischer Perspektive. Passau (Passau Passauer Schriften zur Geographie 25) 2008. 157 S.

Die Erkrankung des Maximo Lider Fidel Castro und die Übergabe der Amtsgeschäfte an seinen Bruder Raúl sowie die Versuche der neuen US-Regierung, Schritte zur Normalisierung des schwierigen Verhältnisses beider Staaten einzuleiten, haben das internationale Interesse an den Entwicklungen in Kuba wieder belebt. Die Publikationen zum Transformationsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Volkswagenstiftung liegen nun schon eine Weile zurück, insofern schlägt man die Dissertation von Stefanie Nau mit einiger Neugier auf. Nach der Einleitung wird ein Überblick zur aktuellen Literatur gegeben. Diese wird leider nur sehr unvollständig wiedergeben. Die aus dem Transformationsprojekt entstandenen Sammelbände werden ebensowenig zitiert wie der bibliographische Überblick, der vor wenigen Jahren in ,Iberoamerikana' erschien! Auch die Literatur zum Tourismus in Entwicklungs- und anderen Transformationsländern (etwa des ehemaligen Ostblocks) wird nicht oder nur unzureichend zur Kenntnis genommen, stattdessen liegt der Fokus mehr auf der methodischen Entwicklung der Tourismusgeographie. Dies leitet auf das dritte, "wissenschaftstheoretische" (gemeint ist: methodologische) Kapitel über. Darin führt die Autorin ihren lebensweltlichen Ansatz aus, der mit der schon etwas in die Jahre gekommenen wahrnehmungstheoretischen Perspektive, Handlungstheorien und der Netzwerkanalyse ergänzt wird. Dass Feldforschung in Kuba ein schwieriges Unterfangen ist, insbesondere auch wenn qualitative Methoden angewandt werden, wird überzeugend in Kap. 4 dargelegt. Es folgt eine Darstellung der Wirtschaftsgeschichte Kubas, die freilich wenig Neues bringt. Es ist schade, dass sich die Autorin nicht auf die Ergebnisse des Transformationsprojektes bezieht. Inzwischen ist etwa ein Jahrzehnt verstrichen, und so hätte eine Gegenüberstellung der damaligen Ergebnisse und Erwartungen mit dem heutigen Stand erhellend sein können. Die Darstellung der Feldarbeit nimmt dann etwa die Hälfte des Textes ein. Und dieser Teil ist - auch wegen der vielen wörtlichen Zitate aus den Interviews - recht lebendig geschrieben und bietet den Leserinnen und Lesern viele neue Einsichten. Diese müssen freilich vielfach selbst weitergedacht werden, da die Interpretationen sehr knapp ausfallen und auch nicht mit den vor allem in den Kulturwissenschaften diskutierten Theorien in Verbindung gebracht werden. Die Arbeit von Bettina Nagl in der Reihe "investigaciones", in der übrigens auch ein aufschlussreicher Band über die kubanische Frau erschien (beide Arbeiten sind ebenfalls nicht zitiert) hätte vermutlich befruchtend wirken können. Die Interviews wurden in La Habana, in Santiago de Cuba und in Viñales bzw. Piñar del Río geführt - die Ergebnisse ähneln sich. Es wäre sicher aufschlussreich gewesen, auch Varadero einzubeziehen, dort sind die Auswüchse des Tourismus sicher am stärksten. Was bleibt? Gewiss ist der Einsatz der Autorin, die ihre Feldarbeiten in nur zwei Monaten durchführte, zu loben. Ihm verdanken wir viele neue Einsichten in die Lebenswelten Kubas. Diese erschließen sich aus den vielen wörtlichen Zitaten, doch werden sie leider nicht in einen größeren und theoretischen Kontext gestellt.
Autor: Axel Borsdorf

Quelle: Die Erde, 140. Jahrgang, 2009, Heft 2, S. 221-222