Günter Meyer u. Andreas Thimm (Hg.): Ethnische Konflikte in der Dritten Welt: Ursachen und Konsequenzen. Mainz 2001 (Veröffentlichungen Interdisziplinärer Arbeitskreis Dritte Welt, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Bd. 14). 229 S.

Nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes haben zumindest in der europäischen und nordamerikanischen Wahrnehmung weltweit ethnische Konflikte in einer Weise an Häufigkeit und Dimension zugenommen, daß bereits von einer Bedrohung der "neuen Weltordnung" gesprochen wird. Gemeint sind meist kriegerische Auseinandersetzungen unterhalb der Ebene des Staates, in die ethnische Gruppen, entweder untereinander oder gegen den Staat, involviert sind. Die in den Medien leicht mystifizierende Rede von den "Warlords" als den Führern ethnischer Gruppen suggeriert die Verbindung traditionellen Ansehens mit moderner Kriegführung. Allerdings weiß man bislang wenig über Ursachen, Verlauf und Perspektiven solcher Konflikte, erst recht nicht über den Zusammenhang von kolonialer Vergangenheit, Demokratisierung, Ethnokratie und Elitenbildung.

Joachim Weber: Kroatien. Regionalentwicklung und Transformationsprozesse. Stuttgart 2002 (Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg, Band 92). 319 S.

Ziel der Arbeit ist es, den "regionalen Wandel in Kroatien und die Spezifität seiner Transformationsprozesse" (S. 2) zu erklären. Dieses Ziel soll durch eine phänomenologisch-hermeneutische bzw. hermeneutisch-interpretative Arbeitsweise "in Verbindung mit empirisch-analytisch ermittelten realweltlichen Tatbeständen" (S. 7) verwirklicht werden. Der Autor stützt sich dabei auf die Auswertung von Literatur, schriftlichen unveröffentlichten Quellen, Statistiken und Expertengesprächen.

Jan Wehrheim: Die überwachte Stadt. Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung. Opladen 2002 (Stadt, Raum und Gesellschaft, Band 17). 238 S.

Der vorliegende Band dient prinzipiell der Rezeption einschlägiger Literatur zum Thema sozialräumliche Segregation in modernen Großstädten. Mit der Mehrzahl der besprochenen Autoren geht J. Wehrheim von einer Trendwende im Themenumfeld aus: wo vordem gewissermaßen 'natürliche', dem Kapitalismus immanente, Segregationsprozesse im räumlichen Sinne prägend waren, konnte in den vergangenen Jahren zunehmend Formen von 'künstlicher' Segregation beobachtet werden. Ausgehend von den Vereinigten Staaten, aber auch von Südafrika und Brasilien, und verbunden mit so prägnanten Ausdrücken wie 'gated community' oder 'Überwachung öffentlicher Räume', reflektieren auch in Deutschland solche neuen Praktiken zunehmend neue sozio-ökonomische Realitäten.

Stefan Krätke (Hg.): Medienstadt. Urbane Cluster und globale Zentren der Kulturproduktion. Opladen 2002. 267 S.

Die Entwicklung in Richtung einer "Informationsgesellschaft" wird in der raum- und wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion u. a. mit der Entstehung eines eigenständigen, "neuen" ökonomischen Sektors assoziiert. Dieser neue Sektor dockt zugleich an traditionellen Wirtschaftszweigen an: insbesondere den Medien (Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen) und den kulturellen Institutionen wie beispielsweise der Kunst, der Musik oder den Museen und ihrer marktförmigen Vermittlung. Diese Bereiche vermischen sich mit denen der neuen Medien und der Werbewirtschaft im Bild einer "Kulturindustrie" neuen Typs. Sie wird in der vorliegenden Abhandlung von Krätke auch als eine der Leit-Industrien des 21. Jahrhunderts (Hervorh. im Original) bezeichnet: indem sie die Inhalte ("content") liefert, die dann mit Hilfe der neuen Technologien verbreitet, ausgetauscht und kommerziell vertrieben werden.

Institutsreihen - Überlegungen am Beispiel der "Materialien" des Instituts für Kulturgeographie, Stadt- und Regionalforschung (KSR) der J.W. Goethe-Universität

Neben Festschriften sind Institutsreihen wohl diejenige Veröffentlichungsform, die von den Anhängern eines formal definierten Qualitätsmanagements besonders argwöhnisch betrachtet werden: kein aus "anerkannten Wissenschaftlern" gebildetes "editorial board", kein "peer reviewing" und was so an weiteren Kriterien aufgefahren wird, um die Adelung zur "anerkannten Publikation" abzusichern.

Institutionen für die Armen. Die Weltentwicklungsberichte 2002 und 2003

Armutsminderung ist die übergeordnete Orientierungsgröße heutiger Entwicklungszusammenarbeit. Der Weltentwicklungsbericht 2000/2001 der Weltbank bietet eine grundlegende Diskussion zu diesem Thema. Ich habe diesen Bericht in der Geographischen Revue (1/2002) ausführlich besprochen. In Ergänzung dieser Besprechung sollen hier kurz die beiden Nachfolgeberichte von 2002 und 2003 vorgestellt werden, da sie das Thema in wesentlichen Aspekten vertiefen (was im übrigen auch für den in Vorbereitung befindlichen Bericht für 2004 gilt: Making Services Work for Poor People, vgl. http://econ.worldbank. org/wdr/wdr2004).

Harveys Postmodernisierung des Marxismus: Zwischen den Stühlen

In der anglophonen Geographie und ihren Nachbarwissenschaften hat David Harveys Nachfolgewerk (David Harvey: Justice, Nature & the Geography of Difference. Oxford und Cambridge, MA 1996. 468 S.) zu seinem Bestseller The Condition of Postmodernity (1989) für umfangreiche Diskussionen gesorgt. So wurde seiner Besprechung eine komplette Ausgabe von Antipode (1/1998) sowie Diskussionsforen in den Annals of the Association of American Geographers (4/1998) und in Gender, Place and Culture (4/1997) gewidmet. In deutscher Sprache ist mir, sieben Jahre nach dem Erscheinen des Buches, nur eine einzige Besprechung bekannt, die zudem in einer nicht-geographischen Zeitschrift erschienen ist (Riedmann 1999). Diesen beiden Tatsachen, der umfangreichen Diskussion in der anglophonen Welt und der spärlichen Rezeption in deutscher Sprache und Geographie, soll in diesem Besprechungsaufsatz Rechnung getragen werden, indem zunächst das Buch vorgestellt (I.) und anschließend auf einige der Kritiken und Diskussionspunkte in den englischsprachigen Debatten eingegangen wird (II.). Schließlich (III.) wird Harveys Vorliebe für 'social justice' einer Kritik unterzogen.

Wieder zu lesen: Alexander von Humboldts Kosmos

Als vor nunmehr 10 Jahren Alexander von Humboldts Alterswerk, der Kosmos, zusammen mit einigen anderen seiner Hauptwerke in Form einer Studienausgabe neu ediert wurde, stellten Verlag und Herausgeber es den Lesern anheim, den bis dahin allein vorgelegten ersten beiden Bänden des Kosmos die Bände 3 bis 5 des Originals folgen zu lassen, sollte dies gewünscht werden.1 Bei dieser eingeschränkten Ausgabe ist es bis heute geblieben - warum wohl? Ist diese editio castigata des Kosmos möglicherweise der Beschränkung der Edition der Hauptwerke Humboldts auf eine "Studienausgabe" zu schulden oder gibt es dafür eventuell noch andere Gründe, die einen stärkeren Wunsch nach einer uneingeschränkten Kosmos-Ausgabe kaum aufkommen lassen?

 "Aber, Herr Doktor, wenn einem die Natur kommt."

"Gemäss der Natur" wollt ihr leben? Oh ihr edlen Stoiker, welche Betrügerei der Worte! Denkt euch ein Wesen, wie es die Natur ist, verschwenderisch ohne Maass, gleichgültig ohne Maass, ohne Absichten und Rücksichten, ohne Erbarmen und Gerechtigkeit, fruchtbar und öde und ungewiss zugleich, denkt euch die Indifferenz selbst als Macht - wie könntet ihr gemäss dieser Indifferenz leben? Leben - ist das nicht gerade ein Anders-sein-wollen, als diese Natur ist? Ist Leben nicht Abschätzen, Vorziehn, Ungerechtsein, Begrenzt-sein, Different-sein-wollen? Und gesetzt, euer Imperativ "gemäss der Natur leben", bedeute im Grunde so viel als "gemäss dem Leben leben" - wie könntet ihr's denn nicht? Wozu ein Princip aus dem machen, was ihr selbst seid und sein müsst? - In Wahrheit steht es ganz anders: indem ihr entzückt den Kanon eures Gesetzes aus der Natur zu lesen vorgebt, wollt ihr etwas Umgekehrtes, ihr wunderlichen Schauspieler und Selbst-Betrüger! Euer Stolz will der Natur, sogar der Natur, eure Moral, euer Ideal vorschreiben und einverleiben, ihr verlangt, dass sie "der Stoa gemäss" Natur sei und möchtet alles Dasein nur nach eurem eignen Bilde dasein machen - als eine ungeheure ewige Verherrlichung und Verallgemeinerung des Stoicismus. ..." (F.N.: Jenseits von Gut und Böse, 9. Aphorismus; Herv. i. O.).

Sigrun Kabisch und Sabine Linke: Revitalisierung von Gemeinden in der Bergbaufolgelandschaft. Unter Mitarbeit von Ortrud Funk. Opladen 2000 (Forschung Soziologie 97). 298 S.

Die hier besprochene gemeindesoziologische Analyse von Entwicklungspotenzialen in Gemeinden des mitteldeutschen Braunkohlereviers erweitert den Rahmen früherer Untersuchungen zu devastierten Siedlungen in altindustrialisierten Regionen um eine wichtige Facette. Frühere Studien konzentrieren sich bislang vor allem auf städtische Fälle mit Industriebrachen und Revitalisierungsstrategien und auch für die Umsiedlungsgemeinden des Rheinischen Braunkohlereviers liegen keine Studien mit ähnlichen Fragestellungen vor.

Andreas Pott: Ethnizität und Raum im Aufstiegsprozeß. Eine Untersuchung zum Bildungsaufstieg in der zweiten türkischen Migrantengeneration. Opladen 2002. 447 S.

Wohl kaum eine andere wissenschaftliche Disziplin profitiert so sehr wie die Geographie von den Forschungen wissenschaftlicher Grenzgänger. Daher ist zu hoffen, dass die Dissertation "Ethnizität und Raum im Aufstiegsprozeß", die der Geograph und Soziologe ANDREAS POTT vorlegte, eine starke Rezeption in der Geographie findet und zu einem differenzierteren Vorgehen in der geographischen Migrationsforschung beiträgt.