Martin Schreiner: Multimodales Marketing nachhaltiger Mobilität als Teil integrierten Mobilitätsmanagements. Mannheim 2007 (Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung 18). 177 S.

Die Möglichkeiten der Beeinflussung individuellen Verkehrshandelns im Sinne eines nachhaltigen Mobilitätsmanagements ist ein seit einigen Jahren in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion stehendes Thema. Das Problem der Entwicklung eines solchen Mobilitätsmanagements ist nach Martin Schreiner das Fehlen eines alle Verkehrsmittel erfassenden Marketingkonzepts sowie ein nach gemeinsamen Zielen strebender "Markt" nachhaltiger Mobilität.

Martin Schreiner geht in seiner vorliegenden Dissertation somit der Frage nach, ob es dennoch möglich ist, marktwirtschaftliche Marketingtheorien auf einen "Markt" nachhaltiger Mobilität anzuwenden und eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, um als Anbieter nachhaltiger Mobilitätsdienstleistungen eine Alternative zum privaten Auto sein zu können. Ziel der Arbeit ist es, das bisher genutzte technische Management der Verkehrssysteme um den Marketingbegriff zu erweitern und damit nachhaltige Mobilität im Sinne eines integrierten Mobilitätsmanagements offensiv und direkt durch Maßnahmen zu unterstützen und durch ein umfassendes Marketingkonzept zu ergänzen. Dieses Ziel verknüpft Schreiner als derzeitiger Koordinator des Mobilitätsmanagements der Stadt München mit der praktischen Umsetzung eines Marketingkonzepts am Beispiel der Stadt München.
Die Arbeit dokumentiert diesen Konzeptionsverlauf in drei Abschnitten. Das zunächst theoretisch erstellte Konzept (Kap. 1 bis 4), wird in einem zweiten Abschnitt ergänzt um Ergebnisse zweier empirischer Untersuchungen (Kap. 5) und schließlich in einem dritten Abschnitt auf die Stadt München praktisch übertragen, anschließend evaluiert und hinsichtlich einer möglichen Übertragbarkeit auf andere Regionen bewertet (Kap. 6 bis 8).
Nach einer kurzen Einführung (Kap. 1) geht der Autor im ersten Abschnitt auf den Begriff des Mobilitätsmanagements (Kap.2) ein und entwickelt seine eigene Definition, die neben einer im Vergleich zu anderen Definitionen sehr konkreten Formulierung der Zielstellung (Reduktion des KFZ-Verkehrs), Maßnahmen (gezielte Information, Beratung, Motivation und Bildung) und Zielgruppen (Bürger, Gäste, Unternehmen) beschreibt. Demnach stellt ein multimodales Mobilitätsmanagement die Erweiterung des bestehenden Konzepts technischen Managements der Verkehrssysteme durch ein Marketing nachhaltiger Mobilität dar. Wie ein solcher Marketingbegriff für den - für Prozesse des Marketings neuen und sensiblen - verkehrspolitischen Bereich nachhaltiger Mobilität aussehen kann, stellt Schreiner anschließend vor (Kap. 3). Die von ihm gewählte theoretische Grundlage für ein Idealkonzept eines Marketings nachhaltiger Mobilität bildet das "Modell des wertschaffenden Ablaufs" nach Philip Kotler (2001), das Schreiner folgend ausführlich erläutert. Marketing ist Kotler zufolge ein Prozess, in dem Beteiligte (Einzelpersonen, Gruppen) durch die Erzeugung, das Anbieten und den Austausch von Produkten ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen und somit weniger als Einzelakteure nach Gewinn streben. Anschließend erfolgt die Ausarbeitung der theoretischen Anforderungen eines zeitlich, inhaltlich und organisatorisch strukturierten Ablaufs einer Marketingstrategie nachhaltiger Mobilität (Kap. 4). Zudem werden die ideale Organisation und Einbindung der Marketingfunktionen in einem durchführenden Unternehmen sowie die notwendige Einbindung wichtiger Akteure thematisiert. Hier zeigt sich erneut die besondere und für die Umsetzung schwierige Stellung eines Marktes nachhaltiger Mobilität durch eine Vielzahl von Anbietern verschiedener Produkte und Dienstleistungen, einem nur in Ansätzen vorhandenen Marketing sowie der besonderen Stellung der öffentlichen Hand als Kunde, Anbieter und Vertreter der Bürgerinteressen, die damit dem Autor zufolge eine koordinierende Rolle einnehmen sollte.
Im Anschluss an die theoretischen Grundlagen stellt der Autor im zweiten Abschnitt der Arbeit ergänzend die in zwei empirischen Untersuchungen aus Sicht von Experten (23 europaweit durchgeführte Experteninterviews) sowie aus Kundensicht (quantitative Befragung Münchner Bürger) gewonnenen Anforderungen vor. Somit wurden Erfahrungen anderer Städte sowie die Bedürfnisse der Münchner Bürger in die Umsetzung mit einbezogen (Kap. 5).
Im dritten Abschnitt überträgt Schreiner das bis zu diesem Punkt aus theoretischen und praktischen Anforderungen entwickelte Marketingkonzept nachhaltiger Mobilität in zwei Stufen auf die Situation der Stadt München (Kap. 6). Unter der Koordination der Stadt wurden zunächst in sechs themenspezifischen Projektgruppen (Neubürger, Schulen, Veranstaltungen, Bauleitplanung, Mobilitätsportal im Internet und Unternehmen) im Rahmen von Pilotprojekten erste Konzeptentwürfe erprobt und evaluiert. Die Schaffung eines Planungsinstruments erfolgte in einer zweiten Stufe durch die Erweiterung um einen regionalen Beirat sowie des Verkehrsmanagements zu einem gesamten Verkehrs- und Managementplan (VMP). Empfehlungen für eine mögliche Finanzierung sowie ein Personalkonzept und Hinweise zur politischen Durchsetzbarkeit runden das vorgestellte Mobilitätskonzept ab. Die vom Autor nachfolgend (Kap. 7) diskutierten Möglichkeiten der Übertragbarkeit des in München unter günstigen Voraussetzungen (politische Mehrheitsverhältnisse, umfangreiches Angebot nachhaltiger Mobilitätsdienstleistungen, hohe Wirtschaftskraft, wachsende Bevölkerungszahl) entwickelten Konzeptes auf einen anderen städtischen, politischen  und wirtschaftlichen Kontext sieht Schreiner positiv und regt auch für strukturschwache Regionen die Umsetzung einzelner Teilaspekte beispielsweise von Maßnahmen für Neubürger, Schüler und Jugendliche, Unternehmen sowie Senioren oder auch die Schaffung eines Mobilitätsportals an. In den abschließenden Überlegungen der Arbeit (Kap. 8) widmet sich Schreiner den Grenzen eines Marketings nachhaltiger Mobilität und damit einer gezielten Beeinflussung individuellen Verkehrshandelns und stellt die Frage nach der Rolle des Marketings für die Entwicklung einer nachhaltigen "Mobilitätskultur", einem internalisierten Bewusstsein für nachhaltiges Verkehrshandeln.
Martin Schreiner ist mit dieser Arbeit ein gut strukturiertes, überzeugendes und vor allem praxisnahes Buch zur Anwendung marktwirtschaftlicher Marketingtheorien auf den Markt nachhaltiger Mobilität gelungen. Durch den beruflich geschulten Blick Schreiners auf die Thematik wird das Interesse eines sowohl praktisch als auch theoretisch interessierten Lesers verkehrs- und wirtschaftswissenschaftlicher Schriften geweckt. Der Aufbau des Buches ist gut nachvollziehbar und es ist - trotz des teilweise mäßig redigierten Textes - ein deutlich zu empfehlendes Buch. Es zeigt ein gelungenes Beispiel eines erfolgreich umgesetzten Mobilitätsmanagementkonzepts. Zugleich ist es als Praxishandbuch zu verstehen, wie auch in anderen Regionen zumindest im Ansatz multimodales Marketing nachhaltiger Mobilität umgesetzt werden kann, um damit den Umweltverbund (auch in Bezug auf das Marketing) zu einer echten Alternative zum privaten Automobil werden zu lassen.
Autorin: Julia Probst

Quelle: Erdkunde, 62. Jahrgang, 2008, Heft 2, S. 182-183