Matthias Kiese: Regionale Clusterpolitik in Deutschland. Bestandsaufnahme und interregionaler Vergleich im Spannungsfeld von Theorie und Praxis. Marburg 2012. 451 S.

Bei dem Buch handelt es sich um die gründlich aktualisierte Fassung der Habilitationsschrift des Autors aus dem Jahr 2008. Es ist sicherlich ein Verdienst von Matthias Kiese, dass die Clusterpolitik in den Fokus wirtschaftsgeographischer Forschungen gelangt ist. Die umfangreiche Clusterliteratur konzentrierte sich lange Zeit auf die Erklärung und die potenziellen Wirkungen von Clustern. Die Umsetzung des Clusterkonzepts in Politik und Praxis wurde von wenigen Ausnahmen abgesehen wissenschaftlich hingegen kaum bearbeitet. Dieses Defizit wollte der Autor mit seiner umfangreichen Habilitationsschrift schließen.

 

Der Forschungsstand zum Themenfeld Cluster wird nach dem etablierten Dreiklang der Hannoveraner Schule zur Wirtschaftsgeographie untergliedert nach Clustertheorie, empirischer Clusterforschung und Clusterpolitik aufgearbeitet. Der Autor zeigt sich als sehr belesener Kenner der Clusterliteratur. Entsprechend gut gelungen ist der Überblick zum Stand der regionalen Clusterforschung. Einen zusätzlichen Impuls erhält die wirtschaftsgeographische Forschung durch die daran anschließende Einbindung politikwissenschaftlicher Perspektiven aus dem Bereich der Neuen Politischen Ökonomie. Es wird das Spannungsfeld der eingeschränkten Handlungsräume und der vorherrschenden Rationalitäten politischer Akteure aufgezeigt, welche für die Entwicklung und Diffusion regionaler Clusterpolitiken zu beachten sind. Der theoretisch-konzeptionelle Teil der Arbeit mündet in einem stringent ausgearbeiteten Analyseraster für die empirischen Untersuchungen, auf den im weiteren Verlauf stets zurückgegriffen wird.

Den Kern des empirischen Teils bilden 145 Interviews mit Beratern, Praktikern (z.B. Akteure in Ministerien, Wirtschaftsförderer oder Clustermanager) und Beobachtern (v.a. Wissenschaftler an Hochschulen, die sich mit der Thematik befassen). Auf dieser umfangreichen Grundlage werden die übergeordnete Clusterpolitik von EU, Bund und Ländern dargelegt und in den drei ausgewählten Bundesländern Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sieben Fallbeispiele regionaler Clusterpolitik aufgearbeitet. Dieser Abschnitt fällt mit rund 175 Seiten insgesamt zu lang aus. Die Darstellung der Clusterpolitik in Bayern und Nordrhein-Westfalen erfolgt sehr gründlich. Da Niedersachsen keine explizite Clusterpolitik betreibt, wird die wirtschaftsräumliche Strukturpolitik der dortigen Landesregierung vergleichsweise knapp aufbereitet. Die regionale Clusterpolitik in den sieben Untersuchungsräumen wird ebenfalls jede für sich in ihrer individuellen Einzigartigkeit umfassend geschildert. Auf der einen Seite erhält der Leser dadurch vertiefte Einblicke in die bisherigen Aktivitäten des dortmund-projects, des Bergischen Städtedreiecks (kompetenzhoch3), der Wirtschaftregion Nürnberg, der Stadt Regensburg, des Hannover-Projekts (hannoverimpuls), des Projekts Region Braunschweig sowie von Autovision und der Wolfsburg AG. Andererseits führt die sehr ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Einheiten (einzelne Städte wie Dortmund und Hannover stehen größeren Regionen wie dem Bergischen Städtedreieck oder der Region Braunschweig gegenüber) mit ihren heterogenen Ansätze und Aktivitäten dazu, dass der Blick auf die zentralen differenzierenden Faktoren regionaler Clusterpolitik beim Lesen aus dem Blick gerät. Dies wird zum Ende hin jedoch aufgefangen, indem eine Querschnittauswertung der regionalen Fallbeispiele anhand des zuvor entwickelten Analyserahmens vorgenommen wird. Hier kann gezeigt werden, dass die zuvor theoretisch entwickelten Kategorien geeignet sind, die Vielfalt existierender regionaler Clusterpolitiken zu erfassen. Dabei laufen jedoch insbesondere die sieben Dimensionen der Clusterpolitik Gefahr, dass es für nahezu jede reale Ausprägung von Clusterpolitik eine eigene Zuordnungsmöglichkeit innerhalb der sieben Dimensionsausprägungen gibt.

In den Schlussfolgerungen werden die gesammelten Erkenntnisse in zehn stylised facts verdichtet. Auch wenn diese zehn stilisierten Fakten nicht mehr stringent an den konzeptionellen Rahmen angebunden sind, so hat sich für mich gerade aus dieser generalisierenden Draufsicht ein besonders großer Erkenntnisgewinn ergeben, da der Autor sein gesammeltes Erfahrungswissen präsentiert. Die reichhaltigen Ergebnisse, die in den Schlussfolgerungen prominent herausgestellt werden, führen die Arbeit zu einem gelungenen Abschluss.
Ivo Mossig

Quelle: Erdkunde, 66. Jahrgang, 2012, Heft 4, S. 367

 

lesen Sie auch die Rezension von Christoph Scheuplen aus der Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie

 

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