Axel Honneth: Pathologien der Vernunft. Geschichte und Gegenwart der Kritischen Theorie. Frankfurt/M 2007. 239 S.

Dies ist nicht der erste Versuch einer "Reaktualisierung" (8) der Kritischen Theorie, den Honneth unternimmt. Seinen Ausgangspunkt hat dieses Projekt in einer Untersuchung über die "Bildung und Behauptung sozialer Macht" (Kritik der Macht, 1985, 7). Im Anschluss wendete sich Verf. rechtsphilosophischen, sozialpsychologischen und vernunfttheoretischen Überlegungen zu. Die Ergebnisse fließen nun in eine Interpretation der Kritischen Theorie ein, die Aufschluss über ihre "intellektuelle Erbschaft" (28) geben soll.

Stephan Lessenich: Die Neuerfindung des Sozialen. Der Sozialstaat im flexiblen Kapitalismus. Bielefeld 2008. 169 S.

Die Literaturstudie geht davon aus, dass der Sozialstaat in den industrialisierten Zentren der Welt nicht mehr wegzudenken oder gar abzuschaffen ist. Vor diesem Hintergrund versucht er, die Veränderungen des Sozialstaats - vor allem in der Bundesrepublik - zu begreifen. Zentrale These ist, dass es nicht so sehr um seinen Abbau oder seinen als neoliberal gekennzeichneten Umbau in Richtung auf einen "nationalen Wettbewerbsstaat" (Hirsch, Jessop) gehe, sondern um die Neugestaltung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft. Dabei gerate das Versprechen der Moderne, ein selbstbestimmtes Leben der Individuen zu ermöglichen, unter die Räder eines Lebensentwurfes, der die Individuen als nurmehr "sozialverantwortliche Subjekte" (84) konstruiert. Nachdem Lessenich die Entstehung des Sozialstaats als "Erfindung des Sozialen" (16) dargestellt hat, weil hier "die symbolische und materiale Konstruktion einer öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit 'der Gesellschaft' für ihre Mitglieder" (ebd.) in Erscheinung tritt, begreift er dessen aktuelle Veränderungen als die "'Neuerfindung' des Sozialen" (38). Seine These verfolgt L. konsequent in den fünf Kapiteln des Buches.

Stefanie Föbker: Wanderungsdynamik in einer schrumpfenden Stadt. Eine qualitative Untersuchung innerstädtischer Umzüge. Hamburg (Schriften des Arbeitskreises Stadtzukünfte der Deutschen Gesellschaft für Geographie 5) 2008. 205 S.

Im Zentrum der Dissertation von STEFANIE FÖBKER steht die Frage nach den Wechselwirkungen zwischen städtischen Schrumpfungsprozessen und innerstädtischer Mobilität. Zum einen beleuchtet die Autorin die Hintergründe innerstädtischer Wanderung und fragt nach der Bedeutung lokaler Wohnungsmärkte schrumpfender Städte für das Mobilitätsverhalten von Haushalten. Zum anderen analysiert die Autorin die Wirkungen, die von innerstädtischen Wanderungsbewegungen auf den Wohnungsmarkt ausgehen. Gerade in dieser Betrachtung der wechselseitigen Beziehungen von Struktur und Handlung unter Bezug auf die GIDDENsche Strukturtheorie liegt eine Besonderheit der vorliegenden Studie.

Georg Schön: Somos Viento (Wir sind der Wind). Globalisierte Bewegungswelten in Lateinamerika. Münster 2008.

Soziale Bewegungen sind ein umkämpfter Forschungsgegenstand: Verschiedene theoretische Ansätze konkurrieren um ihre angemessene Beschreibung, die mal mehr die Akteurinnen und Akteure und mal eher die Bedingungen im Blick haben, unter denen sie agieren. Als Gegenstand in actu reden aber auch die Bewegungen selbst bei ihrer Deskription mit und stellen zuweilen die akademischen Maßstäbe und deren Angemessenheit in Frage. Dominiert im deutschsprachigen universitären Raum eine Perspektive auf gelingende Institutionalisierung von Inhalten und Forderungen der Bewegungen, wird in - geographisch wie milieubezogen - anderen Gegenden die Autonomie als Zweck und Ziel sozialer Bewegungen zugleich hoch gehalten. "Das Bedürfnis nach Autonomie", schreibt Georg Schön in seiner empirisch-theoretischen Studie, "lässt sich als zentrales Bindeglied zwischen den neuen sozialen Bewegungen in Lateinamerika erkennen." (49)

Henning Melber (Hg.): Transitions in Namibia. Which changes for whom? Uppsala 2007. 262 S.

Wer den Human Development Index (HDI) heranzieht, um sich nach dem Wohlergehen der Namibier zu erkundigen, wird zwar nicht gerade in Jubelschreie ausbrechen, er wird aber auch zu der Erkenntnis gelangen, dass es um Namibia im innerafrikanischen Vergleich so schlecht nicht bestellt ist. In der HDI-Rangliste aller Staaten liegt Namibia knapp hinter Botsuana zwar nur auf dem 125. Platz, aber deutlich vor einem Land wie Ghana, das in den letzten Jahren zu einer Art "afrikanischem Musterland" avanciert ist.

Jan Rehmann: Einführung in die Ideologietheorie. Hamburg 2008. 350 S.

Rehmann liefert zum einen eine Geschichte der Ideologietheorie von Destutt de Tracy über Marx und Engels, Lenin und den Leninismus, Lukacs und die Frankfurter Schule, Gramsci, Althusser, Bourdieu, Poststrukturalismus und Postmoderne bis hin zu W. F. Haug und dem "Projekt Ideologietheorie". Darauf aufbauend nutzt er zum zweiten den vom "Projekt Ideologietheorie" (an dem er selbst mitgearbeitet hat) entwickelten Ansatz zu einer kritischen Analyse von Friedrich Hayeks Grundlagentexten zum Neoliberalismus und dem, was bei anderen Neoliberalen daraus geworden ist.

Aram Ziai (Hg.): Exploring Postdevelopment. Theory and practice, problems and perspectives. London u.New York 2007. 240 S.

In diesem Sammelband legen 14 AutorInnen auf 240 Seiten eine Zwischenbilanz der andauernden Debatte um die entwicklungskritischen Ansätze vor, die unter dem Label "post-development" zusammengefasst werden, wobei sie aktuelle Theorien und Praktiken aufgreifen sowie Probleme und Perspektiven aufweisen.

Gerhard Hauck: Kultur. Zur Karriere eines sozialwissenschaftlichen Begriffs. Münster 2006. 226 Seiten

Im Band 16/17 der Reihe Einstiege des Westfälischen Dampfboots gibt Gerhard Hauck in kurzen Kapiteln einen Überblick über die wichtigsten Vertreter und Positionen in der sozialwissenschaftlichen Debatte um Kultur. Ausgehend von Herder, bespricht er den Kulturbegriff in Deutschland vor und zwischen den beiden Weltkriegen wie auch den der Cultural Anthropology in Amerika, die Positionen des Assimilationismus, Primordialismus und Kommunitarismus in der US-amerikanischen Diskussion und die des Konstruktivismus des späten 20. Jh. Darauf folgt ein Versuch, einen kritischen, nicht-essentialistischen Kulturbegriff zu entwickeln und diesen in den Auseinandersetzungen um Herrschaft und Macht zu verorten.

Niko Reinberg: Jenseits von Sonnenpyramiden und Revolutionstourismus. Comunidad Coire: Indigene Wirklichkeit in Mexiko. Münster u.a. 2007. 176 S.

Niko Reinbergs Buch über eine Gemeinde an der mexikanischen Pazifikküste unweit des Mega-Ferienortes Acapulco in Michoacan, welches im Zuge seiner Mexiko-Studien als Diplomarbeit entstanden ist, beschreibt die Geschichte und den Werdegang von El Coire und seiner Bewohner/Innen, die sich trotz Jahrhunderte langer, vor allem extern angestoßener Transformationsprozesse, ein Stück ihrer gemeindeeigenen 'Identität' bewahren konnten. Das Spannungsverhältnis zwischen den "Mechanismen der Penetration" und einer an der Peripherie liegenden Kommune, die mit Hilfe der gemeinschaftlichen Erinnerung ihre Selbsterhaltungskräfte mobilisiert, wird dem Leser anhand der qualitativen Studie durch zahlreiche Interviews und Beschreibungen näher gebracht.

César N. Caviedes: El Niño. Klima macht Geschichte. Darmstadt 2005. 167 S.

Caviedes, der sich seit den 60er Jahren mit der ENSO- Forschung sowie der Klimatologie Südamerikas und dem Karibischen Raum beschäftigt, hat mit seinem Buch "El Niño. Klima macht Geschichte" ein umfassendes Werk zur El Niño-Thematik verfasst, das nahezu die gesamte Bandbreite der globalen Auswirkungen des Phänomens anspricht.

Ortwin Renn, Pia-Johanna Schweizer, Marion Dreyer und Andreas Klinke: Risiko. Über den gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheit. München 2007. 271 S.

Risikoforschung richtet sich auf das Spannungsfeld zwischen unabwendbaren Gefahren ("Gefahren ausgesetzt sein") und zukunftsgerichteten, kalkulierten Risiken ("Risiken eingehen"). Der gesellschaftliche Umgang mit Risiken bezieht sich daher immer auf eine unvorhersehbare Zukunft. Allerdings stehen jetzt und heute Entscheidungen über Risiken an, die weit in die unsichere Zukunft hineinreichen. Dies ist das Grunddilemma des Risikohandelns. Folgen wir ULRICH BECKs "Weltrisikogesellschaft" (2007), so machen globale Risiken - von der Finanzkrise bis zum Klimawandel - immer riskantere gesellschaftliche Entscheidungen notwendig, die heute die Zukunft der Weltgesellschaft bestimmen, ohne dass die Entscheidungsgrundlagen offen liegen. Risiko wird damit zu einem neuen Vermittlungsthema zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Technik und den Medien, bei dem die Schnittstellen zwischen Risikokalkül und Sicherheitsbedarf unter Bedingungen von Unsicherheit immer neu ausgehandelt werden müssen.