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Gräben, Säulen und Brücken: Die Einheit der Geographie auf dem empirischen Prüfstand

Was ist Geographie und was macht eigentlich Wesen und Kern unseres Faches aus? Die Beantwortung dieser Fragen fällt selbst Geographen immer noch und immer wieder schwer. Und das liegt bekanntlich an der eigentümlichen Stellung der Geographie zwischen Natur- und Geisteswissenschaft. Diese disziplinäre Janusköpfigkeit ist seit langem Ausgangspunkt lebhafter – mitunter leidenschaftlich geführter – fachinterner Diskussionen.

David Harvey: Globalization and David Harveythe “Spatial Fix”

"Von David Harvey stammt der auch außerhalb der Geographie viel diskutierte Vorschlag, das Räumliche am sogenannten Globalisierungsprozess mit dem Konzept des ‘spatial fix’ theoretisch zu fassen. Bei der Rezeption dieses Konzepts tauchen in der Literatur mancherlei Missverständnisse auf. Denn ‘to fix’ bedeutet nicht ‘fixieren’ und bezieht sich hier nicht auf Investitionen in fixes Kapital, sondern ‘to fix’ steht in Harveys Gebrauch für ‘reparieren’ und benennt so das zeitweise Herauszögern von Überakkumulationskrisen durch „geographical displacement and reconfigurations“ (David Harvey 1999: The Limits to Capital. Oxford. S. xviii). In seinem Essay erläutert David Harvey diese Bedeutung von ‘spatial fix’ und geht zudem auf die Rolle dieses Begriffs beim Verständnis von Globalisierung als der weltweiten Produktion des Raums unter kapitalistischen Bedingungen ein," so beschreibt Bernd Belina in seiner Rolle als Gastredakteur der geographischen revue das "Spatial Fix"-Konzept David Harveys. Die geographische revue möchte diesen Aufsatz mit einer Wiederveröffentlichung auf raumnachrichten.de einem größeren Leserkreis zugänglich machen.

David Harvey: Die Raumwirtschaft der kapitalistischen Produktion. Ein marxistischer Erklärungsansatz. Oldenburg David Harvey: Die Raumwirtschaft der kapitalistischen Produktion(GHM Diskussions-Papiere, Nr. 5) 1985.
27 S.

In den letzten Jahren wird David Harvey im deutschsprachigen Raum häufiger rezipiert. Schon 1985 haben die Geographischen Hoschulmanuskripte (GHM) aus Oldenburg einen Text von Harvey in deutscher Sprache veröffentlicht. In ihm stellt der Autor Grundzüge einer marxistischen Theorie kapitalistischer Raumwirtschaft vor. Wir möchten diesen frühen Text hier einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen.

Raimund Rodewald: Arkadien – eine verlorene Utopie?

Ohne Dichter und Künstler würde die Natur verschwinden. Apollinaire's Diktum trifft angesichts unserer funktionalen und kaum mit Poesie assozierten Alltagslandschaften in der Tat ins Schwarze. Die Natur scheint sich in entfernte Winkel zurückgezogen zu haben. Dennoch wird seit Jahren der Ruf vornehmlich der urbanen Bevölkerung nach einem Stopp der Zersiedelung und nach einem stärkeren Landsschaftsschutz immer lauter. Verbirgt sich dahinter gar eine neue poetische Kraft die Natur und Landschaft retten zu wollen? Ich meine ja. Hierfür müssten wir uns aber der poetischen Ausstrahlung Arkadiens gewahr werden, deren (Wieder-)Entdeckung im Jahr 1502 den Topos der schönen Landschaft für rund 400 Jahren massgeblich beeinflusste. Die poetische Sehnsuchtssuche nach einer Utopie Arkadien scheint in letzter Zeit eine neue Renaissance auszulösen, was die Zahl der Publikationen zu diesem Thema unterstreicht. Worin besteht die magische und langandauernde Faszination Arkadien und ist diese Utopie aller Unkenrufe zum Trotz heute doch noch nicht gänzlich untergegangen?

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mit einer Stellungnahme der Herausgeber Dieter Böhn und Gabriele Obermaier

Jürgen Lethmate: Von A bis Z : Das Wörterbuch einer unbelehrbaren Geographiedidaktik?

Anmerkungen zu: Dieter Böhn und Gabriele Obermaier (Hg.): Wörterbuch der Geographiedidaktik. Begriffe von A - Z. Braunschweig 2013 (Didaktische Impulse). 317 S.


Zusammenfassung
Das neue Wörterbuch der Geographiedidaktik umfasst ca. 220 Begriffe der Fachdidaktik und benachbarter Disziplinen. Adressaten sind Geographiedidaktiker, Lehrerinnen und Lehrer sowie Studierende. Anspruch des Wörterbuches ist nicht nur die lexikalische Zusammenstellung und Aktualisierung fachspezifischer Termini, sondern auch die kritische Darstellung von Positionen. Diesem Anspruch wird das Wörterbuch nicht durchgehend gerecht, was sich für das Fachverständnis insbesondere von Studierenden als eklatantes Problem erweisen dürfte. Anderenorts vorgebrachte und teilweise massive Kritiken geographiedidaktischer Positionen werden in diesem Wörterbuch zu oft ausgeblendet. Bleibt die Geographiedidaktik eine unbelehrbare Disziplin?

Die aktuelle Ausgabe der geographischen revue beschäftigt sich in ihrem Schwerpunktthema mit der Globalisierung des Wohnungsmarkts in der Bundesrepublik. Untersucht werden die Auswirkungen der Privatisierung großer kommunaler Wohnungsbestände. Parallel dazu veröffentlichen wir hier einen Aufsatz von Rainer Neef (Göttingen), der sich ebenfalls mit der Internationalisierung des deutschen Wohnungsmarktes beschäftigt. Wir danken Rainer Neef und der Initiative GIB - Gemeingut in BürgerInnenhand auf deren Internetseiten der vorliegende Aufsatz Anfang April 2014 (http://www.gemeingut.org/2014/04/privatisierung-grosser-wohnungsbestaende/) zuerst veröffentlicht wurde.

 

Rainer Neef: Privatisierung großer Wohnungsbestände

Seit Ende der 1990er drängen internationale Immobilienfonds und Investmentgesellschaften auf den deutschen Wohnungsmarkt, denn deutsche Wohnungsbestände gelten international als ‚unterbewertet’. Dies trifft vor allem für hunderttausende ehemaliger Sozialwohnungen zu, die binnen weniger Jahre aufgekauft wurden. Das Tempo dieser Übernahmen erklärt sich teils historisch, ansonsten überwiegend aus Politik und Konzernmacht.

Hans-Dietrich Schultz: Geographie oder Geographien? Die Einheitsfrage aus der Perspektive ungeschehener Geschichte1

1    Zur Fragestellung
Fächer sind nach dem Kulturwissenschaftler Klaus P. HANSEN kein Abbild der Wirklichkeit, sondern gesellschaftliche „Abstraktionen", die „aus der ganzheitlichen Wirklichkeit einen bestimmten Teilbereich oder Teilaspekt mehr oder minder willkürlich aussondern". Sie „rekurrieren nicht auf schon a priori und von Natur auf für sich bestehende Bereiche der Wirklichkeit, sondern schaffen diese erst". Jede Abstraktion könne jedoch „durch eine andere ersetzt werden, wie sich bei der Entstehung neuer Fächer immer wieder beobachten" (HANSEN 1993, 99) lasse. Die Universität und ihre Fakultäten könnten daher auch ganz anders aussehen, wenn die Ausdifferenzierungen anders ausgefallen wären.