Kim Clark and Marc Becker: Highland Indians and the State in Modern Ecuador. Pittsburgh 2007. 348 S.

Der vorliegende Sammelband beschäftigt sich mit dem ungleichen und widersprüchlichen Prozess der Staatsformation in Ecuador, wobei besonders die Bedeutung der indigenen Bevölkerung hervorgehoben wird. Historisch spannt der Band einen Bogen vom ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bis zum 21. Jahrhundert, wobei die Herausgeber darauf geachtet haben, eine weitgehend lückenlose Abfolge vorzulegen, die selbstverständlich keinen enzyklopädischen Charakter haben kann.
Die 14 Beiträge der 13 Autorinnen und Autoren (vorwiegend Anthropologen und Historiker aus dem USamerikanischen akademischen Feld) zeichnen sich durch einen Zugriff auf die neuere politische Anthropologie des Staates aus, der die Imagination und das alltägliche Aushandeln von Staatlichkeit, den Prozess der "Staatsformation von unten" sowie Ethnographien des Staates in den Vordergrund stellt.

John Kannankulam: Autoritärer Etatismus im Neoliberalismus - Zur Staatstheorie von Nicos Poulantzas. Hamburg 2008. 351 S.

Mit seiner Monographie knüpft John Kannankulam an eine Reihe neuerer Arbeiten an, in denen die Aktualität materialistischer Staatstheorie im Anschluss an Nicos Poulantzas aufzuzeigen versucht wird. Wie der Titel verrät, wendet sich Kannankulam dem Konzept des autoritären Etatismus zu, mit dem Poulantzas eine neue Staatsform beschrieben hat, die er Ende der siebziger Jahre als Reaktion auf eine politische Krise heraufziehen und durch einen Verfall demokratischer Institutionen und Einschränkungen formaler Freiheiten gekennzeichnet sah.

Justin Akers Chacón und Mike Davis: Crossing the border. Migration und Klassenkampf in der US-amerikanischen Geschichte. Berlin 2007. 352 S.

Nach der Veröffentlichung des Originals (No one is illegal. Fighting Racism and State Violence on the U.S.-Mexico Border, 2006) hat nun Assoziation A schnell die deutsche Übersetzung eines Buches herausgebracht, das sich viel vornimmt - und das Meiste davon auch sehr ordentlich einlöst. Justin Akers Chacón und Mike Davis verweben die Geschichte der Migration in den Südwesten der USA mit einer Geschichte des Rassimus gegenüber den Migrierenden und dies unter dem Blickwinkel von Klasseninteressen und Klassenkämpfen. Sie zeigen dabei neben den Strukturen dieser Prozesse und ihrer Zusammenhänge, und den vielen heftigen Niederlagen, auch immer wieder das Aufbegehren und die Kämpfe der Migrationsbevölkerung gegen ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Frauke Miera: Polski Berlin. Migration aus Polen nach Berlin. Münster 2007. 391 S.

In der jüngeren Migrationsforschung wird polnische Migration nach Deutschland vor allem für die Zeit nach dem Fall der Mauer bearbeitet. PolInnen in Westeuropa gelten als typische TransmigrantInnen, sei es in der häuslichen Pflege, als (oft akademisch ausgebildete) Putzkräfte oder in der landwirtschaftlichen Saisonarbeit, da ihre Migration häufig durch ein beständiges Hin- und Her gekennzeichnet ist. In ihrer historisch angelegten Studie zeichnet Frauke Miera bereits für die Zeit zwischen 1945 und Ende der 1980er Jahre die Herausbildung komplexer Migrationssysteme nach.

Andreas Pott: Orte des Tourismus. Eine raum- und gesellschaftstheoretische Untersuchung. Bielefeld 2007. 326 S.

In dem ersten Kapitel "Tourismus und Raum als gesellschaftstheoretische Herausforderung" zeigt ANDREAS POTT, warum eine Beschäftigung mit Tourismus aus dem Blickwinkel der gesellschafts- und raumtheoretischen Debatten problematisch ist und daher kaum in Angriff genommen wurde. Während gesellschaftstheoretische Studien touristische Phänomene nicht berücksichtigen, werden tourismusbezogene Arbeiten nur selten gesellschaftstheoretisch eingebettet. Sein Anliegen ist jedoch, den Zusammenhang zwischen Gesellschaft, Tourismus und Raum zu beleuchten - und er tut dies mit systemtheoretischen Bezügen. Dies ist alles andere als nahe liegend, da NIKLAS LUHMANN, ein wichtiger Vertreter der Systemtheorien, "neben dem Menschen auch alles Physisch-Materielle - und damit auch viele der Räume, auf die die Alltagssprache referiert - in die nicht-kommunikative Umwelt der Gesellschaft ‚verbannt'" (S. 12) hat und somit - mit Blick auf das Thema Städtetourismus - weder an den Akteuren noch an den Orten des Tourismus Interesse zeigte.

Transit Migration Forschungsgruppe (Hg.): Turbulente Ränder. Neue Perspektiven auf Migration an den Grenzen Europas. Bielefeld 2007. 245 S.

Was heißt es heute, aus antirassistischer Perspektive über Migration zu sprechen? Seit Jahren wird diese Frage in der europäischen bewegungspolitischen Linken intensiv diskutiert. Ist es ihre primäre Aufgabe, die Festung Europa anzuprangern und Flüchtlingstragödien publik zu machen, oder soll es vielmehr darum gehen, MigrantInnen als strategisch handelnde Subjekte anzuerkennen, über ihren täglichen Widerstand zu sprechen, der nationalstaatliche Kontrollbemühungen immer wieder kunstvoll unterläuft?

Myriam Ximena Galleguillos Araya-Schübelin: Möglichkeiten zum Abbau von Segregation in Armenvierteln. Die Frage nach der sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit urbaner Ballungsräume am Beispiel Santiago de Chile. Kiel 2007 (Kieler Geographische Schriften 115). 226 S.

In der geographischen Forschung zu lateinamerikanischen Städten ist das Thema der Armenviertel ein wenig in den Hintergrund getreten. Daher nimmt man die in Kiel erschienene Dissertation mit Spannung zur Hand. Der Titel verspricht die Analyse eines bislang noch unbekannten Phänomens, der sozialräumlichen Segregation in (also nicht von) Armenvierteln. Um es gleich zu sagen: Im Buch wird zu dieser "Mikro-Segregation" wenig gesagt. Wohl aber geht es der Autorin um die Makro-Segregation, d.h. um die Konzentration von sozial Unterpriviligierten in Kommunen und Barrios der Agglomeration Santiago de Chile, und um Fragen der Meso-Segregation, also der Neuanlage von Vierteln höherer Gesellschaftsschichten in unmittelbarer Nähe der Armenviertel.

Tilo Felgenhauer: Geographie als Argument. Eine Untersuchung regionalisierender Begründungspraxis am Beispiel "Mitteldeutschland". Stuttgart 2007 (Sozialgeographische Bibliothek 9). 246 S.

Im Mittelpunkt der trefflich betitelten Arbeit von Tilo Felgenhauer steht die Konstitution von Raum durch sprachliche Praktiken. Konkret nimmt Felgenhauer  den Redaktionsprozess der Sendereihe "Geschichte Mitteldeutschlands" des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) hinsichtlich der dort kommunizierten Bedeutungsgehalte des Begriffes "Mitteldeutschland" in den Blick. Dabei geht es ihm um nichts weniger als darum, "mittels eines sprachbezogenen Vokabulars eine Erklärung für eine räumliche Entität namens "Mitteldeutschland" zu liefern, die auf substantialistische Prämissen verzichtet und stattdessen eine Beschreibung des Gebrauchs und eine Erklärung des semantischen Gehalts des Toponyms "Mitteldeutschland" anstrebt" (S. 8). Dies muss Lesenden zunächst als explizite Offenlegung des Erkenntnisinteresses genügen, findet sich in der Arbeit leider keine ausführliche Darstellung der zugrunde liegenden Forschungsfragen, die vielmehr implizit in den einzelnen Kapiteln aufgeworfen werden.

Axel Borsdorf: Geographisch denken und wissenschaftlich arbeiten. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg 2007. 193 S.

Der vorliegende Band beruht auf Einführungsveranstaltungen, die der Autor seit langer Zeit regelmäßig durchführt, um Studierenden die Breite des Faches zu vermitteln, ein theoretisches Fundament zu legen und methodisches Rüstzeug auf den Weg durch das Studium mitzugeben.

Felicitas Hillmann: Migration als räumliche Definitionsmacht? Beiträge zu einer neuen Geographie der Migration in Europa. Stuttgart 2007 (Erdkundliches Wissen 141). 321 S.

Transnationale Migration ist nicht nur eine Folge und Ausdruck der Globalisierung, sondern zugleich auch Motor von Prozessen der Globalisierung und der Fragmentierung. Dem Buch von Felicitas Hillmann, Bremer Professorin für Humangeographie, liegt die Annahme zu Grunde, dass sich im Zuge der beschleunigten Globalisierung seit Beginn der 1990er Jahre Migrationsprozesse in ihren Erscheinungsformen, Auswirkungen und in ihrer räumlichen Organisation verändert haben. Ziel des Buches ist es zum einen, die spezifisch geographische Dimension von Migrationen empirisch darzulegen, und zum anderen, neue Forschungshorizonte der geographischen Migrationsforschung aufzuzeigen.

María do Mar Castro Varela: Unzeitgemäße Utopien. Migrantinnen zwischen Selbsterfindung und Gelehrter Hoffnung. Bielefeld 2007. 304 S.

"Die Utopikerin visioniert Orte, die anders als der Ort sind, an dem sie lebt, während sich die Migrantin auf den Weg macht, eben diese Orte zu finden." (38) Somit ist die "Migrantin die materielle Utopikerin". (38) María do Mar Castro Varela hat in ihrer Dissertationsarbeit einen interessanten Bogen zwischen Utopie und Migration aufgespannt. In einem gelungenen theoretischen Einleitungsteil verbindet sie eine an Ernst Bloch und Michel Foucault orientierte Utopiediskussion , die sie an Hand der Konzepte von "Selbsterfindung" (66f) und "gelehrter Hoffnung" (61f) engführt, mit einer an postkolonialen Ansätzen orientierten Raumdiskussion, die Konzepte wie third spaces, Borderlands, Grenze, und Heterotopie umfasst.