Norman Backhaus: Globalisierung. Braunschweig (Das Geographische Seminar) 2009.
318 S.

Das vorliegende Buch zum Thema Globalisierung von Norman Backhaus (Universität Zürich) ist als Lehr- und Studienbuch in Westermanns Das Geographische Seminar erschienen. Es richtet sich vor allem an Studierende der neuen Bachelorstudiengänge der Geographie. Zahlreiche Beispiele, durchweg farbige Abbildungen und verschiedene Textkästen zu Schlüsselbegriffen und -prozessen machen das Buch zu einem anschaulichen Lehrbuch.

Zu allen Kapiteln finden sich zudem Fazit und Zusammenfassung sowie kommentierte Leseempfehlungen zur weiteren Vertiefung des Stoffes.

Norman Backhaus gliedert sein Buch in acht übersichtliche Kapitel. Er beginnt in Kapitel 1 mit einer grundsätzlichen Verortung und verschiedenen Definitionen und Dimensionen von Globalisierung. In Kapitel 2 werden unterschiedliche Mechanismen und Prozesse der Globalisierung thematisiert, bevor in Kapitel 3 die historische Dimension abgehandelt wird. Die folgenden drei Kapitel zur Ökonomie (Kapitel 4), zum Nationalstaat (Kapitel 5) und zur kulturellen Globalisierung (Kapitel 6) nutzt der Autor, um auf die wichtigsten Dimensionen der Globalisierung detailliert und mit vielen Beispielen einzugehen. Entsprechend machen diese Kapitel auch einen wesentlichen Teil des Buches aus. In Kapitel 7 steht dann die ausführliche theoretische Erfassung und Analyse von Globalisierungsphänomenen im Mittelpunkt. Kapitel 8 schließt das Lehrbuch mit der Erörterung von Herausforderungen der Globalisierung ab.

Norman Backhaus ist ein sehr gutes, dichtes und detailreiches Lehrbuch zum Thema Globalisierung gelungen. Dabei ist besonders die Aktualität der angeführten Themen und Beispiele hervorzuheben. Beispielsweise wird die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise oder auch die Nahrungsmittelkrise von 2008 thematisiert und adäquat hinsichtlich ihrer Ursachen erörtert. Inhaltlich bietet das Buch einen sehr guten Überblick zur Globalisierung, zu den vielfältigen Phänomenen und Prozessen sowie zu den unterschiedlichen theoretischen Zugängen. Norman Backhaus selbst zeigt an verschiedenen Stellen ein ausgeprägtes handlungstheoretisches Verständnis (vgl. Zitationen von Werlen und Giddens), macht aber auch auf diskurstheoretische Zugänge (S. 18ff.) oder systemtheoretische Überlegungen (S. 235ff.) aufmerksam. Grundsätzlich werden im Buch unterschiedliche oder gegensätzliche Konzeptionen jeweils parallel dargestellt. Dies gilt beispielsweise für die verschiedenen Ordnungsschemata, so dass in Kapitel 1.3
unterschiedliche „Dimensionen" und in Kapitel 1.4 unterschiedliche „Kategorien" von Globalisierung vorgestellt werden. Der Autor zeichnet sich durch einen sehr kompetenten Umgang mit den einschlägigen Konzeptionen und Begrifflichkeiten aus, die ausführlich erläutert und abgegrenzt werden. Als einziger Verbesserungsvorschlag fällt hier auf, dass für Begriffe wie „Informeller Sektor" (S. 144), die nach dem „Lexikon der Geographie" (Brunotte et al. 2002) erläutert werden, mittlerweile ein aktuellerer Forschungsstand gilt (Stichwort „Informalität").

Interessant sind einige Teilkapitel, die man in einem Buch zur Globalisierung nicht unbedingt vermuten würde, aber eine hohe Relevanz aufweisen. Hierzu zählen insbesondere die Abhandlungen zum Thema Geschlechterrollen (Kapitel 4.4) oder zur Privilegierung und Entrechtung (Kapitel 4.3). Auch das Kapitel zur politischen Dimension der Globalisierung (Kapitel 5) ist in dieser Hinsicht gelungen. Lediglich die Abhandlung zur kulturellen Globalisierung gerät zu kurz und beschränkt sich auf wenige, teils etwas rudimentär wiedergegebene Aspekte. Hier hätten Prozesse der Regionalisierung stärker eingebunden und Themen wie Migration, Translokalität oder Medienindustrie ausführlicher behandelt werden sollen. Vielleicht wäre in Kapitel 5 auch das Unterkapitel zu Lebens- und Konsumstilen (Kapitel 4.6.3) besser aufgehoben gewesen. Der Autor hätte anhand dieser Thematik weitere kulturbezogene Prozesse und Phänomene ansprechen können.

Im Anschluss an die Darstellung der ökonomischen, politischen und kulturellen Dimension von Globalisierung bieten die Kapitel 7 und 8 einen guten Abschluss des Lehrbuchs. Norman Backhaus geht hier noch einmal auf relevante Analyseansätze wie Wallersteins Weltsystemtheorie, den Ansatz der Weltgesellschaft, Luhmanns Systemtheorie, Giddens' Überlegungen zur Globalisierung als Konsequenz der Moderne und Appadurais fünf Sphären ein. Die Herausforderungen der Globalisierung in Kapitel 8 umfassen Abhandlungen zu Becks (Welt-)Risikogesellschaft, zur Verstädterung und zu Veränderungen von Familie und Beziehungen. Bemerkenswert ist dabei der letzte Punkt, der – leider etwas zu kurz – die lebensweltliche Dimension von Globalisierung anspricht.

Ein Manko des Lehrbuchs (und der Reihe) sind leider die zu geringen Seitenränder, die Notizen und Markierungen durch den Leser erschweren. Sehr umständlich sind zudem die Quellenhinweise zu den zahlreichen Abbildungen, die lediglich im Anhang in unübersichtlichem Kleindruck zu finden sind. Sie erschweren das Nachschlagen unnötig, zumal sich hier auch kleinere Fehler eingeschlichen haben (bspw. Abb. 8.2.2/1). Das Buch Globalisierung von Norman Backhaus besticht gleichwohl durch seine Inhalte: Die sehr gute und aktuelle Darstellung von Globalisierungsprozessen, die thematische Bandbreite sowie die angesprochenen Analysekonzepte machen das Buch für Studierende, aber auch für das Fachpublikum zu einer sehr interessanten Lektüre.

Heiko Schmid

Quelle: Erdkunde, 64. Jahrgang, 2010, Heft 2

weitere Besprechungen zum Thema:

Elmar Altvater: Der große Krach oder die Jahrhundertkrise von Wirtschaft und Finanzen, von Politik und Natur. Münster 2010.

Werner Plumpe, unter Mitarbeit von Eva J. Dubisch: Wirtschaftskrisen. Geschichte und Gegenwart. München 2010.

BEIGEWUM & Attac: Mythen der Krise. Einsprüche gegen falsche Lehren aus dem großen Crash. Hamburg 2010.

Andreas Wehr: Griechenland, die Krise und der Euro. Köln 2010.

Carmen M. Reinhart, Kenneth S. Rogoff: This time is different. Eight centuries of financial folly. Princeton 2009.

Joseph Vogel: Das Gespenst des Kapitals. Zürich 2010.

Gordon L. Clark, Adam D. Dixon, Ashby H. B. Monk (Eds): Managing financial risks: From global to local. Oxford 2009. 

 

vgl. auch die Rezension von Irina Rabenseifner und Hans-Dieter von Frieling

 

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