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Ilaria Mariotti: Firm relocation and regional policy. A focus on Italy, the Netherlands and the United Kingdom. Utrecht, Groningen 2005 (Nederlandse Geografische Studies 331). 278 S.
Mit ihrer Dissertation 'Firm relocation and regional policy' greift ILARIA MARIOTTI ein klassisches wirtschaftsgeographisches Thema auf, geht es doch um das Spannungsfeld zwischen einer aktiv betriebenen nationalen Politik der Wirtschaftsförderung einerseits und einer europäisch-transnationalen Förderpolitik der Europäischen Union, die neben der Berücksichtigung deregulierender Maßnahmen auch andere Fördermaßstäbe an die Mitgliedsstaaten stellt, andererseits. Förderkulissen und die Definition dessen, was in welchem räumlichen Kontext als peripher wahrgenommen wird, müssen damit nicht zwingend deckungsgleich sein. Hinzu kommt mit der Globalisierung nun auch der internationale Wettbewerb interessanter Wirtschaftsstandorte.- Kategorie: Rezensionen
Kevin Phillips: Bad Money. Reckless Finance, Failed Politics, and the Global Crisis of American Capitalism. New York 2008. 256 S.
Verf. beschäftigt sich mit den Finanzpraktiken im Zeitalter von Robert Rubin und Henry Paulson und der Weltherrschaft von Goldman Sachs. Er behauptet, dass das finanzielle Draufgängertum im Zusammenspiel mit Peak Oil und dem Aufstieg der asiatischen Wirtschaftsmacht der amerikanischen Führungsposition in der Welt und dem Lebensstandard der USA, die beide vom Wert des Dollars abhängig sind, ein Ende bereiten wird – mehr noch, dass sie das längst getan haben. Der Vorbote des Zusammenbruchs habe uns in der Form der Subprime-Hypotheken- und der Bankenkrise bereits ereilt, und deren Konsequenzen würden zukünftige imperiale Abenteuer – im Irak oder sonstwo – undurchführbar machen.
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Pun Ngai u. Li Wanwei: dagongmei. Arbeiterinnen aus Chinas Weltmarktfabriken erzählen. Berlin u.a. 2008. 257 S.
»In der Fabrik läuft alles zu streng ab. Sie schränken die Bewegungsfreiheit ein. Es istabsolut seelenlos.« (35) Disziplinierung und Kontrolle, Sinnentleerung und der rücksichtslose Raubbau an ihren intellektuellen und körperlichen Kräften warten auf die dagongmei, die »arbeitenden Schwestern«, die in Chinas Exportzonen Konsumgüter für den globalen Markt montieren, löten, nähen und kleben. Obwohl die Löhne niedrig und die Gesundheitsrisiken hoch sind, brechen sie und weitere 150 bis 200 Millionen Menschen alljährlich aus den inneren Provinzen in Richtung Küste auf.
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Helma Lutz: Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung, 2., überarbeitete Aufl. Opladen 2008. 227 S.
Die ›Vereinbarkeit‹ von Familie und Beruf ist angesichts steigender Frauenerwerbstätigkeit seit einigen Jahren Gegenstand der gesellschaftspolitischen Diskurse westlicher Industrienationen. In der Praxis wird diese Frage in Mittelklassehaushalten häufig durch die Beschäftigung einer bezahlten ›Haushaltshilfe‹ gelöst – meist illegalisierte, unter unregulierten Beschäftigungs-verhältnissen arbeitende, weibliche Migranten. Im Zuge des mit neoliberaler Politik einhergehenden Rückzugs des Wohlfahrtsstaates und der Rückführung ehemals öffentlich erbrachter Leistungen in den Privathaushalt hat sich für diese Tätigkeiten der weltweit größte Arbeitsmarkt entwickelt (11). Veränderungen in der Erwerbsstruktur haben demnach offensichtlich keine Aufhebung geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung zur Folge. Die entstandene ›Versorgungslücke‹ wird durch den Zukauf personenbezogener Dienstleistungen auf dem Weltmarkt kompensiert, und der vergeschlechtlicht e Charakter der Hausarbeit selbst wird nicht zur Disposition gestellt. Lutz betrachtet Geschlecht nicht als ontologische Kategorie, sondern »als ein Ensemble alltäglicher Handlungen, als Wahrnehmungs-, Darstellungs- und Zuschreibungsroutinen« und »heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit [...] als Effekt sozialer Praktiken« (39).
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Martin Klamt: Verortete Normen. Öffentliche Räume, Normen, Kontrolle und Verhalten. Wiesbaden 2007. 297 S.
Mit der ›Globalisierung‹ und dem marktschreierisch verkündeten ›Ende der Nationalstaaten‹ seit den 1990er Jahren ist ein Zurückdrängen demokratischer und sozialer Errungenschaften festzustellen. Damit wird zugleich die Frage nach dem Bestand des öffentlichen Raumes aufgeworfen, wie sie nicht zuletzt in den Kultur- und Sozialwissenschaften unter dem Modewort des ›Spatial turn‹ gestellt wurde. Was ist öffentlicher Raum aus der Sicht der Nutzer, wie hängen soziale Normen und Räume zusammen und wie wirken sich Normen auf die Wahrnehmung und das Verhalten der Raumnutzer aus?
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John F. Wilson, Andrew Popp (eds.): Industrial Clusters and Regional Business Networks in England, 1750-1970. Aldershot, Burlington 2003. 288 S.
In der Wirtschaftsgeschichte hat die Untersuchung von Industrieregionen in den 1990er Jahren neue Impulse durch die Fokussierung auf Netzwerke von Firmen und Institutionen erhalten. Dabei wird zunehmend auch auf Konzepte zurückgegriffen, die in der (Wirtschafts-)Geographie entwickelt bzw. angewendet werden. Es wird organisationstheoretisch nach den unterschiedlichen Unternehmensformen und ihrer Koordination gefragt und sozialtheoretisch nach der Einbindung der wirtschaftlichen Akteure in sozio-kulturelle Milieus.Weiterlesen: Industrial Clusters and Regional Business Networks in England
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Andrew Herod, Melissa W. Wright (eds.): Geographies of Power. Placing Scale. Oxford 2002. 315 S.
In diesem Sammelband werden zwar nicht die titelgebenden "Geographien der Macht" diskutiert, doch die den Inhalt weit besser beschreibende, im Untertitel gestellte Frage nach der Bedeutung räumlicher Maßstabsebenen (scales) ist nicht weniger aktuell oder diskutierenswert. Die zehn Beiträge befassen sich auf die eine oder andere Weise mit der seit den 1990ern in der angloamerikanischen Geographie debattierten scale question, in der es um die Produktionen und Funktionsweisen der sozialen Realität räumlicher Maßstabsebenen geht. Dies tun sie in so heterogener Weise, dass man, wohlwollend formuliert, von einer reichhaltigen Textsammlung mit vielen Denkanstößen sprechen könnte. Durch eine weniger rosa gefärbte Brille betrachtet handelt es sich um Texte, die sich weitgehend zufällig zwischen denselben Buchdeckeln wiederfinden und für die scale sehr unterschiedliche - und m. E. sehr unterschiedlich sinnvolle - Dinge bedeutet. Exemplarisch seien zwei Texte prominenter (Wirtschafts-)Geograph/inn/en etwas ausführlicher diskutiert.
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Michael Hardt, Antonio Negri: Multitude. Krieg und Demokratie im Empire. Frankfurt, New York 2004. 432 S.
Als Untermauerung ihrer weltgesellschaftlichen, weltweit erfolgreichen und beeindruckenden Analyse "Empire" wenden sich die Autoren dem neuen, von ihnen ganz spezifisch als Multitude definierten Subjekt der künftigen gesellschaftlich-politischen Entwicklung zu. Die nähere Untersuchung dieses Projekts halten sie deshalb für erforderlich, weil sich heute zum ersten Mal die Chance einer Demokratie im Weltmaßstab eröffne. Das Haupthindernis für deren Verwirklichung erblicken sie in dem derzeit herrschenden globalen Kriegszustand, wie er sich insbesondere nach dem 11. September 2001 herausgebildet hat. Der globalen Form von Souveränität, der Weltordnung des imperialen, aber nicht mehr imperialistischen Empire, der Netzwerkmacht, die kein eindeutig lokalisierbares Zentrum hat, wird ein offenes und breites Netzwerk der demokratischen Gegenmacht in den Weg gestellt, das dieses Empire irgendwann zum Einsturz bringen wird.- Kategorie: Rezensionen
Antje Schlottmann: RaumSprache. Ost-West-Differenzen in der Berichterstattung zur deutschen Einheit. Eine sozialgeographische Theorie. Stuttgart 2005. 343 S.
Der Titel des Buches von Antje Schlottmann verheißt zunächst die Verbindung von zwei unterschiedlichen geografischen Themenfeldern - regionalspezifische Differenzen in der medialen Berichterstattung zur deutschen Einheit und ihre Bearbeitung in einer sozialgeografischen Theorie. Schnell könnte man auf die Idee kommen, das Werk in den Kanon poststrukturalistischer oder diskursanalytischer Arbeiten einzuordnen, die nach den vielen turns der letzten Zeit, genannt seien hier als Beispiele cultural, linguistic, iconic oder spatial turn, die Humangeografie zu dominieren scheinen. Und tatsächlich ermöglicht erst die augenblickliche "wissenschaftliche 'Wendementalität'" (S. 22) eine solche Problemstellung im Schnittpunkt von Sozialgeografie, Linguistik und Soziologie. Den spezifischen Beitrag, den die Sozialgeografie in diesem Kontext zu leisten imstande ist, erkennt die Autorin in dem kritischen Hinterfragen einiger traditionaler Zuschreibungen von Kultur und Raum, die dem geographischen Weltbild zugrunde liegen. Das Buch bearbeitet die medial verbreitete Semantik von Ostdeutschland und ihre denkbaren Implikationen.
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Michael Flitner und Julia Lossau (Hg.): Themenorte. Münster 2005 (Geographie 17). 200 S.
Form follows function - diese wohl eleganteste Lüge moderner Gestaltungstheorie liegt zahlreichen Produkten in Design und Architektur zugrunde. Die postmoderne Kritik hat zurecht darauf hingewiesen, dass dieser Satz weder als Zustandsbeschreibung noch als Programm sinnvoll ist, da alle Objekte sozialer Wahrnehmung erst durch Bedeutungszuschreibung real werden und die daraus sich ergebenden Funktionen prinzipiell offen und vielfältig sind, d. h. eine Form ergibt sich nicht aus der Funktion eines Gegenstandes, weil er über sehr viele Funktionen verfügen kann.- Kategorie: Rezensionen