Eva Dick: Residential Segregation - stumbling block or stepping stone? A case study on the Mexican population of the West Side of St. Paul, Minnesota, USA. Münster u.a. (Politics, Society and Community in a Globalizing World, Vol.7) 2008. 341 S.
Hintergründe und Wirkungsweisen residentieller Segregation sind von hoher Brisanz im politisch-planerischen und wissenschaftlichen Diskurs. Die Mechanismen der sogenannten Quartierseffekte (Stolper- oder Trittstein?) sind aber dennoch empirisch bislang noch unzureichend analysiert und belegt. Hier knüpft die Veröffentlichung der Diss. von Eva Dick an und fragt nach der Bedeutung ethnischer Netzwerke und des sozialen Kapitals für die Bewertung residentieller Segregation.
Als Fallbeispiel wird der traditionelle Einwanderungsstadtteil West Side in St. Paul im Nordwesten der USA gewählt. In diesem ethnisch und sozioökonomisch heterogenen Stadtteil machen mexikostämmige Bewohner knapp ein Drittel der Bevölkerung aus.
Ausgangspunkt der qualitativen Feldforschung und Analyse ist die Feststellung der Autorin, dass - insbesondere das US-amerikanische - Literaturspektrum überwiegend von einer recht kritischen Sicht auf residentielle Segregation und der hieraus resultierenden politischen Forderung nach desegregierenden Ansätzen geprägt ist. Sie verweist eindringlich auf den politisch-planerischen und gesellschaftlichen Widerspruch zwischen dem Ziel einer heterogenen Zusammensetzung der Quartiersbevölkerung und einer Verbesserung der Chancengleichheit, die sich auch in der Wahlfreiheit hinsichtlich des Wohnstandorts ausdrückt. Die Autorin sucht in ihrer Arbeit Antworten auf die Frage, wie residentielle Segregation auf das soziale Kapital und die räumliche Mobilität der dort lebenden mexikostämmigen Bevölkerung wirkt. Ihr Diskussionsansatz gründet auf Bourdieus Kapitalkonzept, sie argumentiert für eine Erweiterung dieses Konzepts um die subjektive Bewertung der Lebenszusammenhänge und den Eigenwert sozialer Netze der Quartiersbewohner. In ihrer Untersuchung setzt sie einen wichtigen Akzent, indem sie folgerichtig die individuellen Sichtweisen der Bewohner zu einem zentralen Ausgangspunkt ihrer Analyse und Bewertung ethnischer Segregation macht.
Die Interviews, die mit Mitgliedern mexikostämmiger Haushalte geführt wurden, geben Hinweise darauf, unter welchen Rahmenbedingungen bindendes Sozialkapital (bonding capital im Sinne von Robert Putnam) formeller und informeller Netze auch überbrückende Wirkung (bridging potential) entfalten kann. Die Fallstudie als Herzstück der Arbeit macht neugierig auf noch tiefere Einblicke sowie die Reflexion des möglichen Dilemmas zwischen subjektiv gefühlter Lebensqualität der Bewohner und dem (in der Arbeit angerissenen) Risiko der Chancenverlusts beispielsweise durch institutionelle Defizite im Bildungsbereich. Deutlich wird, dass überbrückende Potenziale auf institutionelle, politische und soziale Unterstützung angewiesen sind. Von der Autorin wird ein erstes Indikatorenset zur Bewertung der Rahmenbedingungen segregierter Quartiere entwickelt, dass es sicherlich noch auszudifferenzieren und zu überprüfen gilt.
Die vorliegende Arbeit verschafft dem Leser einen guten und kritisch-reflektierten Überblick über das Thema sowie über den politischplanerischen Umgang mit Segregation in den USA. Die gelungene Synthese von theoretischem Rahmen und empirischen Befunden wird abgerundet durch Folgerungen und politische Handlungsempfehlungen, die wichtige Impulse auch für den Diskurs in Deutschland liefern können.
Autorin: Heike Hanhörster