Theo Rauch: Entwicklungspolitik. Theorien, Strategien, Instrumente. Braunschweig
(= Das Geographische Seminar) 2009. 384 S.
Als Ziel des Buches definiert der Autor, "Ansätze, Strategien und Instrumente der Entwicklungspolitik in ihrer Differenziertheit zu beschreiben, sie theoretisch einzuordnen und eine realistische Einschätzung über deren Potenziale und Grenzen zu ermöglichen"( 16). Die Adressaten sind sehr weit gefasst: Studierende und Fachleute, d.h. Spezialisten und 'Macher' sowie die kritische Öffentlichkeit (17). Diesem Informationsanspruch folgend ist das Buch sehr breit angelegt und deckt praktisch das gesamte entwicklungspolitische Themenspektrum ab.
Im ersten der beiden Teile mit der Überschrift "Internationale Entwicklungszusammenarbeit im Wandel" beschreibt Theo Rauch die Entwicklungspolitik im Gesamtzusammenhang der anderen Politikfelder. In sechs Kapiteln stellt er ausführlich die Formen von Entwicklungszusammenarbeit und die Umsetzung sowie die damit befassten Institutionen und Organisationen dar, wie sie bis zur Umstrukturierung der staatlichen Durchführungsorganisatio nen 2010 bestanden. Auf die verschiedenen thematischen Schwerpunkte geht er unter der Überschrift "Modewelten oder Lernprozesse?" ein, indem er die Phasen mit ihren Themen und Strategien seit den 1950er Jahren beschreibt und diskutiert. Die wichtigsten theoretischen Ansätze stellt er im Kapitel "Unter Beschuss aus allen Richtungen - Entwicklungspolitik in der Kritik" vor. Gut nachvollziehbar und faktenreich präsentiert er sie dem Leser und erläutert, worin die kritische Essenz jedes Entwurfs besteht. Eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen sog. Entwicklungstheorien findet dabei nicht statt, dies entspricht auch nicht der Konzeption des Bandes. Des Weiteren führt Rauch kurz die allgemein bekannten Kritiken an der Entwicklungspolitik auf, etwa die These: "Entwicklungspolitik nützt den Reichen und schadet den Armen" (97f) oder die Fixierung auf die Durchführung von Projekten, Projektitis genannt. Als neuere Reformansätze präsentiert er globale Strukturpolitik und die Orientierung auf Wirksamkeit.
Der zweite Teil (119 ff), der etwa zwei Drittel des Buches einnimmt, widmet sich den Strategien und Instrumenten der Entwicklungspolitik. Dessen fünf Kapitel sind eingeteilt in den Mehr- Ebenen-Ansatz und die Dimensionen "ökonomisch", "ökologisch", "politischinstitutionell" und "gesellschaftlich". Der Autor stellt ausführlich die jeweilige Problematik dar, für die Lösungen gesucht werden bzw. von der Entwicklungspolitik angeboten werden. Sehr detailliert zeigt er die zugrundeliegenden Theorien und/oder die Theorien zur Problemlösung auf. In anschaulicher Form liefert er Hintergrundinformatio nen zu den einzelnen Themenfeldern. Bei seiner Darstellung bearbeitet er im Wesentlichen alle Problemfelder und Themen, wie sie in der öffentlichen Diskussion präsent sind.
Er stellt die Strategien und Instrumente dar und setzt sich bedingt kritisch mit ihnen auseinander, indem er sie zwar nicht grundsätzlich in Frage stellt, aber insbesondere auf ihre Probleme und Grenzen hinweist. In diesen Kapiteln diskutiert er das gesamte Spektrum der gängigen entwicklungspolitischen Praktiken, das Handwerkszeug der Entwicklungspolitik, man kann sagen: lückenlos. Das Fazit und die Leitlinien für eine nachhaltige armutsorientierte Entwicklung (359ff) bieten keine Überraschungen und neuen Erkenntnisse, sondern bringen im Grunde nur die bekannten Standpunkte, vor allem auch die des entwicklungspolitischen Mainstreams.
Damit soll der Band jedoch nicht abgewertet werden, denn das Verdienst des Autors und der Nutzen des Buches für seine vielfältigen Zielgruppen liegen in dieser Gesamtschau darin, die bundesdeutsche Entwicklungspolitik in systematischer Weise aufzubereiten. Das Buch bietet eine handliche Zusammenfassung der Diskussionen mit ausgesprochen reichhaltigen Quelleangaben, seit die Entwicklungspolitik in der BRD in den 1960er Jahren als Politikfeld etabliert wurde. Mit der Nennung der wichtigen Vertreter aus den verschiedenen Epochen und Phasen der Diskussion ist es ein Kompendium, das in dieser umfassenden und zugleich konzisen und damit sehr nützlichen Form bisher nicht vorlag. Es konzentriert sich dabei, ohne dies ausdrücklich zu erwähnen auf die staatliche Entwicklungspolitik; die NRO-Seite kommt kaum vor. Dem Charakter des Bandes entspricht es folgerichtig auch weniger, eine grundlegende kritische Diskussion der theoretischen Ansätze zu leisten und die Entwicklungspolitik als solche zu hinterfragen. Denn sein Tenor ist insgesamt eine grundsätzliche Bejahung, auch wenn er die kritischen Aspekte keineswegs verheimlicht, sondern zur Diskussion stellt, um zu weiterem Nachdenken anzuregen. So übernimmt er die im Alltagsgebrauch üblich gewordenen Begrifflichkeiten nicht unhinterfragt, sondern erläutert sie in ihrer vielschichtigen Bedeutung, wie z.B. den zentralen Begriff "Entwicklung" (34f).
Das Buch ist sehr verständlich geschrieben und erläutert die Zusammenhänge schlüssig und ausführlich, ja, an manchen Stellen für Fachleute (die explizit Teil der Zielgruppe sind) sogar zu ausführlich. Der ausgesprochen didaktische Aufbau macht es zu einem Lehrbuch für alle Nutzer und wird damit der Zielsetzung durchaus gerecht. Die vielen gut platzierten und verständlichen Tabellen, Kästen, erläuternden Schemata und Graphiken erleichtern bei der Lektüre das Verständnis und geben einen raschen Überblick zur Fragestellung und Thematik. Das Kompendium wird ergänzt durch einen besonders nützlichen Anhang - ein Service und eine Arbeit, die sich leider nicht alle Autoren und Verlage machen. Das Literaturverzeichnis gibt einen sehr umfassenden Überblick über die Literatur aus dem entwicklungspolitischen Mainstream seit den 1950er Jahren. Glossar und Register ergänzen den Serviceteil. Mit all den genannten Stärken ist das Buch nicht nur eine hilfreiche Übersicht für Studenten, sondern auch ein nützliches Nachschlagewerk für Fachleute.
Theo Mutter
Quelle: Peripherie, 31. Jahrgang, 2011, Heft 121-122, S. 375-377
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