Neue Ausgabe der geographischen revue erschienen

Die aktuelle Geographie ist vielfältig und zusagend. Wo vor einiger Zeit nur Landschaften, manchmal auch Wirtschafts-, Kultur- und Sozialräume mit ihren jeweiligen Geographien existierten, tummeln sich heute Räume alltäglicher Regionalisierungen, wahrgenommene Räume, gefühlte, affektive, identitätsbesetzte und viele andere Räume bzw. Geographien. Diese Geographien sind positiv, d. h. sie verstehen sich als Abbilder einer Vielfalt von real vorhandenen Räumen. Zugleich verstehen sich diese Geographien (oft) auch als gesellschafts- oder kulturkritisch.

Gerhard Hard feiert dieses Jahr seinen 80. Geburtstag. Seine Schriften zeichnen sich durch mancherlei Qualitäten aus; nur eines fehlt: Er war nie ein Vertreter einer positiven Geographie. Er gehört bis heute zu den wenigen Geographen, die statt dessen Wissenschaftskritik betreiben, d. h. zeigen, wie eine Wissenschaft sich ihre Gegenstände konstruiert und dabei oft vergisst (oder auch systematisch ausblendet), dass sie diese Gegenstände selbst geschaffen hat, aber glaubt, sie in der Wirklichkeit als solche vorgefunden zu haben.

Wissenschaftskritik als heute in der Geographie unterrepräsentiert zu bezeichnen, wäre eine nachgerade groteske Untertreibung; vielmehr ist sie als nicht existent anzusehen. Doch warum ist das so? Ist Wissenschaftskritik, wie sie auch Gerhard Hard betrieben hat und betreibt, heute obsolet? Ist der Fortschritt positiver Wissenschaft in einem Ausmaß wichtiger und attraktiver geworden, dass Kritik sich mit Notwendigkeit und auch zu Recht im wissenschaftlichen Abseits wiederfindet? Ja, ist das wissenschaftliche Arbeiten an einer besseren oder zumindest besser funktionierenden Gesellschaft nicht wesentlich bedeutsamer als eine übergenaue Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Axiomen, Theorien und Methoden?

Wohl kein anderer Geograph hat die Entwicklung des Faches über lange Jahre so kritisch begleitet wie Gerhard Hard. Wissenschaftskritik und Widerspruchsgeist zeichnen sein Werk aus, das viele Geographen immer wieder inspiriert und zu kritischem Denken angeregt hat, das aber auch viel Kritik erntete. Aus Anlass seines Geburtstags möchte sich die geographische revue von Neuem mit den Schriften Gerhard Hards auseinandersetzen und den Lesern mögliche Lesarten des Hardschen Werks vermitteln.

Im Vordergrund steht der Gedanke, was die heutige Generation von Hochschulgeographen von dem Werk lernen kann, oder aber was aus heutiger Sicht an ihm kritisch zu beurteilen ist.

                    
geographische revue, Jahrgang 16 · 2014 · Heft 1

Editorial

Essays
Jürgen Kriz: Aspekte „wissenschaftlicher“ Faktengläubigkeit – und ihr Nutzen

Hans-Dietrich Schultz: Fach unter Fächern oder was sonst? Eine disziplinhistorische Skizze zur deutschen Geographie


Wiedergelesen
Peter Dirksmeier: Der Begleittext der Revolution: Gerhard Hards „Die ‚Landschaft‘ der Sprache und die ‚Landschaft‘ der Geographen“ wiedergelesen

Hans Jürgen Böhmer: Zur Integrität der Geographie

Alexandra Budke: Lehrerbildung in einer diffusen Disziplin

Detlef Kanwischer: Spuren lesen und geographische Bildung

Marc Redepenning: Wider die Totalität: Gerhard Hard, wissenschaftliche Selektivität und die unklare Rolle Luhmanns. Die Geographie wiedergelesen

Pascal Goeke: Die Kontingentsetzung von allem. Hards Aufsätze zu Landschaft und Raum

 

geographische revue, Jahrgang 16, 2014, Heft 1, 104 Seiten, 15,00 EUR (incl. Versand)

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