Katrin Sandfuchs: Wohnen in der Stadt. Bewohnerstrukturen, Nachbarschaften und Motive der Wohnstandortwahl in innenstadtnahen Neubaugebieten Hannovers. Kiel 2009. 282 S.

Das aus der Dissertationsschrift hervorgegangene Buch widmet sich den Bewohnern neu gebauter Wohnungen und Einfamilienhäuser in innenstadtnahen Wohngebieten Hannovers und ihren Motiven für die Wohnstandortwahl in der Stadt. Hiermit wird ein urbanes Wohnungsmarktsegment in den Blick genommen, das trotz der aktuellen Reurbanisierungsdiskussionen bislang nicht in dieser Tiefe betrachtet wurde.

Von hohem Wert ist diese Untersuchung vor allem, da sie mit der ausführlichen Wohnmotivanalyse für das städtische Wohnen eine Forschungslücke abseits der bislang in dieser Thematik vorrangig betrachteten Gentrification und creativ class füllt. Damit liefert die Autorin Antworten auf die Frage, wer die zentralen Träger der Reurbanisierung sind: Städter oder Bewohner des sub-urbanen Raumes. Das Buch zeigt zudem, dass sich aktuelle stadtgeographische Untersuchungen nicht mehr mit der „Unwirtlichkeit unserer Städte“ auseinandersetzen. Gesellschaftliche Veränderungen und Aufwertungsprozesse haben zu einer deutlich positiveren Wahrnehmung des Urbanen geführt.

Mit der Einleitung vermag es die Autorin, den für Stadt- und Wohnungsmarktentwicklung Interessierten zum Lesen zu animieren, da hier die volle Bandbreite der Themen aufgezeigt wird, die mit der Untersuchung angesprochen werden und die vielleicht aus dem Titel des Buches nicht in Gänze hervorgehen. Die Erläuterung des Untersuchungsziels wäre an dieser Stelle der Arbeit und nicht erst im vierten Abschnitt wünschenswert gewesen.

Zentrale Aspekte für die veränderte Wahrnehmung des Urbanen und die Wiederentdeckung der Stadt als Wohnstandort sind nach Ansicht der Autorin der soziale Wandel und gesellschaftliche Modernisierungsprozesse, die auf die Individualisierungstheorie von BECK (1986) zurückgeführt werden. Die Herleitung des gesellschaftlichen Wandels inkl. der Gegenüberstellung unterschiedlicher Ansätze zur Untersuchung von Werten und Lebensstilbildung geht dabei jedoch an manchen Stellen etwas zu sehr ins Detail (z.B. kann das Modell des demographischen Übergangs als Wissen beim Leser vorausgesetzt werden). Andererseits erhöht die Ausführlichkeit vor allem für die mit den soziologischen Ansätzen nicht vertrauten Leser das Verständnis. Im Folgenden werden verschiedene Konzepte von Urbanität bzw. Urbanisierung vorgestellt und auf Gründe für eine Renaissance der Stadt eingegangen – jedoch ausschließlich unter Betrachtung demographischer, gesellschaftlicher und sozialer Aspekte. Die verbesserte Wahrnehmung und Bewertung der Städte ist aber auch im Zusammenhang mit umfangreichen innerstädtischen Aufwertungsprozessen zu sehen, die nicht nur subjektiv in der Wahr-nehmung der Menschen, sondern auch objektiv zu einer erheblichen qualitativen Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen geführt haben. Dies bleibt in der Untersuchung jedoch unberücksichtigt.

Bevor sich die zweite Hälfte des Buches den Ergebnissen der empirischen Erhebungen in elf seit 1999 errichteten Neubaugebieten Hannovers widmet, werden im vierten Kapitel die Ziele und Methoden der Arbeit erläutert. Im Fokus des fünften Abschnitts steht die Analyse der Bewohnerstruktur. Neben sozioökonomischen und wohnbiographischen Merkmalen werden auch die in den Neubaugebieten vorhandenen Lebensstiltypen betrachtet. Im Vergleich mit anderen Studien zeigt sich, dass die typischen „städtischen“ Lebensstilelemente bei den Bewohnern der Neubaugebiete weniger in den Vordergrund treten. So fasst die Autorin am Ende auch zusammen, dass weniger Aspekte des Lebensstils der Bewohner als vielmehr die Urbanität der Wohnstandorte als Hauptmotiv der Wohnstandortwahl anzusehen sind. Hinsichtlich der Nachbarschaftsverhältnisse zeigt sich, dass insbesondere die Bewohner der Einfamilienhäuser ähnlich wie in suburbanen Räumen zusammenleben.

Den letzten Schwerpunkt des Buches bilden die Motive der städtischen Wohnstandortwahl. Es überrascht kaum, dass die Nähe und Angebotsvielfalt städtischer Infrastruktur die Hauptgründe für den Zuzug in die Quartiere bilden. Der Wunsch nach einem Einfamilienhaus war bei deren Bewohnern jedoch meist vordergründig, so dass sie diesen, wenn es nicht in der Stadt möglich gewesen wäre, auch im Umland befriedigt hätten.

Zusammenfassend schlussfolgert die Autorin, dass Reurbanisierung durch die Entwicklung einer Gesellschaftsstruktur bewirkt wird, deren Lebensansprüche sich am leichtesten im städtischen Raum verwirklichen lassen. Es kommt demnach darauf an, entsprechende Angebote bereitzustellen, um diese Nachfrage zu befriedigen. Suburbanisierung ist vielfach Ergebnis der nicht erfüllbaren Wohnwünsche in der Stadt und nicht eine erhöhte Wertschätzung des städtischen Umlandes als Wohnstandort. Dies belegt die Arbeit eindrucksvoll, indem sie aufzeigt, dass das Wohnen in der Stadt bei entsprechenden Wohnangeboten (inkl. Einfamilienhäusern) insbesondere von Familien mit zwei berufstätigen Partnern und der Generation 50plus in Zukunft stärker nachgefragt werden wird.

Literatur
BECK, U. 1986: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a.M.

Susanne Knabe, Halle

Berichte zur deutschen Landeskunde, Bd. 85, H.2, 2011, S. 219-221


Lesen Sie auch die Besprechung von Stefanie Föbker: http://www.raumnachrichten.de/rezensionen/1549-katrin-sandfuchs-wohnen-in-der-stadt

 

 

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