Michael Fahlbusch: Grenze als Kampfraum

Rezensionsartikel:

Thomas Müller: Imaginierter Westen. Das Konzept des „deutschen Westraums" im völkischen Diskurs zwischen Politischer Romantik und Nationalsozialismus. Bielefeld 2009. 429 S.

Die Westgrenze und Deutschlands Westpolitik ist in vielen Detailstudien untersucht worden. Häufig wurden jedoch entweder Frankreich oder die Benelux-Staaten als Untersuchungsgegenstand gewählt, wodurch sich eine zu fokussierte Forschungsperspektive ergab.1  Eine grundsätzliche Untersuchung über Raumkonzepte und Grenzdiskurse, die sich mit den Räumen und Grenzen von der Nordseeküste bis zur Schweiz befassen, stellte ein Desiderat dar, welches nun mit der vorliegenden, an der RWTH Aachen eingereichten Dissertation abgedeckt wird.

Ilan Kapoor: The Postcolonial Politics of Development. Oxon 2008. 183 S.

Kolonialismus ist ein gegenwärtiges Problem, auch wenn es nur noch wenige faktisch kolonisierte Gebiete gibt. Dies ist eine der Grundannahmen der Postcolonial Studies. So gehen entsprechende Forschungen beispielsweise den Auswirkungen des Kolonialismus (als historischer Phase) auf Ökonomie, Politik und Kultur in den heutigen Gesellschaften in Süd und Nord nach. Die von antikolonialen Bewegungen und poststrukturalistischer sowie marxistischer Theorie beeinflussten Debatten um Postkolonialismus fanden in den 1980er und 1990er Jahren vornehmlich in der Literatur- und Geschichtswissenschaft statt. In letzter Zeit gibt es vermehrt Versuche, die Potenziale postkolonialer Herangehensweisen für andere akademische und gesellschaftliche Bereiche auszuloten.

Wolfgang Brücher: Energiegeographie. Wechselwirkungen zwischen Ressourcen, Raum und Politik. Studienbücher der Geographie. Berlin und Stuttgart 2009. 280 S.

Seit der Energiekrise 1973/74 steht die Energiewirtschaft in Verbindung mit der sich bis heute verstärkenden doppelten Bedrohung durch Ressourcenverknappung und Klimawandel zunehmend im Mittelpunkt von Erörterungen in Gesellschaft und Politik. Die wissenschaftliche Geographie hat die Themen Energie bzw. Energiewirtschaft in der Vergangenheit aber – trotz deren zunehmenden Bedeutung – sehr vernachlässigt. Diesem Umstand ist es wohl auch zuzuschreiben, dass es in deutschen Lehrbuchreihen bisher noch keine „Energiegeographie“ gab. Dieser Aufgabe verschrieb sich nun dankenswerterweise Wolfgang Brücher.

Mamadou Diawara, Farias de Moraes, Paulo Fernando et Gerd Spittler (Hg.): Heinrich Barth et l'Afrique. Köln (Studien zur Kulturkunde 125) 2006. 286 S.

Es gibt Bücher, die auch eine vergleichsweise späte Rezension lohnen, in der Hoffnung, dass  damit eine berechtigte vermehrte Aufmerksamkeit von Fachkollegen auf das jeweilige Werk gelenkt wird. Zu diesen Büchern zählt zweifellos die im Rüdiger Köppe Verlag erschienene Textsammlung „Heinrich Barth et l'Afrique", mit meist französisch-, teils englischsprachigen Beiträgen, welche einen neuen Blick auf den Afrikaforscher, Historiker, Ethnologen, Geographen und Sprachwissenschaftler Heinrich Barth werfen wollen.

Jörg Goldberg: Überleben im Goldland. Afrika im globalen Kapitalismus. Köln 2008. 249 S.

In drei Abschnitten analysiert Verf. die Rolle Afrikas im globalen Kapitalismus, mögliche interne und externe Faktoren des Entwicklungsrückstandes sowie den Kapitalismus innerhalb Afrikas; Südafrika bilde hier eine Ausnahme. Die These ist, dass es in Afrika »zwar Kapital [...], aber keinen Kapitalismus« gäbe, denn »die vorherrschenden sozialen Beziehungen sind wie die Produktionslogiken noch immer nicht-kapitalistisch« (14). Dies bedeute nicht, dass Afrika außerhalb des globalen Kapitalismus stehe, sondern einen Beitrag in den globalen Wertschöpfungsketten insbesondere mit seinen diversen natürlichen Ressourcen leiste.

Klaus C. Ewald, Gregor Klaus (Hg.): Die ausgewechselte Landschaft – Vom Umgang der Schweiz mit ihrer wichtigsten natürlichen Ressource. Bern, Stuttgart, Wien 2010. 2. Auflage. 752 S.

Nie zuvor ist in Buchform eine so umfangreich differenzierte und konsistente Kompilation über die geschichtlichen, gesellschaftlichen, wahrnehmungsspezifischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge über die Wechselfälle zwischen natürlicher Landschaft und Kulturlandschaft entfaltet worden.

Globalisierung und TransnationalisierungPascal Goeke: Globalisierung und Transnationalisierung. Begriffe zwischen metaphorischem und theoretisch kontrolliertem Gebrauch

Rezensionsartikel:

Pries, Ludger (2010): Transnationalisierung. Theorie und Empirie grenzüberschreitender Vergesellschaftung. Wiesbaden.
Pries, Ludger (2010): Erwerbsregulierung in einer globalisierten Welt. Wiesbaden.

Abstract:

Die Begriffe Globalisierung und Transnationalisierung werden in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. Mal erscheinen sie theorielos als Metapher, mal dient ihre Verwendung der Markierung eines Themas und wieder ein anderes Mal ist ihr Gebrauch theoretisch kontrolliert. Die beiden Monographien von Pries (2010a, 2010b) zeigen wie schon andere Publikationen von ihm auf, dass Globalisierung und Transnationalisierung interessante Forschungsthemen sind. Leider wird in den Texten überdeutlich, dass die nur lockere theoretische Kontrolle der Begriffe Erkenntnismöglichkeiten verschenkt.

Michael Janoschka: Konstruktion europäischer Identitäten in räumlich-politischen Konflikten. Stuttgart 2009. 247 S.

Ob es um den EU-Beitritt der Türkei geht, die Etablierung grenzüberschreitender Zusammenarbeit innerhalb und entlang der Ränder eines "Europas der Regionen" oder die Frage nach einer postnationalen, europäischen Bürgerschaft - das Thema Identität, der politische und gesellschaftliche Konstruktionsprozess einer europäischen Identität, die kritische Hinterfragung dieser Prozesse und der Rekurs auf sogenannte europäische Werte durchziehen in den letzten Jahren immer häufiger den öffentlichen, politischen wie auch medialen Diskurs.

Peter Lindner: Der Kolchoz-Archipel im Privatisierungsprozess. Wege und Umwege der russischen Landwirtschaft in die globale Marktwirtschaft. Bielefeld 2008. 282 S.

Die nunmehr gedruckt vorliegende Habilitationsschrift von Peter Lindner hebt sich in dreifacher Weise von vergleichbaren Arbeiten zum ländlichen Raum Russlands ab: Sie begreift die jungen Transformationsprozesse in der russischen Agrarwirtschaft nicht aktualistisch, sondern mit großer historischer Tiefe; sie wählt nicht nur die strukturelle, sondern auch die akteursbezogene Perspektive; und sie ist zugleich die Dokumentation eines Forschungsprozesses, der behutsam und abwägend vorgeht.

Rhythmen der GlobalisierungPeter Feldbauer, Gerald Hödl u. Jean-Paul Lehners (Hg.): Rhythmen der Globalisierung. Expansion und Kontraktion zwischen dem 13. und 20. Jahrhundert. Wien 2010. 256 S.

Wie sich dies für Herausgeber gehört, haben sich auch die Initiatoren des vorliegenden Bandes darum bemüht, ihrem Thema eine Wendung zu geben, die über die Routine einer gegenwartsfixierten, letztlich modernisierungstheoretisch orientierten und eurozentrischen Betrachtung hinausgeht. Für dieses Problem haben sie eine Lösung und Darstellungsweisen gefunden, die diesen Band lesenswert machen.

Kurt Scharr und Rudolf Gräf: Rumänien. Geschichte und Geographie. Wien 2008. 262 S.

Der rumänische Staat, seit 2007 Mitglied der Europäischen Union, wird durch Besonderheiten geprägt wie verschiedene Ethnien, Sprachen, Religionen, Identitäten sowie große regionale Unterschiede. Diese beeinflussen die gegenwärtigen tief greifenden Veränderungen der politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnisse. Die Autoren beleuchten ausgewählte historische Ereignisse und Aspekte zum Verständnis der gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozesse.