Bastian Lange: Die Räume der Kreativszenen: Culturepreneurs und ihre Orte in Berlin. Bielefeld 2007. 339 S.
Die Begriffe „Kreativität“ und „Kreativwirtschaft“ sind in den letzten Jahren zu populären Schlagwörtern in der Geographie geworden. Insbesondere solche urbanen Räume, an denen der Puls der Zeit in Trends und Styles sichtbar und erlebbar zu Tage tritt, werden als bevorzugte Orte der Kreativwirtschaft thematisiert. Aufgrund der Vielzahl und Vielfalt kultureller Einrichtungen, der Toleranz gegenüber unterschiedlichen Lebensstilen sowie ihrer Internationalität wird lebendigen Metropolen ein entscheidender Vorteil im internationalen Wettbewerb um die talentiertesten, qualifiziertesten und kreativsten Köpfe zugeschrieben.
Am Beispiel der Design-Branche in Berlin setzt sich die vorliegende Studie nun zum Ziel, die kreativen Akteure in ihrer Eigenschaft als Kultur- und Symbolproduzenten bezüglich ihrer Verortungspraktiken zu analysieren. Welche urbanen Orte brauchen sie oder stellen sie in Ermangelung geeigneter selbst her? Dabei wird der Integration der Akteure mit kreativen Professionen in spezielle Szenen besondere Bedeutung beigemessen. Nach einer kurzen Beschreibung der Untersuchungsbranche wird ein umfassender konzeptioneller Rahmen entworfen, der insbesondere auf Ansätzen und Forschungsfragen aus dem Umfeld des „Cultural Turn“ aufbaut. Das komplexe theoretische Fundament wird in eine Empirie, bestehend aus nur vier Fallstudien einzelner Unternehmen, überführt. Es ist durchaus interessant zu lesen, dass die vier vorgestellten Fälle im Zuge ihrer Unternehmensgründung Praktiken gezeigt haben, die sicher nicht konform zu den herkömmlichen Vorstellungen von Berufs- und Arbeitswelten sowie der Gestaltung und Nutzung von Arbeitsräumen sind. Entsprechend wird innerhalb einer Fallstudie thematisiert, dass die bestehenden staatlichen Förderprogramme mit ihren hergebrachten Logiken die kreativen Personen in der Regel nicht erreichen. Jedoch entfaltet die Empirie nach dem langen konzeptionellen Vorspann nicht die erhoffte Überzeugungskraft. Das liegt nicht nur an der sehr geringen Zahl der Fallstudien. Die häufigen Passagen aus der wörtlichen Transkription der Interviews lassen die Darstellung zwar authentisch wirken, jedoch offenbaren sich die abgedruckten Zitate bei den ersten drei Fällen als ein sprunghaft formuliertes Durcheinander, aus der sich die anschließenden Interpretationen nicht schlüssig ableiten oder gar belegen lassen. Ein Textauszug mag dies exemplarisch verdeutlichen: „IP (Interviewpartner): Also ich denk, dass die – , das ist so offensichtlich, dass das in die Gesellschaft oder auch in so ‘ne Struktur passt, ja. Dass man, das – , also in ‘ner sehr medialisierten Gesellschaft, dass es da einfach auch ‘nen anderen medialen Umgang mit Bildern gibt, der zwar eher aus ‘m Independent – oder aus ‘nem, also Independent ist immer so ‘n schwieriger Bereich, oder aus ‘ner...“ (S. 215). Unmittelbar an dieses Zitat des Interviewpartners folgt die folgende Interpretation: „Die Aussage liefert zum einen ein Argument für die Potenzialität der eigenen Produkte. Zum anderen verweist die Rechtfertigung auf latente strukturelle Schwierigkeiten der Transferierung der im Clubmilieu erfahrenen und erlernten Umgangsweisen mit neuen Medien in neue Struktursituationen“ (S. 215f.). Zudem ist unklar, warum bei den ausgewählten Interviewpassagen innerhalb der vierten Fallstudie das mehrfach mitprotokollierte „mh“ des zuhörenden Autors in den Text übernommen wurde, da hier unklar ist, ob die Laute an der betreffenden Stelle zustimmend oder fragend gemeint sind. Wenig Überzeugungskraft geht auch von den weiterhin vorgenommenen Feldprotokollen und den Mikrokartierungen der jeweiligen Büroräume aus. Im Text wurde dies als multiperspektivische Vorgehensweise zur Felddatengewinnung angekündigt und dadurch meiner Meinung nach überbewertet. Die Betitelung der untersuchten Fälle als „Entdecker, Narrateure und Designer des neuen ,Berlins‘ (Fall I)“ , als „Planformer (Fall 2)“, als „Microglobalizer (Fall 3)“ sowie als „Transformatoren und Reflektoren (Fall 4)“ hat sich mir aus der Darstellung heraus nicht hinreichend erschlossen und es drängt sich die Frage auf, wie repräsentativ die einzelnen Fälle innerhalb der Gesamtgruppe der über 1153 Designbüros in Berlin sind und auf welche Weise die Auswahl der vier Fälle letztlich zustande kam.
Autor: Ivo Mossig