Bastian Lange, Ares Kalandides, Birgit Stöber, Inga Wellmann (Hg.) 2009: Governance der Kreativwirtschaft. Diagnosen und Handlungsoptionen. Bielefeld. 340 S.

Die Kreativwirtschaft ist angesichts der positiven Dynamik dieser Branche in den letzten Jahren zurzeit eines der zentralen Themen, nicht nur in Grossstädten wie Berlin oder Singapur, sondern wie Studien etwa zu Offenbach oder Darmstadt zeigen, auch in Mittelzentren und in Stadtteilen von Metropolregionen. Zahlreiche Städte verbinden mit dieser Wirtschaftsbranche eine hoffnungsvolle Zukunft. Wenn dies heute noch so ist, was für die verschiedenen Märkte und für jede Stadt im Kontext ihrer Rahmenbedingungen zu analysieren wäre, dann stellt sich in den Städten und Regionen die Frage: «Ist die Kreativwirtschaft steuerbar und wenn ja, wie und durch wen?».

Doreen Jakob: Beyond creative production networks. The development of intra-metropolitan creative industries clusters in Berlin and New York City. Berlin 2009. 292 S.

Das junge Handlungsfeld Kreativwirtschaft, das seit einigen Jahren immer prominenter die kommunalen Vertreter von urbanen Stadt- und Wirtschaftsentwicklungsprozessen beeinflusst, produziert erfreulicherweise zunehmend differenzierte und aufschlussreiche wissenschaftliche Analysen zum besseren Verständnis seiner raumzeitlichen Organisation.

Jessé Souza: Die Naturalisierung der Ungleichheit. Ein neues Verständnis peripherer Gesellschaften. Wiesbaden 2008. 184 S.

So viel vorweg: Der Autor hat ein lesenswertes, äußerst interessantes und sehr vielschichtiges Buch geschrieben, das lohnt, breiter rezipiert zu werden. Die Studie basiert auf seiner Habilitationsschrift und unternimmt den ehrgeizigen Versuch, eine eigenständige (Gesellschafts-)Theorie sozialer Ungleichheit in peripheren Gesellschaften zu entwickeln. Wie der Titel schon andeutet, spielt dabei das Phänomen einer Naturalisierung sozialer Ungleichheiten als theoretischer Kristallisationspunkt eine besonders bedeutsame Rolle: „Ich will versuchen zu zeigen, wie die Naturalisierung der sozialen Ungleichheit in peripheren Ländern rezenter Modernisierung wie Brasilien angemessener erfasst werden kann als Folge nicht eines vermeintlich prämodernen und personalistischen Erbes, sondern genau im Gegenteil als Ergebnis eines effektiven Modernisierungsprozesses großen Ausmaßes, der das Land seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts überfällt.“ (S. 22)

Luisa Vogt: Regionalentwicklung peripherer Räume mit Tourismus? Eine akteurs- und handlungsorientierte Untersuchung am Beispiel des Trekkingprojekts Grande Traversata delle Alpi. (Erlanger Geographische Arbeiten Sonderb. 38) Erlangen 2008. 412 S.

Diese Publikation hat alles, was eine moderne geographische Arbeit heute bieten soll: Eingebunden in einen anspruchsvollen theoretischen Rahmen, präsentiert Luisa Vogt mit ihrer Erlanger Dissertationsschrift eine methodisch ambitionierte Fallstudienuntersuchung, die zu einem klassischen Thema der geographischen Regionalforschung höchst interessante Einsichten von hohem diskursiven Gehalt eröffnet. Der vergleichsweise nüchterne Titel der Veröffentlichung verrät davon zunächst noch nichts. Tatsächlich geht es der Verfasserin in ihrer Arbeit aber um nicht mehr und nicht weniger als um eine empirische Untersuchung zu der Frage, inwieweit sich der Tourismus als Leitökonomie benachteiligter ländlich-peripherer Räume, die über ein attraktives Landschaftsbild verfügen, eignet.

Heike Egner: Gesellschaft, Mensch, Umwelt – beobachtet. Ein Beitrag zur Theorie der Geographie. Stuttgart (Erdkundliches Wissen 145) 2008. 208 S.

„Endlich!“ möchte man ausrufen, „endlich liegt eine Einführung in die Systemtheorie für Geographen vor“. Denn schon vor mehr als zwei Jahrzehnten wurde mit der Arbeit von Helmut Klüter (1986) diesbezüglich ein Grundstein gelegt. Spätestens seit Luhmanns „Ökologischer Kommunikation“ (1986) wurde die Theorie autopoietischer Systeme auch in humanökologischen Kreisen diskutiert und in der Lehre aufgegriffen. Seither sind einige Artikel und Monographien mit Bezug zu einer Systemtheorie erschienen, ohne jedoch damit innerhalb der Geographie eine kohärente Forschungstradition oder gar ein „Paradigma“ zu begründen.

Sargut Şölçün: Entzauberte Nation. Literarische Entdeckung türkischer Mentalität. Duisburg 2008. 296 S.

Hätte die politische Korrektheit gesiegt, wären die hier vorgelegten Einsichten und Provokationen ungedruckt geblieben. Die »Mentalitätsforschung« nimmt sich heraus, in den Niederungen von Vorurteilen zu stöbern, auch wenn das für die Subjekte wie die Objekte solcher Beurteilungen peinlich wird. Der Autor, ein Ex-Türke, wenn es das gäbe, trägt zusammen, was in europäischen, überwiegend deutschsprachigen Reiseberichten und fiktionalisierten Auseinandersetzungen von 1841 bis heute die europäische Geistesart an der türkischen irritiert oder empört hat.

Heinz Fassmann, Gerhard Hatz, Walter Matznetter (Hg.) 2009: Wien, Städtebauliche Strukturen und gesellschaftliche Entwicklungen. Wien, Köln, Weimar. 414 S.
Perspektiven (Sondernummer) 2009: Der Wiener Weg. Arbeit, Wirtschaft, Lebensqualität. Wien. 88 S.


Gleich zwei Publikationen aus Wien und über Wien liegen auf dem Tisch! Zwei aussagekräftige Werke, gleichzeitig Hinweise auf Veränderungen im Stadtbild und auf eine zeitgemässe Verantwortung für die Stadtentwicklung, für die Stadtplanung, für den Städtebau.
Wenn man bedenkt, was sich parallel in Zürich und gleichzeitig in Berlin anbahnt, dann kann man unter stadtplanerischen Gesichtspunkten von einem grossen Dreieck sprechen, nämlich von Zürich–Berlin–Wien.

Franziska Weber: Dimensionen des Denkens. Der raumzeitliche Kollaps des Gegenwärtigen. Geistes- und naturwissenschaftliche Entwürfe - verifiziert an Martin Kusejs "Don Giovanni". Bielefeld 2008. 216 S.alt

Michel Foucault entwarf in seinem Vortrag "Andere Räume" die Theaterbühne als einen Ort, dem es gelänge, mehrere Räume und Platzierungen zusammenzulegen. Das Theater ließe in einem bestimmten Raum, dem Viereck der Theaterbühne, eine ganze Reihe von einander fremden Orten aufeinander folgen, so Foucault. Mehr noch, solche in sich verschobenen und überlagerten Räume, Foucault nannte sie Heterotopien, seien eine anthropologische Konstante.

Jürgen Friedrichs, Sascha Triemer: Gespaltene Städte? Soziale und ethnische Segregation in deutschen Großstädten. Wiesbaden 2008. 181 S.
Werner Schiffauer: Parallelgesellschaften. Wie viel Wertekonsens braucht unsere Gesellschaft? Für eine kluge Politik der Differenz. Bielefeld 2008. 152 S.

Wir sind eine Einwanderungsgesellschaft. Diese Aussage war schon richtig, bevor sich die Politik, viel zu spät, diese Tatsache endlich eingestanden hat. Welche Folgen mit Einwanderung verbunden sind und wie bzw. mit welchen Zielen diese Folgen für ein gedeihliches Zusammenleben bewältigt werden können, ist so auch in der Wissenschaft erst mit einiger Verzögerung eingehender thematisiert worden.

Dominic Johnson: Afrika vor dem großen Sprung. Berlin. 10alt3 S.

Das Werk ist eine Einladung zum Umdenken; es versteht sich als eine Anleitung zum Andersbewerten der wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Ereignisse der letzten 10 bis 15 Jahre im subsaharischen Afrika. Dem Leser steht es dabei frei - wie bei Einladungen allgemein üblich - dieser Einladung zu folgen oder selbst Alternativeinschätzungen zu entwickeln. Materialien dazu liefert das nur 103 Seiten umfassende Taschenbuch in regionaler und zeitlicher Fülle. Sie werden neu beleuchtet und dort, wo es nötig ist, in ihrer historischen Entwicklung vorgestellt. Das Afrika-Buch ist zwar kein wissenschaftliches Werk und will dies auch nicht sein, liefert jedoch reichhaltig Fakten aus einer tiefverwurzelten Afrikakenntnis, die von Dominic Johnson journalistisch gut aufbereitet und daher flüssig lesbar präsentiert werden.

Hans-Joachim Bürkner: Reduktionistische Raumansichten und diskursive Schließung: Zum Stand geographischer und landeskundlicher Südosteuropa-Forschung

1. Einleitung

Wissenschaftliche Diskurse rund um Probleme der Stadt- und Regionalenwicklung in Ost- und Südosteuropa setzen sich nicht nur mit realen Entwicklungspfaden rund um Transformationsprozesse und ihre Folgen auseinander. Sie sind auch selbst das Ergebnis von ganz besonderen diskursiven Pfadabhängigkeiten. Diesen Eindruck konnten die Leserinnen und Leser sozialwissenschaftlicher Zeitschriften mit Fokus auf Gesellschafts- und Raumentwicklung in den Ländern Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas noch vor rund einem Jahrzehnt erhalten.