Jürgen Lethmate: "Alles, was auf der Erde drauf ist, ist Geographie"

Anmerkungen zu: Julian Bette: Schülervorstellungen und fachliche Vorstellungen zur "Geographie" und ihren zentralen Konzepten. Eine empirische und hermeneutische Unter-suchung. Münster 2011 (= Münsteraner Arbeiten zur Geographiedidaktik, Bd. 01). 148 S.       
Zusammenfassung: Julian Bette analysiert im Forschungsrahmen "Didaktische Rekonstruktion" die Fach- und  Schülervorstellungen zentraler Konzepte der Geographie. Die Ergebnisse sind für Geographiedidaktiker und Geographielehrer gleichermaßen von Bedeutung. Das zentrale Fachkonzept "Raum" ist in den Köpfen von Schülerinnen und Schülern (9./10. Klasse) nicht präsent. Erdkunde ist für sie das Fach der Entdeckungen, der Länder und Landschaften, der Mensch-Umwelt-Beziehung und der Globalisierung, kurz: ein "interessantes Sammelfach", das "das Grobe der Welt erforscht".

Bea Gomes, Walter Schicho u. Arno Sonderegger (Hg.): Rassismus. Beiträge zu einem vielgesichtigen Phänomen. Wien 2008. 292 S.

Dieses Buch reiht sich in eine stetig wachsende Anzahl deutschsprachiger Publikationen zum Thema Rassismus ein. Innovativ an dem vorliegenden Sammelband ist, dass der Fokus nicht nur auf ein Land oder eine Region gelegt wird, sondern (Anti-)Rassismen in vier Kontinenten in den Blick genommen werden. Zu der regionalen Öffnung des Sammelbandes gesellt sich eine zeitliche: Es geht um die Analyse von Rassismen in den letzten 600 Jahren.

Arno Brandt, Stefan Krätke, Claudia Hahn und Renate Borst: Metropolregionen und Wissensvernetzung. Eine Netzwerkanalyse innovationsbezogener Kooperation in der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen. Berlin (Beiträge zur europäischen Stadt- und Regionalforschung 6) 2008. 208 S.

Quantitative Netzwerkanalysen erleben seit einigen Jahren in der wirtschaftsgeographischen Forschung zunehmende Anwendung und entwickeln sich zu einem beliebten empirischen Instrument zur Untersuchung regionaler Wertschöpfungssysteme, zwischenbetrieblicher Kooperationsstrukturen und Wissensflüsse innerhalb und zwischen Regionen.

Alessandro Pelizzari: Dynamiken der Prekarisierung. Atypische Erwerbsverhältnisse und milieuspezifische Unsicherheitsbewältigung. Konstanz 2009. 354 S.

›Don’t believe the hype‹ – diesem Motto folgend bezweifelte die Linke, als das Wort vom Prekariat die Runde machte, dass an den Rändern und in den Spalten der Arbeitsgesellschaft ein neues Klassen- und ›revolutionäres Subjekt‹ heranwüchse.

Giovanni Arrighi: Adam Smith in Beijing. Die Genealogie des 21. Jahrhunderts. Hamburg 2008. 516 S.

Der am 18. Juni 2009 verstorbene Giovanni Arrighi hat ein Erbe hinterlassen, an dem weder die progressiven Wissenschaftler noch die Aktivisten der Bewegung für eine andere Welt vorbei kommen werden. Ausgehend vom weiten Zeithorizont des Weltsystemansatzes stellt er im vorliegenden, 2007 fertiggestellten Buch, dessen Hauptthese durch die seitherige Finanzkrise bestätigt worden ist, die Frage, wieso »Europas auf Außenhandel basierende Entwicklung und [die] überlegene Militärmacht, mit deren Hilfe Europäer sich mindestens drei Jahrhunderte lang den größten Teil der Gewinne aus der zunehmenden Integration der globalen Ökonomie aneignen konnten« (98), so lange andauern konnten.

Jochen Walter: Die Türkei das Ding auf der Schwelle. (De-)Konstruktionen der Grenzen Europas. Wiesbaden 2008. 258 S.

Verf. untersucht mit Hilfe einer konstruktivistischen Diskursanalyse die deutsche und britische Medienberichterstattung zum türkischen EWG/EG/EU-Beitrittsbegehren im Zeitraum von 1960 bis 2004. Dabei beschränkt er sich auf drei Perioden von besonderer Dichte, d.h. Zeiträume zwischen der Eröffnung einer Beitrittsperspektive und deren jeweiliger Abweisung oder Annahme (67). Nahm im Zeitraum 1960-63 der Militärputsch 1960 eine zentrale Rolle ein, so dominierten 1987-89 der sog. Turbanstreit und die Wiedereinsetzung des Ankara-Abkommens, während von 1999-2004 die EU-Gipfeltreffen von Helsinki, Nizza, Kopenhagen, Luxemburg und die Anschläge des 11. Sept. 2001 Schlüsselereignisse bildeten (68).

Transit Migration Forschungsgruppe (Hg.): Turbulente Ränder. Neue Perspektiven auf Migration an den Grenzen Europas.  Bielefeld 2007. 252 S.

Im Hintergrund aktueller Migrationspolitiken steht ein Europa, dessen Grenzen zunehmend mit den Grenzen der EU übereinstimmen. Spätestens seit den Vorbereitungen für die Erweiterungen der EU von 2004 und 2007 sind Fragen der geteilten Werte Thema zahlreicher Publikationen, während die mit der Einigung Europas einhergehenden Ausschlüsse in der Regel v.a. implizit verhandelt werden. Dabei ist neben der Diskussion um die Mitgliedschaft einzelner Staaten Migrationspolitik das Gebiet, auf dem die Grenzen der europäischen Gemeinschaft vornehmlich bestimmt und festgelegt werden.

Stephan Lessenich u. Frank Nullmeier (Hg.): Deutschland – eine gespaltene Gesellschaft. Frankfurt/M-New York 2006. 374 S.
Stefan Hradil: Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich. Wiesbaden 2006. 304 S.
Helmut Bremer u. Andrea Lange-Vester (Hg.): Soziale Milieus und Wandel der Sozialstruktur. Die gesellschaftlichen Herausforderungen und die Strategien der sozialen Gruppen. Wiesbaden 2006. 419 S.

Der Traum von ›konfliktenthobenen Mittelschichtsgesellschaften‹, in der alle die Mitte bilden und die Ränder schmal sind, ist ausgeträumt. Es gilt nicht mehr, dass »Arbeitsplätze und auskömmliches Einkommen für ›alle‹ vorhanden« sind, »Wohlstandssteigerung und beruflicher Aufstieg für breite Bevölkerungsschichten die zentrale Orientierung« bilden und »ungeachtet verbliebener Vermögens- und Einkommensunterschiede« ein »hohes Maß an sozialer Kohäsion greift« (Lessenich/Nullmeier, 10). In aktuellen Beiträgen zur  Sozialstrukturanalyse wird eine Verfestigung sozialer Unterschiede konstatiert und die Kluft zwischen Arm und Reich und die Ausgrenzung wachsender sozialer Gruppen beschrieben.

Robert Schmidt u. Volker Woltersdorff (Hg.): Symbolische Gewalt. Herrschaftsanalyse nach Pierre Bourdieu. Konstanz 2008. 316 S.

In den letzten Jahren mehren sich (auch) im deutschsprachigen wissenschaftlichen Feld Projekte, die mit Griff in den ›Werkzeugkasten‹ der praxeologischen Soziologie Bourdieus empirisch untersuchen, wie symbolische Gewalt in der sozialen Wirklichkeit zur »Aufrechterhaltung und Reproduktion der herrschaftlichen Ordnung« (8) beiträgt.

Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Aus d. Frz. von Gustav Roßler. Frankfurt/M 2008. 205 S.

Verf. geht im Anschluss an die konstruktivistische Wissenschaftstheorie davon aus, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse nicht als objektive Gesetze verstanden werden können, sondern ebenso wie die soziale Welt Konstruktionen sind, die gesellschaftlichen Bedingungen unterliegen. Er zieht hieraus den Schluss, dass Natur und Gesellschaft grundsätzlich nicht zu trennen sind, und konstatiert eine generelle Verflechtung zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Wesen: »Das Ozonloch ist zu sozial [...], um wirklich Natur zu sein, die Strategien von Firmen und Staatschefs zu sehr angewiesen auf chemische Reaktionen, um allein auf Macht und Interesse reduziert werden zu können, der Diskurs der Ökosphäre zu real und zu sozial, um ganz in Bedeutungseffekten aufzugehen.«

Dietrich Henkel, Kester von Kuczkowski, Petra Lau, Elke Pahl-Weber, Florian Stellmacher (Hg.) 2010: Planen – Bauen – Umwelt. Ein Handbuch. Wiesbaden. 600 S.

Ein Handbuch, ein echtes Handbuch zum Bauen, zur Raumplanung, zum Städtebau, zum Umweltschutz, aber auch zum Verkehr, zum Immobilienwesen und vielen weiteren Kernbegriffen liegt vor. Kurzum ein nach den einschlägigen Stichworten alphabetisch aufgebautes Werk für Bauherren, Investoren, Raumplaner, Umweltschützer, Planer, Architekten, Landschaftsgestalter, Städtebauer, Immobilienverantwortliche, Siedlungssoziologen und -ökologen usw. ist anzukündigen.