Projekt Klassenanalyse & BRD: Mehr Profite - mehr Armut. Prekarisierung & Klassenwiderspruch, Bd. 4. Wuppertal 2007. 216 S.

Der jüngste Band einer seit 2004 von der Marx-Engels-Stiftung Wuppertal hgg. Reihe zum Klassencharakter unserer Gegenwartsgesellschaften beinhaltet nach einer einleitenden Studie von Ekkehard Lieberam über die "Unterschichtsdebatte" (7-70) mehrere Beiträge einer 2007 durchgeführten Konferenz mit dem Titel "Prekarisierung - Absturz ohne Widerspruch?".

Antonio Gramsci: Amerika und Europa. Hgg. im Auftrag des Instituts für kritische Theorie von Thomas Barfuss, Gramsci-Reader. Hamburg 2007. 194 S.

Der allgemeine Titel der Auswahl aus den Gefängnisheften Gramscis verweist einerseits auf das breite Spektrum, in dem sich Gramscis Analysen des Aufstiegs des Fordismus in Amerika bewegen, andererseits auf das spezifische Interesse, das er den USA zukommen ließ, um die Art und Weise, wie sich "Amerikanismus und Fordismus" in Europa durchsetzen würden, zu untersuchen. Hg. möchte Gramscis "intensive Beschäftigung mit den USA, dem Fordismus und dem Amerikabild seiner Epoche einem allgemein interessierten Publikum und den Fachwissenschaftlern verschiedener Disziplinen rasch und konzentriert zugänglich machen" (7).

Karin Harrasser, Sylvia Riedmann u. Alan Scott (Hg.): Die Politik der Cultural Studies - Cultural Studies der Politik. Wien 2007. 271 S.

Der Titel impliziert, dass alles Kulturelle politisch ist, alles Politische eine kulturelle Dimension hat. Um in den auf "Managementmethoden" (24), "Markttauglichkeit" (93) und intellektuelle Prekarität ausgerichteten Universitäten zu bestehen, haben sich die Geisteswissenschaften in Kulturwissenschaften verwandelt. In ihrer Fixierung auf die Konsumsphäre und die Kulturindustrie haben sie sich häufig, so Jim McGuigan, mit dem Objekt der Analyse identifiziert und allen kritischen Impetus eingebüßt.

John Hartley:  A Short History of Cultural Studies. London u. Thousand Oaks 2003. 200 S.

Da die Cultural Studies auf den Marxismus zurückgehen, hat es lebhafte Debatten darüber gegeben, welche Art von Marxismus denn darin zur Anwendung kommen solle. Man könnte unter diesem Gesichtspunkt geradezu eine Geschichte der britischen Cultural Studies schreiben: vom ökumenischen Marxismus und demokratischen Sozialismus eines E.P. Thompson und Raymond Williams über die Versuche Stuart Halls und seiner Kollegen, Gramsci und Althusser zu vermitteln, zur Abkehr vom Marxismus im Zeichen Foucaults und des Poststrukturalismus bis hin zu einem kulturellen Populismus anti-marxistischer Prägung, wie er in den 1980er Jahren hervorzutreten begann.

Angela McRobbie: The Uses of Cultural Studies: A Textbook. London 2005. 242 S.

Die Textsammlung will Studierenden die wichtigsten Theorieansätze der Cultural Studies (CS) vorstellen: Stuart Hall, Paul Gilroy, Judith Butler, Homi Bhabha, Pierre Bourdieu und Fredric Jameson. Als Beigabe werden Analysen zu Bourdieus Das Elend der Welt und Butlers Antigones Verlangen dokumentiert.

Wolfgang Maderthaner u. Lutz Musner, Die Selbstabschaffung der Vernunft. Die Kulturwissenschaften und die Krise des Sozialen. Wien 2007. 120 S.

Es ist dies nicht die erste Lanze, die die Autoren für eine Theorie und Praxis der Kulturwissenschaften brechen, die sich der Gesellschaftlichkeit ihrer Gegenstände bewusst sind (vgl. auch Lutz Musners Beitrag im Schwerpunkt dieses Heftes). Die Frontstellungen werden klar benannt: gegen "die Reduktion des Sozialen auf das Symbolische, die Reduktion von Klassen auf Lebensstile, die Verschiebung des Politischen ins Ästhetische, die Entkoppelung der Ökonomie von Politik und Gesellschaft und die Inszenierung eines Massenindividualismus, der die prekären sozialen Bedingungen seiner Möglichkeit nicht mehr kennt" (100).

Jan Rehmann: Einführung in die Ideologietheorie. Hamburg 2008. 241 S.

Das Buch ist eine aus dem HKWM-Artikel "Ideologietheorie" hervorgegangene Aktualisierung der 1979 erschienenen "Theorien über Ideologie", damals das Produkt eines Autorenkollektivs, des Projekts Ideologietheorie (PIT). Es geht über das PIT hinaus, indem es "die bisher erarbeiteten ideologietheoretischen Instrumentarien am weltweit hegemonialen Neoliberalismus" erprobt (18). Dies geschieht durch die "symptomale Lektüre eines neoliberalen Grundlagentexts" (Friedrich Hayek) und einen "Streifzug durchs ideologische Dispositiv des Neoliberalismus" (Kap. 10 und 11).

Thierry Chervel u. Anja Seeliger (Hg.), Islam in Europa. Eine internationale Debatte. Frankfurt/M 2007. 227 S.

Ein Großteil der Debatten erweckt den Eindruck, als ginge ein neues Gespenst um in Europa. Es trägt einen Schleier und besucht freitags die Moschee. Zwar gibt es eine lange Tradition von autochthonen, muslimischen Gemeinschaften in Europa. Aber tatsächlich hat der Islam durch den rasanten Anstieg der Migration das Gesicht der europäischen Gesellschaften grundlegend verändert. Dies zeigt der Beitrag Bassam Tibis mit beeindruckenden Zahlen: 1950 lebten etwa 800.000 Muslime in Europa, heute sind es 20 Millionen (185). Diese Veränderung produziert notwendigerweise Konflikte und setzt gesellschaftliche Prozesse in Gang, über die man reflektieren muss.

Gerhard Kruip u. Michael Fischer (Hg.), Feindliche Übernahmen? Zur Dynamik gesellschaftlicher Grenzüberschreitungen. Hamburg 2007. 128 S.

Ausgangspunkt ist Niklas Luhmanns These, dass moderne Gesellschaften primär funktional differenziert sind, daher nicht von einem gesellschaftlichen Zentrum aus gesteuert und zusammengehalten werden, sondern in gegeneinander abgeschlossene, autonome Funktionssysteme zerfallen: Politik, Recht, Wirtschaft, Kunst usw. Wenn man funktionale Differenzierung zudem nicht nur als evolutionäres Resultat betrachtet, sondern normativ schützen will, erscheinen Prozesse, in denen sich ein System in die Operationen eines anderen sozusagen einmischt, als problematische "Autonomiebedrohungen" (17) oder eben "feindliche Übernahmen".

Fynn Ole Engler: Realismus und Wissenschaft. Der empirische Erfolg der Wissenschaft zwischen metaphysischer Erklärung und methodologischer Beurteilung. Philosophische Untersuchungen, hgg. v. Günter Figal und Hans Jürgen Wendel, Bd. 19. Tübingen 2007. 210 S.

Verf., Philosoph und Physiker, untersucht in seiner Dissertation, wie der "anhaltende empirische Erfolg" der modernen "methodischen Wissenschaften" zu erklären ist (1). Im Zentrum seiner Aufarbeitung der in der wissenschaftstheoretischen Debatte angebotenen Erklärungen stehen die Fragen: "Wie konstruieren Wissenschaftler ihre empirisch erfolgreichen Theorien? Von welchen heuristischen Direktiven und Strategien lassen sie sich dabei leiten? [...] Können Wissenschaftler anhand ihrer Theorien tatsächlich etwas von der Realität erkennen? Welche Bestandteile von Theorien erweisen sich dabei auch über wissenschaftliche Revolutionen hinweg als beständig?" (ebd.)

Elisabeth List: Vom Darstellen zum Herstellen. Eine Kulturgeschichte der Naturwissenschaften. Weilerswist 2007. 254 S.

Wissenschaftstheorie in der Funktion einer Metatheorie, die den Rationalitäts- und Geltungsanspruch moderner Naturwissenschaften verteidigt, so stellt Verf. einleitend fest, ist im 21. Jh. überflüssig geworden. Denn die Naturwissenschaften sind in ihrer Autorität für die Gesellschaft mittlerweile unbestritten, vor allem aufgrund ihrer Produktion technisch und industriell verwertbaren Wissens. Sie folgen heute selbst den neoliberalen Profitkalkülen des weltweiten Marktes. Demgegenüber hält List eine kulturtheoretisch orientierte Wissenschaftsanalyse für bedeutend. Deren Aufgabe sieht sie darin, die nicht thematisierten Selbstverständlichkeiten, die wissenschaftliches Arbeiten in verschiedenen Zeiten, Kulturen und Disziplinen prägen, aufzuspüren und zu deuten.