Hans Gebhardt, Paul Reuber und Günter Wolkersdorfer: Kulturgeographie. Aktuelle Ansätze und Entwicklungen. Berlin 2003. 300 S.

Mehr als andere Werke stellt ein Sammelband den Rezensenten vor die Herausforderung, einerseits den Inhalten der Beiträge gerecht zu werden, andererseits auch etwas über Aussage und Anspruch des Werkes insgesamt mitzuteilen. Aus Gründen des für eine Rezension verfügbaren Raums wird im folgenden nur die programmatische Einleitung näher besprochen.

Michael Plattner: Cluster-Evolution im Produktionssystem der ostdeutschen Halbleiterindustrie. Münster, Hamburg und London. 2003 (Wirtschaftsgeographie 21). 223 S.

Die Mikroelektronikindustrie im Raum Dresden ist das markanteste High-Tech-Cluster in Ostdeutschland und die Branche hatte eine herausgehobene Stellung in der DDR-Ökonomie. Schon aus diesen beiden Gründen ist der Studie von Michael Plattner über den Aufbau und die Transformation der ostdeutschen Halbleiterindustrie besondere Aufmerksamkeit sicher. Zudem hat die Branchengeschichte noch eine besondere wirtschaftsgeographische Dramatik anzubieten. Die Wurzeln gehen zurück bis in das Ende der 50er Jahre, als in Berlin-Frankfurt/ Oder und Dresden Betriebe gegründet wurden, später kam noch der Standort Erfurt hinzu. Die Produktions- und Forschungspotentiale der Branche waren an diesen drei Standorten räumlich konzentriert.

Hannah Reich: Medien und Konflikt: der Landdiskurs in Palästina. Stuttgart 2003. 162 S.

Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis ist ein Konflikt um Land. Ein Konflikt, der mit Panzern, Stacheldraht und Bomben vielfach blutig ausgetragen wird. Im Mittelpunkt der Publikation von Hannah Reich, die auf einer sozialgeographischen Diplomarbeit basiert, stehen aber nicht diese unmittelbar physischen Auseinandersetzungen, sondern der Konflikt der Worte und Bilder in den Medien, welche die physischen Konflikte begleiten, diese strukturieren und ihnen Bedeutung geben.

Boris Braun: Unternehmen zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen. Konzepte, Akteure und Chancen des industriellen Umweltmanagements aus wirtschaftsgeographischer Sicht. Münster  2003 (Wirtschaftsgeographie 25). 343 S.

Die Wirtschaftsgeographie als Lehre der Mensch- Umwelt-Interaktionen beschäftigt sich mit vielfältigen Umwelten des Menschen bzw. der Organisation, aber nur selten mit der natürlichen Umwelt. Soyez (2002) spricht auf Grund dieses Defizits von der Umweltblindheit wirtschaftsgeographischer Forschung. Mit seiner Habilitationsschrift arbeitet Boris Braun den Beitrag der Wirtschaftsgeographie zur Analyse des Wirkungsgefüges zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt heraus. Der Verfasser verfolgt keinen holistischen Ansatz, sondern eine überwiegend anthropozentrisch-ökonomische Betrachtungsweise und stellt den einzelnen Betrieb in den Mittelpunkt der Betrachtung.

Thomas Rottland: Von Stämmen und Ländern und der Macht der Karte. Eine Dekonstruktion der ethnographischen Kartierung Deutsch-Ostafrikas. Berlin 2003. (Zentrum Moderner Orient, Arbeitshefte Nr. 21). 118 S.

So kurz sie auch war, die deutsche Kolonisierung hat in Afrika einige Spuren hinterlassen. Neben dem schweren Erbe von Landenteignung und Genozid, wie in Deutsch Süd-Westafrika, war das Deutsche Reich maßgeblich am Beginn der kartographischen Erfassung des Kontinents beteiligt und hat ein aufschlußreiches Kartenmaterial hinterlassen. Über diese Hinterlassenschaft liegt nun eine Arbeit vor, die sich am Beispiel Ostafrikas der ethnographischen Kartierung widmet.

Georg Dybe: Regionaler Wirtschaftlicher Wandel. Die Sicht der evolutorischen Ökonomie und der "Neuen Wachstumstheorie". Münster, Hamburg, London 2003 (Stadt- und Regionalwissenschaften 2). 400 S.

Wirkungen und Ursachen des regional(wirtschaftlich)en Strukturwandels sind derzeit nicht nur in Deutschland ein hochaktuelles Thema für die Wissenschaft und die Politik. Die tatsächlich interdependente, von weiten Teilen der Bevölkerung aber als einseitig wahrgenommene Abhängigkeit zwischen regionsexogenen, hervorgerufen z.B. durch Globalisierungstrends, und regionsendogenen Einflüssen auf die (Wirtschafts)Entwicklung einer Region seien hier exemplarisch genannt. Innerhalb Deutschlands liefern die aufs engste mit der Schaffung bzw. dem Verlust von Arbeitsplätzen verbundenen Konsequenzen des regionalen Strukturwandels speziell in Ostdeutschland viel politischen Zündstoff insbesondere deshalb, weil der (noch) dort lebenden Bevölkerung die intendierten positiver Wirkungen regional- und strukturpolitischer Maßnahmen kaum glaubhaft vermittelt werden können.

Christoph Dittrich: Bangalore. Globalisierung und Überlebenssicherung in Indiens Hightech-Kapitale. Saarbrücken 2004 (Studien zur geographischen Entwicklungsforschung 25). 451 S.

Innerhalb der kontrovers geführten Globalisierungsdebatte wird einigen städtischen Zentren der Welt eine Schlüsselstellung zugeschrieben; diese "Global Cities" gelten als die entscheidenden Macht- und Kontrollzentren der Weltwirtschaft und Knotenpunkte für Waren-, Finanz- und Informationsflüsse. Einige der wachsenden Millionenstädte in Entwicklungsländern werden von dieser globalen Dynamik erfasst.

Petra Overwien: Planungsbezogenes Konfliktmanagement unter Transformationsbedingungen. Ein empirischer Beitrag von Suburbanisierungstendenzen in der Stadtregion Berlin. Berlin 2003. 292 S.

Nachdem sich Berlin 1920 durch enorme Eingemeindungen arrondiert hatte, ruhte die Stadt-Umland-Frage wegen der politischen Ereignisse für sechs Jahrzehnte und es mussten die Stadt-Umland-Beziehungen nach 1990 völlig neu gestaltet werden. Während in Städten wie München oder Hamburg die Bevölkerungsanteile Stadt : Umland bei etwa 60:40 liegen, war das Verhältnis im Großraum Berlin etwa 80:20. Dem Drang ins Umland entsprach ein hohes Flächenangebot. Flankierend waren bis 1998 wirksame vereinigungsbedingte Steuervergünstigungen, ein mehrere Jahre währender rechtsfreier Raum, hervorgerufen durch die abrupte Umstellung der gesamten Verfassungs- und Rechtsordnung in den neuen Bundesländern und das Hinterherhinken der Landesplanung gegenüber dem frühzeitig geschaffenen Kommunalrecht in Brandenburg. Das bedeutet u.a., dass im ersten Nach-Wende-Jahrzehnt vorgenommene Weichenstellungen in den relativ spät erstellten Flächennutzungsplänen festgeschrieben werden müssen und langzeitliche Nachwirkungen haben.

Conrad Schetter: Ethnizität und ethnische Konflikte in Afghanistan. Berlin 2003. 641 S.

Die vorliegende Dissertation hat sich zu einem Zeitpunkt mit Fragen ethnischer Gruppen in Afghanistan befasst, als noch nicht abzusehen war, dass die Ereignisse um den 11. September das internationale Augenmerk in solch hohem Maße wieder dorthin lenken würden. Es ist das Verdienst von CONRAD SCHETTER, sich mit großer Akribie und Sichtung zahlreicher Dokumente und Studien diesem Thema erneut angenommen zu haben.

Christian Hartwig Müller-Krug: Das Bauhaus und die Gestaltung mitteldeutscher Bergbaufolgelandschaften. Ein Beitrag zur Kunst- und Kulturlandschaftsforschung. Stuttgart 2002 (Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg 93). 323 S.

Hinter dem Begriff der Kunst- und Kulturlandforschung verbirgt sich das, was der Autor als eine für die Geographie "etwas ungewohnte Verbindung von Geschichte und Arbeit einer bahnbrechenden Kunsthochschule mit den Umbrüchen, Veränderungen, Bedrohungen und Perspektiven, der sie umgebenden Kulturlandschaften" bezeichnet.

Jouke van Dijk, Paul Elhorst, Jan oosterhaven and Egbert Wever: Urban regions: Governing interacting economic, housing, and transport systems. Utrecht 2003 (Nederlandse Geografische Studies 303). 398 S.

Der vorliegende Sammelband umfasst 22 Beiträge, die im Rahmen des ERSA Summer Institutes 2001 präsentiert und diskutiert wurden. An der Tagung nahmen 36 junge Regionalwissenschaftler aus 16 Ländern teil. Der Sammelband stellt ein äußerst heterogenes Gesamtwerk dar, da jedem Teilnehmer die Möglichkeit geboten wurde, eine überarbeitete Version des Vortrags zu veröffentlichen, auch wenn sich der Beitrag nicht dem Tagungsthema zuordnen ließ. Hierin ist die Hauptschwäche des Werkes zu sehen, zumal keinerlei inhaltliche Gliederung der Beiträge zu erkennen ist. Die Bandbreite der stadt- bzw. siedlungsgeographischen Themen reicht von empirischen Fallstudien (wie z.B. dem Beitrag von MADANI a. DIAFAT: 'Intermediate cities and sustainable development: the case of Setif - Algeria' oder der Arbeit von FÖLDI zu 'The perception and evaluation of urban environments in migration-related decisions: the example of Budapest') über vergleichende stadtgeographische Arbeiten (z.B. KASBRASIEV a. MCCANN: 'Economic and social development of cities of Tatarstan'; PITERSKI: 'Cities in contemporary Russia: an evaluation of their development potential') bis hin zu theoretischen oder Modell orientierten Beiträgen (z.B. CEBALLOS: 'Key concepts in the ‚new institutionalism' approach, the context of urban regeneration strategies' oder RIETVELD, KOETSEU a. WOUDENBERG: 'Parking in cities: how essential is parking for healthy central shopping areas?').