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Jens Wissel: Die Transnationalisierung von Herrschaftsverhältnissen. Zur Aktualität von Nicos Poulantzas` Staatstheorie. Baden-Baden 2007. 229 S.
Abhandlungen über die Zukunft des (National-)Staates füllen mittlerweile Bibliotheken. Hintergrund ist, dass die Staaten und das Staatensystem im Zuge der als Globalisierung bezeichneten neoliberalen Umstrukturierung des Kapitalismus erheblichen Transformationsprozessen unterliegen. An der einschlägigen Literatur fällt allerdings auf, dass das theoretische Instrumentarium zum Verständnis der Entwicklung bemerkenswerte Defizite aufweist. Wissel hat sich zum Ziel gesetzt, hier einen Schritt weiter zu kommen, ausgehend von einer kritischen Rezeption der staats- und klassentheoretischen Überlegungen von Nicos Poulantzas.
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Micha Brumlik: Wer Sturm sät. Die Vertreibung der Deutschen. Berlin 2005. 300 S.
Flucht, Umsiedlung und Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung aus ihren Wohngebieten in Ost- und Mitteleuropa am Ende des Zweiten Weltkriegs sind gegenwärtig zentrale Themen der Geschichtspolitik in Deutschland. Diskutiert werden Ursachen, Gründe und Legitimität der Aussiedlungen und ob sich die Deutschen daher als Opfer des Zweiten Weltkrieges betrachten können. Kristallisationspunkt der Kontroverse ist das vom Bund der Vertriebenen (BdV) seit 2000 geforderte Zentrum gegen Vertreibungen, das - mit öffentlichen Geldern finanziert - als nationaler Dokumentationsort und Mahnmal im Zentrum Berlins entstehen soll.
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Naomi Klein: The Shock Doctrine. The Rise of Disaster Capitalism. New York 2007. 576 S. [dt.: Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen- Kapitalismus Frankfurt/M 2007. 783 S.]
Wie einst fürs Kapital gilt für den Neoliberalismus: Er kommt "blut- und schmutztriefend " zur Welt (Marx, Kapital I, MEW 23, 788). Von Chile über den Irak bis New Orleans untersucht Klein die Rolle, die Gewalt und Terror als Geburtshelfer marktradikaler Reformen spielen. Es bedurfte einiger "Schocks", um ihn in Ländern zu implementieren, die normalerweise seine Einführung abgelehnt hätten. Staatsstreiche, ökonomischer Zusammenbruch oder Naturkatastrophen fungieren als willkommene Helfershelfer einer ursprünglichen Akkumulation, die öffentliches Eigentum massenhaft in private Hände bringt.
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Henry Heller: The Cold War and the New Imperialism. A Global History, 1945-2005. New York 2006. 366 S.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks und damit das Ende der Dritten Welt als blockfreier Formation in der Weltpolitik haben zu einer neuen Konjunktur und neuen Bestimmungen von Begriffen wie Hegemonie, Imperialismus und ›Empire‹ geführt, welche die neue, unipolare Konfiguration der globalen politischen Ökonomie erfassen sollen. Die bis dahin verwendeten Termini entsprangen dem Kontext der Konfrontation des von den Vereinig ten Staaten angeführten Westens mit der Sowjetunion, einem von einem Gürtel aus von sowjetfreundlichen Modernisierungseliten kontrollierten Staaten umgebenen Einzelgegners. Sie alle erwiesen sich offenkundig als unbrauchbar, die neue Konstellation zu beschreiben. Ebenso wenig ist jedoch das Vokabular des Kolonialismus und der Auseinandersetzungen um Einflusssphären in der Lage, die gewandelten Verhältnisse begrifflich zu fassen, ganz gleich, wie stark und auffällig am Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts einige Momente des klassischen Imperialismus fröhliche Urständ feiern.
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Heide Hammer: Revolutionierung des Alltags. Auf der Spur kollektiver Widerstandspraktiken. Wien 2007. 171 S.
Befragt nach ihrem ›Menschenbild‹ stehen der kritischen Theorie der Gesellschaft zwei Wege offen. Als klassisch gelten Ansätze, die das autonome Subjekt zum Maßstab erheben, an dem soziale Fehlentwicklungen erkannt und delegitimiert werden können. Radikaler ist es dagegen, schon die Frage entschieden zurückzuweisen, weil die Annahme invarianter Bestandteile des menschlichen Selbst als Effekt von Disziplinierung und Normalisierung kritisiert werden muss. Von diesem poststrukturalistischen und identitätskritischen Selbstverständnis aus argumentiert die Verf. Erklärtes Ziel ist es, Möglichkeiten widerständigen Handelns zu erkunden, das ohne den "Ballast von geschlossener Subjektivität" (17) auskommt und sich "nicht in der Logik von Sieg und Niederlage erschöpft" (12).
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Robert Castel: La discrimination négative. Citoyens ou indigènes? Paris (Reihe La République des Idées) 2007. 141 S.
Verf. knüpft an die in L'insécurité sociale (vgl. Arg. 256, 212ff) entwickelte Argumentation an. Der Titel bringt seinen Gegenbegriff in Erinnerung, die "positive" Diskriminierung bzw. Förderung benachteiligter Minderheiten - allerdings weniger die damit verbundenen konkreten Maßnahmen, wie z.B. Quotenregelungen, als vielmehr das politische Schlagwort, das die rechten Regierungen Frankreichs für sich zu vereinnahmen suchten, u.a. durch die Ernennung vereinzelter aus Nordafrika stammender Franzosen zu hohen Staatsbeamten. Nach der Präsidentschaftswahl hat Nicolas Sarkozy mit der Wahl Rachida Datis als Justizministerin solche positive Diskriminierung als selbsterfundene Leitlinie zu präsentieren gesucht. Derartigen spektakulären Public-Relations-Aktionen gegenüber galt es, die erdrückende Macht der gängigen, negativen Diskriminierung der Immigranten und ihrer Nachkommen herauszuarbeiten.
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Konrad Paul Liessmann: Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft. Wien 2006. 175 S.
Dass wir in einer Wissensgesellschaft leben, gehört zu jenen Diagnosen, denen kaum widersprochen wird. Allein die Allgegenwart des Begriffs sollte stutzig machen. Verf. hat dagegen eine über weite Teile brillant formulierte Streitschrift gegen "die Irrtümer der Wissensgesellschaft" vorgelegt und sie, in Anklang an Adorno, als "Theorie der Unbildung" bezeichnet. Er geht mit vielem hart ins Gericht: punktuelles Faktenwissen der Wissensshows, lifelong learning, das Bildung ersetzt, den Umgang mit Bildung und dem, was von ihr übrig geblieben ist, den in PISA-Studien kulminierenden ranking-Wahn, die inhaltliche Leere des Bologna-Prozesses, Elitenbildung und hegemoniale Gegenaufklärung.
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Gloria Davies: Worrying About China. The Language of Chinese Critical Inquiry. Cambridge/Massachusetts u. London 2007 312 S.
Über die Erläuterung des Begriffs youhuan yishi, des Sich Sorgens um China, führt dieser Band in die chinesischsprachige Auseinandersetzung um ›westliche‹ (post-)moderne Theorien und ihre mögliche Verortung in der chinesischen Kultur ein. Youhuan yishi, so Davies, sei ein konfuzianisches Konzept der moralischen Verpflichtung, sich durch Selbstkultivierung (xiushen) für die Verbesserung der chinesischen Nation bzw. der chinesischen Zivilisation (tianxia "alle unter dem Himmel") einzusetzen. Anhand von detaillierten Beispielen wird die Rezeption von Postmodernismus, Postkolonialismus, Neomarxismus und der weiterhin anhaltende Einfluss von Maoismus und Marxismus-Leninismus in chinesischsprachigen Publikationen (mehrheitlich einzelne Essays, aus Anthologien und Internetforen entnommen) in Transnational China dargestellt.
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Christine Holste: Kracauers Blick. Anstöße zu einer Ethnographie des Städtischen. Hamburg 2006. 186 S.
Im Spannungsfeld von Kunstgeschichte und Medienwissenschaft, im Kontext von Architektur und Urbanismus wird das disziplinen- und genreübergreifende Denken Siegfried Kracauers hier neu verortet. Der eigenwillige Soziologe entpuppt sich dabei als ein Vertreter der urbanen Ethnologie avant la lettre. Doch über den modischen ›turn‹ disziplinärer und methodischer Schwerpunktsetzung hinaus, erweist sich diese Perspektive als produktiv. Kracauer, der - auch sich selbst - unbequeme Intellektuelle der Weimarer Republik, stand lange im Schatten von Simmel und Benjamin. Ein Meister der ›kleinen Form‹, doch für den großen philosophisch-historischen Wurf allzu detailversessen und materialnah.
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Christian Schmidt: Individualität und Eigentum. Zur Rekonstruktion zweier Grundbegriffe der Moderne. Frankfurt/M 2006. 347 S.
Die öffentliche Aufmerksamkeit für Eigentum als soziales Verhältnis unterliegt Konjunkturen. Indem sie in den letzten Jahren verstärkt zum Gegenstand gesellschaftlicher Konflikte geworden ist, kann von einer Renaissance der Eigentumsfrage gesprochen werden. Sie findet ihren Anlass in der "Akkumulation durch Enteignung" (David Harvey, vgl. Argument 269, 90ff): Die Merkmale der von Marx als Entstehungsphase des Kapitalismus behandelten "sogenannten ursprünglichen Akkumulation" (Kapital I, Kap. 24) seien stetes Merkmal kapitalistischer Entwicklung. Das schließt Phänomene ein wie die Privatisierung von Land, die gewaltsame Vertreibung der Landbevölkerung, die Umwandlung kollektiven oder staatlichen Eigentums in Privateigentum sowie die Inwertsetzung neuer Bereiche, von Wissensressourcen indigener Gemeinden, naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und digitalen Gütern.
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Étienne Balibar: Der Schauplatz des Anderen. Formen der Gewalt und Grenzen der Zivilität. Hamburg 2006. 323 S.
Der vorliegende Band ist eine (inhaltlich zusammenhängende) Aufsatzsammlung aus den Jahren 1985-96, die im französischen Original 1997 erschienen ist. Der Autor arbeitet sich darin von Spinozas Frage, wie und unter welchen Bedingungen es überhaupt zu einer freiwilligen Unterwerfung unter eine Herrschaft kommen könne, über Kants Legitimierung und Begrenzung staatlicher Herrschaft, Fichtes Versuch der Konstituierung einer (deutschen) Nation, die Widersprüchlichkeit der marxistischen Ideologiekritik bis in die aktuelle Problematik der Grenzen Europas sowie der jeder Herrschaft (erst recht der modernen) inhärenten Gewalt mit entsprechender Gegen-Gewalt vor.